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Waffen im Trend – wie eine ganze Nation darunter leidet

Seit jeher kommt es in den USA beinahe täglich zu tödlichen Schießereien, oft auch auf Kinder. Die Corona-Pandemie verschärfte die Situation weiter. 

Trauernde nach einer Massenschießerei in einem Vorort von Chicago, Illinois am 7. Juli 2022.
Trauernde nach einer Massenschießerei in einem Vorort von Chicago, Illinois am 7. Juli 2022.
REUTERS

Schusswaffen liegen in den USA schwer im Trend. Schon immer gab es in dem Land überproportional viele Waffen – die Freiheit, seine eigene Schusswaffe zu besitzen, gehört für viele US-Amerikaner zur ihrer "way of life", ihrer Lebensweise. Doch mit Anbeginn der Pandemie kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Waffenverkäufe. Zu diesem Ergebnis kam der Gesundheitswissenschaftler Matt Miller der Northeastern University in Boston, Massachusetts.

Zwischen Jänner 2020 und April 2021 hätten sich demnach 5,4 Millionen US-Amerikaner erstmals eine Schusswaffe besorgt. Besonders Frauen und Afro-Amerikaner seien für diesen Boom verantwortlich. "Die gesundheitlichen Folgen des jüngsten Anstiegs an Schusswaffen in Privatbesitz werden nicht nur die neuen Waffenbesitzer tragen müssen, sondern auch die Millionen Menschen, die mit ihnen leben, darunter rund fünf Millionen Kinder, die nun Schusswaffen in ihrem Haushalt ausgesetzt sind", so Miller in seiner Studie.

Täglich sterben vier Kinder

Alleine im Jahr 2022 wurden in den USA 1.676 Kinder und Jugendliche erschossen – das geht aus Erhebungen des Gun Violence Archive hervor. Somit hat Waffengewalt bei unter 19-Jährigen Verkehrsunfälle und Krankheiten als häufigste Todesursachen überholt. Seit Jahren werden es immer und immer mehr Waffen und im Umkehrschluss immer mehr sinnlose Todesfälle.

Alleine seit Beginn diesen Jahres wurden mindestens 245 Kinder und Jugendliche erschossen und über 500 weitere verletzt. 

Mangelhafte Gesetzeslage

Neben der leichten Zugänglichkeit der Waffen, oftmals sogar ohne jegliche Background-Checks, ist die Aufbewahrung der Waffen ein großes Problem. Im förderalen System der USA, indem die 50 Bundesstaaten vieles unabhängig von der Zentralregierung regeln können, gibt es dafür keine einheitlichen Richtlinien. Nur in 14 Bundesstaaten ist es vorgesehen, dass Waffen in Safes weggesperrt werden müssen – nicht zuletzt, um Kinder zu schützen. 

Dementsprechend haben viele Kinder und Jugendliche einen einfachen Zugang zu Waffen. Das zeigen die Zahlen zu unabsichtlichen Schießereien: Letztes Jahr gab es insgesamt 1.625 sogenannte "unintentional shootings". Damit sind die USA trauriger Spitzenreiter unter den Industrienationen: Im gelobten Land sterben vier Mal mehr Menschen durch unabsichtliche Schießereien als in vergleichbaren Nationen.

Düstere Zahlen

Seit Jahren steigen die Todeszahlen – ohne, dass es Hoffnung auf eine Trendumkehr gäbe. 2022 wurden in den USA mehr als 20.000 Menschen erschossen. Nur acht Jahre vorher lag der Jahreswert noch bei 12.400, also fast bei der Hälfte. 2016 starben in den USA, auf 100.000 Einwohner gerechnet, fünfmal so viele Menschen wie in Österreich. 

Neben manchen bereits unter hoher Kriminalität leidenden Großstadtvierteln, wie der berüchtigten South Side in Chicago oder Teilen Philadelphias, kommt es vor allem in konservativen südlichen Bundesstaaten wie Mississippi oder ländlichen Gebieten im mittleren Westen besonders häufig zu tödlichen Schießereien. 

Was macht die Politik?

Obwohl das Problem ganz weit oben auf der Agenda politischer Akteure stehen müsste, tut sich aufgrund der polarisierten Lage wenig bis nichts. Selbst Halbautomatikwaffen, mit denen innerhalb kürzester Zeit etliche Menschen getötet werden können, sind über das Land verteilt erhältlich. Seit 2014 hat sich die Anzahl der Amokläufe mit mindestens vier Toten verdoppelt. 2022 kam es pro Tag im Schnitt zu zwei Massenschießereien. Doch vor allem die Republikaner, und vereinzelte Demokraten, blockieren ein Verbot der tödlichen Waffen. 

Joe Biden wird in seiner Rolle als US-Präsident als einer der mächtigsten Menschen der Welt gesehen – doch in diesem Zusammenhang scheint auch er machtlos. Schon während des Wahlkampfs sprach er von einer "Waffenepidemie", die das Land heimsuche. Doch die Mehrheitsverhältnisse im Kongress verunmöglichen es ihm, abgesehen von kleineren Verschärfungen, eine bedeutende Veränderung voranzutreiben. 

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    Bei Schüssen in einem Einkaufszentrum in der US-Stadt El Paso im Bundesstaat Texas ist mindestens ein Mensch getötet worden, drei weitere wurden verletzt.
    Bei Schüssen in einem Einkaufszentrum in der US-Stadt El Paso im Bundesstaat Texas ist mindestens ein Mensch getötet worden, drei weitere wurden verletzt.
    REUTERS