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Warum Telefonieren in Verruf gerät

Mail mir, schreib mir per WhatsApp - aber ruf mich ja nicht an. Warum das Telefongespräch zunehmend in Verruf gerät.

Heute Redaktion
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Bild: Fotolia.com

Mail mir, schreib mir per WhatsApp – aber ruf mich ja nicht an. Warum das Telefongespräch zunehmend in Verruf gerät.

"Nur fiese Menschen rufen an: Warum Millennials so ungern telefonieren" – unter diesem Titel erklärt eine junge Journalistin im Online-Magazin "Edition F", warum sie das Telefonieren hasst. Ein Anruf komme ihr oft "wie ein Überfall aus dem Hinterhalt" vor. Man wisse nie, wobei man den anderen gerade störe. Klingle das Telefon zur falschen Zeit, entwickle sie "latente Aggressionen".

"Du entscheidest nicht, wann ich mit dir zu sprechen habe!", mahnt sie gebieterisch. Mit ihrer Meinung steht die junge Journalistin nicht alleine da. Das Telefonieren ist bei unter Dreißigjährigen zunehmend unbeliebt: das Telefonieren rangiert bei den 14- bis 29-Jährigen nicht einmal mehr unter den Top 5 der Aktivitäten auf dem Smartphone. Stattdessen belegen Nachrichten schreiben, im Netz surfen und E-mailen die vorderen Plätze.

Verlagerung der emotionalen Kommunikation

"Anrufe werden von jüngeren Menschen als unhöflich und übergriffig wahrgenommen", bestätigt Social-Media-Experte Philippe Wampfler. Dies, weil der Angerufene nicht aussuchen könne, wann er antworten will. "Jüngere Menschen vereinbaren deshalb ihre Anrufe oftmals vorgängig", so der Dozent für Medienpädagogik an der Uni Zürich.

Ein Grund für den Rückgang von Telefongesprächen sei zudem, dass sich die emotionale Kommunikation auf multimediale Kanäle verlagert habe. "Während wir beim Telefonieren auf unsere Stimme begrenzt sind, erlauben uns Instant-Messenger wie Snapchat oder WhatsApp, mit Bildern und Videos zu kommunizieren", sagt Wampfler. In dieser Hinsicht sei das Telefon das "ärmere Medium".

Sprachnachrichten sind beliebt

Mit dem Telefon verbinden deshalb viele eher Unangenehmes: dringende Notfälle, unerwünschtes Tele-Marketing und Anrufe des Chefs. Wampfler verweist dabei auf den Briefkasten, den bereits zuvor dasselbe Schicksal ereilt habe. "Auch er muss sich vorwiegend mit Rechnungen, Werbung und Bettelbriefen begnügen."

An die Stelle von Telefonaten treten laut Wampfler vermehrt aufgezeichnete Sprachnachrichten: "Sie haben dieselbe Funktion wie Telefonate, folgen aber dem Gebot der Höflichkeit, da man sie zum gewünschten Zeitpunkt anhören kann."

Das Telefon wird nicht aussterben

Trotz der sinkenden Zahlen von Anrufen: Vom Aussterben bedroht sei das Telefon nicht, glaubt Wampfler. In bestimmten Situationen sei es nach wie vor die geeignetste Kommunikationsform – sofern ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht nicht möglich sei. "In engen Beziehungen und bei Konflikten werden wir weiterhin zum Hörer greifen."

(red)