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Was ich in der Coronakrise als Single gelernt habe

Heute Redaktion
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Wie ist es, während der Corona-Pandemie Single zu werden und sich zu entschließen, auf ein Date zu gehen? Unsere 30-Jährige Redakteurin erzählt davon.

Nachdem ich eine über wenige Monate andauernde Beziehung beendet habe (worauf ich in einem anderen Beitrag näher eingehen werde, wie es jetzt ist, in der Isolation Schluss zu machen), habe mich mit jemandem mittlerweile ein paar Mal getroffen, den ich über eine Dating-App kennengelernt habe. Natürlich mit der nötigen Distanz. Dazu muss ich sagen, dass dieser Abstand nicht unbedingt negativ ist, außer man ist auf der Suche nach einem sexuellen Abenteuer. Für mich aber beginnt Anziehung zunächst über das Geistige.

So verändert Corona das Dating

Beim ersten Date hat er mich mit dem Auto abgeholt, weil ich zentral wohne und er am Stadtrand und wir dort spazieren gingen - mit einem grandiosen Ausblick von einer Wiese aus. Einen kurzen "awkward moment" bot nur die Begrüßung (weil sie ja unter diesen Umständen nicht stattfindet). Außerdem habe ich frisch desinfiziert am Rücksitz Platz genommen. Gleich danach startete überraschenderweise eine angeregte Konversation, wo nicht nur Corona der Ice Breaker war, sondern alles Mögliche. Corona war zwar präsent, aber zum Glück nicht entscheidend. Solange man sein soziales Leben (ich habe weder Eltern noch Großeltern, lebe allein und meine Verwandten sind in einem anderen Bundesland) auf ein Minimum reduziert, Vorsicht übt und die Hygienestandards einhält, kann man rational mit dem Thema des Jahres umgehen, das uns in eine neue Phase transportieren wird.

Das zweite Date war noch intensiver. Da mich diese traditionelle Art des Datings immer mehr angesprochen hat, als die "casual" Variante, die heute bei der jungen Generation modern ist, finde ich es gut, gewissen Höflichkeiten Raum zu geben. Ich habe mich über viele Stunden mit ihm bei gutem Essen und langen Spaziergängen herrlich unterhalten. Das hat für mich, immer wenn man eine Person kennenlernt, einen hohen Stellenwert, egal ob sich daraus dann eine Beziehung oder eine Freundschaft entwickelt. Der Abstand kann also durchaus positiv zu werten sein. Denn Intimität erfolgt dann auf einer anderen Ebene. Da ich den geistigen Austausch mit jemandem über alles stelle, ist mir das auch sehr wichtig.

Krise als Chance für eine neue Höflichkeit

Wie ich interessanterweise bemerkt habe, funktioniert so eine Kommunikation in der Ausnahmesituation, in der wir uns gerade befinden, mit sehr viel Offenheit. Daneben habe ich noch bemerkt, dass ich mich, ohne Sex zu haben, damit intensiver auseinandersetze, was ich für mich eigentlich suche, im Vergleich zu den letzten Erfahrungen. Die Nähe geht mir in gewisser Weise sicher ein wenig ab. Die Krise bewerte ich aber auch als Chance. Den Sommer mit diesem neuen Gefühl von Freiheit und der Anerkennung dessen, was man hat, werde ich auf jeden Fall zu schätzen und zu nutzen wissen. Jeder intensive Moment ist ein gelebter Moment.

Übrigens ist die Wahrscheinlichkeit gerade groß, dass man auf Dating-Apps keine oberflächlichen Konversationen führt (wenn man nicht jemanden erwischt, dem gerade fad in der Isolation ist). Ich hätte den anderen Typen auch weiter daten können, nur um nicht allein zu sein. Aber das wäre nie die richtige Lösung. Denn auch wenn man abends wach liegt und sich darüber ohne Ablenkung mehr Gedanken macht, als man das sonst tun würde, bringt es nichts, etwas fortzusetzen, das nicht passt, wo die Vibes nicht stimmen. Man muss immer ehrlich mit sich selbst sein. Jetzt haben wir gerade die Möglichkeit, wirklich darüber nachzudenken, was wir wollen. Von Partnerschaften, Freundschaften, Sex, der Liebe und vom Leben.

Gesellschaft bekommt einen höheren Wert

Ich habe mir eine Liste mit Dingen, die ich dieses Jahr erreichen möchte, gemacht, sowohl Dinge, die ich allein erreichen kann, als auch Unternehmungen in Gesellschaft. Das Leben bleibt nicht stehen, auch wenn es sich gerade so anfühlt. Aber genau dieser Moment ist es, der uns das erste Mal so endlos vorkommt und uns dabei nur die Vergänglichkeit vorführt. Wir müssen wach sein, um zu leben. Ich muss mich zum Beispiel fragen: Wie viele Treffen habe ich im letzten Moment abgesagt, nur weil ich etwas müde war? Das werde ich diesen Sommer nicht machen. Jeden Abend nach der Arbeit werde ich nutzen, mit meinem Liebsten, oder auch alleine, der Natur und Sonne nahe.

Vielleicht werden wir durch die Krise wieder respektvoller gegenüber der Gesellschaft, die uns umgibt. Vor allem unter Millenials ist die Tendenz vorhanden, Menschen als austauschbar zu betrachten. Jetzt, wo die meisten Kontakte in unmittelbarer Umgebung fehlen, sieht das anders aus. Ich glaube also auch, dass das mit Online-Dating genauso funktionieren kann. Nähe basiert nicht nur auf Körperlichkeit. Es gibt viele Arten von Intimität. Ich habe immer schon Treffen in einem kleinen, geschätzten Kreis bevorzugt, aber auch ich spüre eine neue Dankbarkeit gegenüber gemeinsamen Momenten und Gesellschaft.

Und nun freue ich mich schon auf das dritte Date (über das ich wieder berichten werde).

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