Was ist eigentlich aus Vero geworden?
Aus dem Nichts ploppte Vero auf und wurde als Instagram-Killer propagiert. Bereits ein Monat später verstauben die Accounts auf dem sozialen Netzwerk.
Manchmal schwelgen wir gerne in Erinnerungen. Wissen Sie noch damals, als alle plötzlich das Gefühl hatten, sie bräuchten jetzt dringend einen Vero-Account? Ach – die gute alte Zeit. Genau wie andere Neuheiten der Tech-Welt, das Grammophon zum Beispiel, verschwand aber auch dieser Hype irgendwann in der Mottenkiste. Mit dem Unterschied, dass seit den "Heydays" von Vero gerade mal ein Monat vergangen ist.
Ein Monat – und schon jetzt benutzt niemand mehr den angeblichen Instagram-Killer. Die meisten starteten die App ungefähr fünf Mal. Offizielle User-Zahlen finden sich zwar keine, ein Blick auf Google Trends reicht aber, um zu verstehen, wie kurzlebig die Aufregung war. Vero ist nicht nur schlecht gealtert, sondern bereits in Kinderschuhen gestolpert und seither nicht mehr aufgestanden. Die Ursachen:
Der Rummel wurde künstlich generiert
Um zu verstehen, warum der Hype um Vero derart schnell verpuffte, lohnt es sich, auf dessen Anfang zurückzublicken. Das soziale Netzwerk existiert nämlich bereits seit 2015. Im Februar diesen Jahres propagierte dann plötzlich die halbe Welt Vero als die App, die Instagram und Facebook zu Fall bringen wird.
Grund dafür ist eine clever orchestrierte Marketing-Kampagne: Von einem Tag auf den anderen posteten plötzlich diverse Influencer, YouTube-Stars und andere Internet-Berühmtheiten, sie hätten jetzt einen Account auf diesem "mega ehrlichen und fairen" neuen Netzwerk. Ein Schelm, wer glaubt, dafür sei Geld geflossen.
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Vero ist kein bisschen besser als die anderen
Wie sich relativ schnell herausstellte, löst Vero das Versprechen, seine Nutzer besser zu behandeln als die Konkurrenz, nicht wirklich ein. Zwar gibt es im Gegensatz zu Facebook und Instagram keinen mysteriösen Algorithmus, der die Timeline sortiert. Und ja, man wird auch nicht mit Werbung zugespammt. Dafür zieht Vero Geld einfach direkt via Abo-Gebühr aus der Tasche. Und Vero sammelt auch Daten. Das lässt sich sogar transparent nachlesen im "Manifest" der App – ja, Vero nennt das wirklich so.
Für Unternehmen bietet Vero trotzdem die Möglichkeit, ihre Produkte im eigenen Channel direkt über einen "Buy Now"-Button zu verscherbeln. Für jeden Verkauf drücken sie dann einen Teil der Einnahmen an das soziale Netzwerk ab. Genau genommen gibt es also doch so etwas wie Werbung. Kurz ausgedrückt: Auch wenn Vero mit dem Begriff "True social" angepriesen wurde, handelt es sich um einen Wolf im Schafspelz.
Niemand braucht ein neues Insta
Wissen Sie was FOMO ist? Der Ausdruck steht kurz für "Fear of missing out", also das Gefühl, etwas zu verpassen. Dieses psychologische Phänomen ist der Grund, warum sich Ende Februar plötzlich jeder einen Vero-Account einrichtete. Während der ersten Tagen registrierten sich so viele Nutzer, dass die Server zu rauchen begannen.
Diesen Effekt förderten die Macher zusätzlich, indem sie der ersten Million User die Abo-Gebühr auf Lebenszeit schenkten. Genau genommen brauchte niemand ein neues Instagram, wegen der künstlich verknappten Ressource herrschte aber Goldgräberstimmung. Gelohnt hat es sich nicht: Kurz nachdem eine Million User registriert waren, kündigte Vero an, die App bleibe wegen des Ansturms bis auf weiteres kostenlos.
Es fehlt ein aktives Netzwerk
Eine Umfrage in der Redaktion zeigt, dass zwar einige der Autoren einen Vero-Account besitzen, dort aber niemals etwas posten, geschweige denn überhaupt checken, was in ihrem Feed so passiert. Als eine Kollegin die App öffnete, stammte der letzte Post in ihrer Timeline vom 27. Februar, also präzise zu dem Zeitpunkt als Vero in den Medien herumgereicht wurde. Seither herrscht gähnende Leere, es zirpen die Grillen und Strohballen fliegen durch die Gegend. Einzelne Influencer sind offenbar noch aktiv, von den Menschen, die einem tatsächlich etwas bedeuten, findet man aber kaum Inhalte.
Der fragwürdige Gründer
Letzten Endes kam bei vielen Usern auch Skepsis auf, nachdem sie von der zweifelhaften Vergangenheit von Veros Urhebern erfuhren. Hinter der App steckt Ayman Hariri. Bevor er das Startup gründete, waltete er als stellvertretender Geschäftsführer der saudi-arabischen Baufirma Saud Oger. Das Unternehmen verweigerte seinen Arbeitnehmern teilweise Lohn und ließ sie unter prekären Bedingungen schuften. Sein Vater Rafiq al-Hariri stand als ehemaliger Ministerpräsident Libanons außerdem unter Korruptionsverdacht. Diese Kontroversen rückten das angeblich ethischere Instagram natürlich in ein leicht fragwürdiges Licht.
Fazit: Don't believe the hype
Erinnern Sie sich an Ello? Anfang 2014 wurde die App mit einem ähnlich stylischen Design und den gleichen Versprechungen als Facebook-Killer angepriesen. Nach wenigen Wochen interessierte sich kein Mensch mehr dafür. Warum also fallen wir jedes Mal wieder darauf rein?
Vielleicht sollten wir beim nächsten Mal einen kühlen Kopf bewahren und einen Hauch Skepsis walten lassen, statt dem neuesten Trend nachzurennen. Ein bisschen weniger "FOMO" und ein bisschen mehr "Don't believe the hype". (nei/Tilllate/red)