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Weißrussland lässt Gefangene frei und entschuldigt sich

Alexander Lukaschenko scheint nachzugeben. Der Präsident hat angewiesen, sich um die Situation der festgenommenen Demonstranten zu kümmern.

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In Weißrussland wurden Demonstranten wieder freigelassen.
In Weißrussland wurden Demonstranten wieder freigelassen.
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Nach Tausenden Festnahmen bei den Protesten gegen Präsident Alexander Lukaschenko in Belarus (Weissrussland) haben die Behörden überraschend mit der Freilassung vieler Gefangener begonnen.

Vor dem Gefängnis Okrestina in der Hauptstadt Minsk nahmen Familien und Freunde zutiefst erleichtert ihre Angehörigen in Empfang, es gab große Freude und Tränen, wie in oppositionsnahen Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram in der Nacht zum Freitag zu sehen war.

In engsten Zellen zusammengepfercht

Viele berichteten von schweren Misshandlungen im Gefängnis. In Videos schilderten Frauen und Männer, dass sie kaum ernährt und in engsten Zellen stehend zusammengepfercht worden seien. In Zellen mit vier Betten seien 35 Frauen gewesen, sagte eine Freigelassene dem Portal tut.by.

"Sie haben mit schrecklicher Brutalität zugeschlagen", sagte sie. "Überall war viel Blut." Viele Bürger zeigten – nur in Unterwäsche bekleidet – ihre mit Platzwunden und grossen blauen Flecken von Schlägen übersäten Körper. Mehrere Entlassene mussten sofort ins Krankenhaus gebracht werden, wie Medien in der belarussischen Hauptstadt Minsk berichteten.

Bis zum Morgen, 6 Uhr (5 Uhr MESZ), solle ein Großteil der bei Protesten in den vergangenen Tagen Festgenommenen wieder in Freiheit kommen, teilten die Behörden mit.

Die Rede war von mehr als 1000 Gefangenen. Es handele sich um Menschen, die am Rande nicht genehmigter Proteste ohne Grund festgenommen worden seien, hieß es. Die Gesamtzahl hatte bei rund 7000 gelegen. Es war das erste Mal seit Tagen, dass der Machtapparat unter Lukaschenko, der als letzter "Diktator Europas" gilt, einlenkte. Tausende hatten auch am Donnerstag seinen Rücktritt gefordert.

Lukaschenko reagiert auf Proteste

Staatsmedien berichteten, dass Lukaschenko am Donnerstagabend selbst angewiesen habe, sich um die Lage der Gefangenen zu kümmern. Er reagiere damit auf die Proteste von Arbeitskollektiven in den Staatsbetrieben der Ex-Sowjetrepublik. Innenminister Juri Karajew entschuldigte sich im Staatsfernsehen bei den Bürgern für die Festnahme vieler Unschuldiger.

Bei Polizeieinsätzen gegen Massenproteste komme es auch zu versehentlichen Festnahmen, sagte er. "Als Kommandierender möchte ich die Verantwortung übernehmen und mich ehrlich auf menschliche Weise entschuldigen bei diesen Menschen", sagte er.

Unterdessen beraten die Außenminister der EU-Staaten erstmals in grosser Runde über mögliche Reaktionen gegen Belarus. Wenn es den erforderlichen Konsens gibt, ist denkbar, dass die Wiedereinführung von 2016 aufgehobenen Sanktionen auf den Weg gebracht wird. So könnten etwa EU-Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen die belarussische Führung erlassen und Finanzhilfen im Rahmen der Nachbarschaftspolitik gekürzt werden.

    Nach den umstrittenen Wahlen wird in Weißrussland für einen Rücktritt von Präsident Alexander Lukaschenko demonstriert.
    Nach den umstrittenen Wahlen wird in Weißrussland für einen Rücktritt von Präsident Alexander Lukaschenko demonstriert.
    picturedesk.com
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