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Wer nicht digital und global denkt, bleibt über

Wien, das Zentrum der digitalen Welt: Mehr als 50 Spitzenmanager aus führenden Unternehmen sprachen bei "Darwin's Circle".

Heute Redaktion
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Bei der Digitalisierung gehe es vor allem um globale Standardisierung, erklärte Wirecard-Chef Markus Braun, dessen Unternehmen vor kurzem die Commerzbank aus dem Deutschen Aktienindex (DAX) verdrängte, bei seiner Eröffungsrede. Weltweit gleiche technische Standards seien einfach die Grundvoraussetzung der Digitalisierung, betonte der Österreicher. Deshalb gehe es nicht um chinesische, amerikanische oder europäische, sondern nur um globale Lösungen.

Der Erfolg von Wirecard, dessen Hauptaktionär und CEO Braun ist, liege nicht zuletzt darin, dass er von Anfang an global gedacht habe, meinte Braun. Wichtig sei, seine zentralen Fähigkeiten permanent zu verbessern und sein Geschäftsfeld mit Komplementärdiensten abzusichern, sagte Braun.

Keine Angst

Sein Unternehmen arbeite mit Google und Banken ebenso zusammen wie mit chinesischen Unternehmen. Wenn man gute Technologien entwickle, brauche man keine Angst vor der internationalen Konkurrenz zu haben. In Europa sei der Zugang dazu aber zu defensiv: "Wir müssen lernen, die Schönheit des Fortschritts zu sehen."

Die Digital-Riesen

Trotzdem hat Europa den Digital-Giganten wie Google, Facebook oder dem chinesischen Tencent wenig entgegenzusetzen. Bei Diensten für Konsumenten habe Europa das Spiel bereits verloren, befürchtete T-Mobile-Austria-Chef Andreas Bierwirth. Eine ähnliche Entwicklung sieht er bei der Künstlichen Intelligenz. Einen Grund dafür sieht Bierwirth in den strengen Datenschutzgesetzen und gesetzlich vorgegebenen Einschränkungen. "Wir schränken uns selbst ein. Ohne Daten kann es keine Unternehmen wie Tencent geben."

China zeigt, wie das geht

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Das chinesische Hightech-Unternehmen Tencent wurde als Vorbild gesondert behandelt. Es ist 400 Milliarden Dollar wert. Mehr als jeweils eine Milliarde Nutzer verwenden die Chatdienste WeChat und QQ, Suchmaschinen, Webbrowser und mobile Bezahldienste. "Nutzer in China können ihr ganzes Leben rund um die Produkte des Internetunternehmens organisieren", erklärte Ling Ge, die den Technologieriesen Tencent in Europa repräsentiert, bei Darwin's Circle.

Seine Fühler streckt Tencent längst auch in andere Länder aus. Am Elektroautobauer Tesla und dem US-Chatdienst Snapchat hält der Konzern ebenso Anteile wie am Musikdienst Spotify und an dem Spieleunternehmen Supercell ("Clash of the Clans"). Daneben sind die Chinesen auch am Münchner Flugtaxi-Start-up Lilium beteiligt. Man sei laufend auf der Suche nach neuen Gelegenheiten, sagt Ling Ge. Auch die eigenen Dienste würden mithilfe der enormen Datenmengen und künstlicher Intelligenz laufend erweitert.

US-Botschafter gegen Regulierung

Der neue US-Botschafter in Österreich und frühere Softwareunternehmer Trevor Traina hält die Angst vor Regulierung und Datensammeln – no na – für überzogen. Der CompareNet-Gründer meinte: „Nicht einmal die klügste Regierung der Welt wird beim Regulieren mit den technischen Entwicklungen mithalten können." Keine Regierung könne abschätzen, in welche Richtung sich Technologien entwickelten – insofern würden Versuche der Regulierung „immer der Realität einige Jahre hinterherhinken", so Traina.

Wrabetz setzt auf europäische Lösung

Auch das Thema Medien kam zur Sprache. ORF-General Alexander Wrabetz diskutierte mit Stephanie Caspar, Technologie-Chefin des deutschen Springer-Verlags, Guido Bülow, Nachrichtenchef von Facebook, und Google-Manager Robert Richter über die „Macht der Information".

Trotz aller Gegensätze kam es zu einem überaus freundlichen Diskurs: Der Facebook-Chef wollte festlegen, was denn eigentlich "Qualitätsmedien" seien. Die Springer-Managerin versprach hingegen digitale Tools zu entwickeln, mit denen zwischen wahr und falsch, gut und schlecht unterschieden werden könne. So könnten neue Qualitätsstandards entwickelt werden. Robert Richter von Google betonte zur Überraschung vieler, dass Google Medienhäusern helfe, besser zu ihrem Publikum zu kommen: "Wir unterstützen Medien eigentlich, ihr öffentliches Mandat zu erfüllen."

Alexander Wrabetz meinte, dass Europa eigene social-media-Plattformen brauche. "Wir brauchen nicht mehr Regulierung, aber effektive Strategien, um ein europäisches Medienökosystem zu verteidigen". Man brauche dieses starke Ökosystem in Europa, um das Funktionieren der Demokratie zu verteidigen, so Wrabetz. Ansonsten hatte man sich eher lieb. (red)

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