Life
Wer rasch betrunken ist, braucht mehr Schlaf
Zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf haben den gleichen Effekt auf das Gehirn: Es leidet. Das hat in beiden Fällen den gleichen Grund.
Ob jemand vier, sechs oder acht Stunden braucht, um ausgeruht zu sein, variiert von Mensch zu Mensch stark. Manch einer kann die Nächte durchmachen, ohne geistige Leistung einzubüssen. Andere brauchen da bedeutend mehr Schlaf.
Beim Alkohol ist es ähnlich: Die einen sind so trinkfest, dass ihrem Denkvermögen und ihrer Reaktionsfähigkeit auch mehrere Gläser Bier nichts ausmachen, während andere nur noch dumpf durch die Gegend torkeln.
Wach bleiben und Trinken für die Forschung
Diese Parallelen kommen nicht von ungefähr, wie Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Forschungszentrums Jülich berichten. Für ihre im Fachjournal "Pnas" veröffentlichte Studie forderte das Team um Eva-Maria Elmenhorst die rund 50 Probanden ganz schön heraus. Zunächst durften sie 38 Stunden lang nicht schlafen und mussten dann einen zehnminütigen Reaktionstest absolvieren.
An einem weiteren Testtag bekamen die dann ausgeschlafenen Teilnehmer eine individuell berechnete Menge Wodka zu trinken, bevor die Forscher erneut ihre Reaktionsfähigkeit testeten.
Wer viel Alkohol verträgt, kommt mit weniger Schlaf aus
Der Vergleich der Testergebnisse zeigte, dass diejenigen, die trotz Alkohol beim Reaktionstest gut abschnitten, auch deutlich weniger Schwierigkeiten mit Schlafmangel hatten. Umgekehrt setzte der Schlafmangel jenen Probanden besonders zu, die auch mit langen Reaktionszeiten auf den Alkohol reagiert hatten.
Das lässt darauf schließen, "dass sowohl die Anfälligkeit für Alkohol als auch für Schlafentzug über einen gemeinsamen biochemischen Mechanismus gesteuert werden", so Co-Autor David Elmenhorst.
Wie dieser im Detail aussieht, sei im Moment noch nicht eindeutig zu beantworten. Eine Schlüsselfunktion dürfte aber dem körpereigenen Botenstoff Adenosin zukommen, vermutet der Neurowissenschaftler.
Darum werden wir im Verlaufe des Tages immer müder
Adenosin spielt eine zentrale Rolle für den Energiehaushalt des Organismus: Je länger ein Mensch wach bleibt, desto mehr Adenosin sammelt sich in seinem Gehirn an.
Der Stoff dockt an der Oberfläche von Nervenzellen an und betätigt dort eine bestimmte Art von Schaltern. Diese wirken ähnlich wie ein elektrischer Dimmer und schalten die Neuronen von ‹wach› auf ‹müde› um. Dadurch steigt der Drang zum Einschlafen über den Tag kontinuierlich an.
Alkohol verstärkt Wirkung
Wie das Adenosin-System unter Einfluss von Alkohol reagiert, untersuchten die Forscher mit Hilfe der sogenannten Positronen-Emissions-Tomografie (PET), mit dem frei verfügbare Adenosin-Rezeptoren sichtbar gemacht werden können.
An sieben Probanden konnten die Forscher zeigen, dass sich die Menge der nicht belegten Rezeptoren im Gehirn schon kurze Zeit nach dem Zuführen von Alkohol deutlich erhöht. Die Nervenzellen stellen offenbar mehr Rezeptoren auf ihrer Oberfläche zur Verfügung und damit auch mehr molekulare Schalter, um auf ‹müde› zu dimmen. Der Alkohol verstärkt auf diesem Weg die ermüdende Wirkung des Adenosins.
Übermüdung von Berufsfahrern und -piloten vorbeugen
"Das bestätigt unsere Annahme, dass die Anfälligkeit für Schlafmangel und Alkohol von Unterschieden im Adenosin-System abhängt", so Elmenhorst. Die individuellen Unterschiede seien im Erbgut jedes Menschen angelegt.
Die Erkenntnisse könnten praktische Bedeutung bekommen: Je nach Veranlagung könnte man Empfehlungen für Dienst- und Ruhezeiten etwa von Piloten oder Lokführern herleiten und dadurch menschliches Versagen durch Übermüdung verhindern.
(red)