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Wer zu wenig isst, den holen Fressattacken ein

Es gibt mehrere Faktoren, die eine Fressattacke begünstigen können. Was nicht selten der Grund ist: dass man im Alltag zu wenig isst.

Heute Redaktion
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Schätzungen zufolge leiden in der Schweiz über 200.000 Menschen an Fressanfällen.
Schätzungen zufolge leiden in der Schweiz über 200.000 Menschen an Fressanfällen.
Bild: iStock

Binge Eating bringt für die Betroffenen einen unglaublich hohen Leidensdruck. Sie haben Angst vor dem Augenblick, wenn die Lust auf Süsses oder Salziges kommt: Innerlich wissen Betroffene, dass sie dieser kaum widerstehen können. Sie essen zuerst nur etwas Kleines, doch dies ist der Türöffner für Tausende von Kilokalorien, die folgen. Danach schlägt das schlechte Gewissen zu. Man hat erneut versagt und versucht in den folgenden Tagen die Portionen zu verkleinern – bis der nächste Fressanfall kommt.

Die Krankheit wird in der Literatur vor allem mit psychischen Ursachen erklärt. Psychotherapie und Psychopharmaka werden mit Erfolg eingesetzt. Doch es gibt einen weiteren wichtigen Faktor in der Entwicklung von Binge Eating, der oft außer Acht gelassen wird und vielen Mut machen kann. Doch hier muss ich ein bisschen ausholen.

Binge Eater essen oft zu wenig

Wir bestimmen in unseren Beratungen nicht über Berechnungen den Kalorienbedarf unserer Kunden, sondern wir messen diesen über die wissenschaftliche Standardmethode. Was wir bei Binge-Eating-Patienten sehen, erstaunt uns meist sehr. Der tatsächliche Tagesbedarf dieser Menschen weicht deutlich nach oben ab. Doch ist ihnen dies kaum bewusst. Wir sehen Frauen mit einem Tagesbedarf von deutlich über 2500 Kilokalorien, Männer mit über 3200 Kilokalorien, sogar ohne trainiert zu haben. Treiben diese Personen zusätzlich Sport oder haben eine körperlich anspruchsvolle Arbeit, kann sich der tatsächliche Bedarf noch deutlich steigern.

Jedoch versuchen Menschen mit Binge Eating meist, so wenig wie möglich zu essen. Sie bleiben 1000 Kilokalorien und mehr unter ihrem tatsächlichen Bedarf. Was folgt, ist eine Rechenaufgabe. Wenn jemand beispielsweise vier Tage nacheinander "hungert", erfolgt am fünften Tag eine Essattacke mit 5000 Kilokalorien und mehr. Der Körper holt sich die Kalorien zurück, die er eigentlich gebraucht hätte. Wir können diesen Teufelskreis nur durchbrechen, wenn wir, statt weniger zu essen, dem Körper die richtige Menge liefern.

Wer hungrig zu Bett geht, den holt es ein

In einem ersten Schritt sollte der Kalorienbedarf über Onlinerechner oder elektronische Hilfsmittel zu Hause bestimmt werden. Wer es noch genauer möchte, findet Antworten bei einer seriösen Anlaufstelle. Wer nun erstaunt ist über die hohe Zahl und sich niemals vorstellen kann, dass er oder sie diese Menge auch wirklich braucht, der ist auf dem richtigen Weg. Denn bisher haben sie kaum je so viel gegessen. Die Portionen sollten wie folgt aussehen: zum Frühstück, Zmittag und Zvieri je rund 25 Prozent des Tagesbedarfs, zum Znüni und Abendessen je rund 12.5 Prozent.

Ein mögliches Frühstück wäre also: 120 Gramm Haferflocken, 150 Gramm Früchte, 30 Gramm Nüsse, drei Deziliter Milch. Wem diese Menge schlicht zu viel ist, der kann auch gern den Znüni aufwerten. Doch sollte dieser den Hunger nicht zu sehr nehmen, denn am Mittag folgt ein großer Teller. Wer über den Tag zu wenig isst, den holt am Abend der Hunger ein. Wer am Abend mit Hunger ins Bett geht, den holt er schlicht nach ein paar Tagen ein.

Binge Eating ist nicht einfach "nur" eine psychologische Störung, sondern oft auch begründet in einem sehr hohen Stoffwechsel und zu wenig Essen über den Tag. Passen diese Menschen ihre Mahlzeiten auf ihr tatsächliches Soll an, treten Fressattacken weit weniger bis kaum noch auf. Viele haben Angst, plötzlich große Mengen zu essen. Darum ist es sicherlich wichtig, durch diesen Prozess auch psychologisch begleitet zu werden.