Politik

Werner Faymann: Die Abschiedsrede im Wortlaut

Heute Redaktion
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Noch vor dem Bundesparteivorstand der SPÖ am Montag Nachmittag hat Kanzler und Parteichef Werner Faymann in einer überraschend anberaumten Pressekonferenz seinen Rücktritt bekanntgegeben. Die Rede des scheidenden Bundeskanzlers im Wortlaut.

Noch vor dem Bundesparteivorstand der SPÖ am Montag Nachmittag hat . Die Rede des scheidenden Bundeskanzlers im Wortlaut.

Der Kanzler trat am Montag um kurz vor 13 Uhr vor die Presse, um seinen Rücktritt bekannt zu geben.

"Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Ehre hat, siebeneinhalb Jahre der Bundesrepublik Österreich sein zu dürfen, dann sagt man Dankeschön – und das sage ich aus tiefer innerster Überzeugung. Wer nach siebeneinhalb Jahren hier steht und über die Zeit nachdenkt – und ich habe viel über diese Zeit nachgedacht – darf Ihnen sagen, dass ich stolz bin auf dieses Land. Ich bin stolz auf dieses Österreich, das eine Spekulations- und Wirtschaftskrise so bewältigt hat, dass, egal wo ich in Europa hinkomme, jeder sagt: Wie habt ihr das geschafft, ohne Sparprogramme, die Spitäler, Gesundheitsversorgung, das Notwendige für die Menschen zerstören oder kaputt machen, mit Ausbildungsgarantien, wo Jugendliche nicht einfach auf der Straße sich selbst überlassen werden, wenn sie keine Lehrstelle finden, wo der Staat, die Gemeinschaft Verantwortung übernommen hat. Wo wir gegengesteuert haben.

Diese Finanz- und Wirtschaftskrise war eine ganz große Herausforderung, und die haben wir nur bewältigt, mit der Stärke und mit der Kraft, die das Land auszeichnen. Ich habe im vergangenen Jahr ebenfalls eine große Herausforderung zu meistern gehabt. Es sind viele Menschen auf der Flucht, sei es mit oder ohne Asylgrund, durch unser Land gezogen. Es war die enge Abstimmung mit Deutschland und Schweden, die bedeutet hat, dass Hunderttausende Flüchtlinge weiter in Deutschland und Schweden und anderen Ländern ein Asylrecht gefunden haben.

Es sind 95 Prozent weitergezogen. Aber immer mit Unsicherheit. Immer mit Sorge. Was ist Österreich, ein so hilfsbereites Land, in der Lage zu leisten? Österreich hat auch etwas geleistet! Österreich hat mehr als 90.000 Menschen ein Asylrecht im Vorjahr gegeben. Anfang dieses Jahres war klar, dass die europäischen Lösungen - von der EU-Außengrenzen-Sicherung bis zu gerechten Verteilung - nicht fertig, nicht vorhanden sind. Dass es richtig ist, sich politisch weiter für diesen Kurs einzusetzen.

Aber es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch eigene Maßnahmen zu setzen. Nicht, weil sie besser sind, nicht, weil man wohin schwenkt aus irgendeinem Grund, sondern weil die Realität es verlangt, dass man als Verantwortungsträger auch Verantwortung übernimmt. Und so habe ich mit den Landeshauptleuten und der Regierung beschlossen, diesen Richtwert einzuziehen, um Europa darauf aufmerksam zu machen, dass Österreich alleine die Flüchtlingskrise nicht lösen kann. Dazu gab es viel Widerstand. Sie selbst haben viel darüber berichtet. Nicht zuletzt auch in meiner eigenen Partei.

Viele Diskussionen, die Fingerspitzengefühl verlangen, Zielstrebigkeit, haben dazu geführt, dass wir Maßnahmen gesetzt haben, die ein strukturelles Defizit gebracht haben, die aber auch die soziale Kraft des Landes gestärkt haben. Zwei Steuerreformen, eine in jüngerer Vergangenheit, sind ein Beleg dafür, dass es geht, wenn man aufrichtig, hart und zielstrebig verhandelt und dafür die Unterstützung hat. Nun, in den letzten Tagen haben Sie so ausführlich über die Situation in der Partei berichtet, dass ich Ihnen nichts erzählen brauche. Es geht nicht um die Frage, wer hat die Mehrheit in einer Partei. Es geht um die Frage: Hat man in dieser schwierigen Zeit, in dieser Zeit der großen Herausforderung – Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Wettbewerbsbedingungen zu verbessern, sozialen Zusammenhalt zu fördert und in der Flüchtlingskrise mit Ordnung und Menschlichkeit zurande zu kommen..."

Und dann fragte Faymann mit deutlich angeschlagener Stimme: "Hat man in dieser schwierigen Zeit die volle Rückendeckung? Hat man einen starken Rückhalt in seiner Partei? Das muss ich Ihnen mit Nein beantworten. Dieser starke Rückhalt ist verloren gegangen. Die Mehrheit ist zu wenig. Und trotzdem bedanke ich mich. Bei all jenen Mitkämpfern und Mitstreitern, die in diesen Tagen zu mir gestanden sind, mich unterstützt haben, damit der Kurs stimmt, oder auch mir persönlich das Vertrauen ausgesprochen haben. Aber ich ziehe mit diesem zu geringen Rückhalt in der eigenen Partei die Konsequenzen: Ich lege die Funktionen als Parteivorsitzender und Bundeskanzler mit dem heutigen Tag zurück.

Ich habe die sieben Landesparteivorsitzenden, mit denen ich in den letzten Wochen  und Monaten viel zu tun hatte, zu mir gebeten, und habe sie von meiner Entscheidung informiert."

Und dann sagte Faymann: "Dieses Land braucht einen Bundeskanzler, wo die Partei voll hinter ihm steht. Die Regierung braucht einen Neustart mit Kraft zur Bewältigung dieser Arbeiten. Wer diese Kraft nicht hat, kann all das nicht leisten."

Faymann bedankte sich bei seinen politischen Freunden und seiner Familie: "Ich konnte den Bundespräsidenten und den Vizekanzler persönlich informieren."

Und der Kanzler weiter: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass dieses Land ein wunderbares Land, stark genug ist, auch die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen. Ich bin für das Vertrauen, das ich genießen konnte, unendlich dankbar. Ich möchte der Regierung auch meinem Nachfolger, der noch zu bestimmen ist, alles erdenklich Gute wünschen. Ich weiß, wie schwierig es ist, an der Spitze einer Regierung zu stehen. Ich wünsche also jenen, die Verantwortung tragen und ernst nehmen, alles erdenklich Gute. Es geht um viel, es geht um Österreich. Ich bin sehr dankbar, in dieser Funktion im Land in der Vergangenheit dienen haben zu dürfen. Alles Gute."