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Wie aus einem alten Shirt neue Fasern entstehen

Unser Hunger nach neuen Kleidern wächst und wächst. Doch noch mehr Baumwolle gibt die Erde nicht her. Eine Lösung bieten neue Recyclingverfahren.

Heute Redaktion
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Seit der Jahrtausendwende hat sich die weltweite Kleiderproduktion mehr als verdoppelt und steht zurzeit bei rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Geht es so weiter, wird bis 2050 gar mit 300 Millionen Tonnen gerechnet. Gleichzeitig wird Kleidung bei uns nur noch halb so lange getragen wie vor 15 Jahren. Zusammen ergibt das einen gigantischen Berg an Altkleidern, die zum größten Teil direkt in den Abfall wandern.

Das ist eine enorme Verschwendung von Ressourcen. Besonders wenn man bedenkt, dass viele Kunstfasern aus dem endlichen Rohstoff Erdöl gewonnen werden und der Anbau der wichtigsten Naturfaser Baumwolle wohl bereits seinen Höhepunkt erreicht hat. Es gibt kaum mehr neue Anbauflächen, da diese für die Lebensmittelproduktion gebraucht werden. Ein Ausweg könnten neue Recyclingverfahren für Baumwolle bieten.

Vielversprechende Innovationen

Bereits heute wird Baumwolle recycelt. Das mechanische Verfahren funktioniert so, dass Baumwollgewebe bis auf die einzelnen Fasern geschreddert wird. Das resultierende Produkt ist zwar weiterhin Baumwolle, hat aber deutlich kürzere Fasern. Diese sind nur beschränkt für die Produktion von neuen Kleidern verwertbar, weil grundsätzlich kein genug feines und genug festes Garn für eine Textilherstellung erreicht werden kann. So beschränkt sich zurzeit der Anteil von Recycling-Baumwolle in Kleidern meist auf nur 20 Prozent.

Neue Kleider aus 100 Prozent recyclierten Fasern versprechen dagegen neue Verfahren, in denen Zellulose auf chemischem Weg aus gebrauchter Baumwolle herausgelöst wird. Aus dem so entstandenen Zellstoff können neue Viskosegarne gesponnen werden, die sich ähnlich wie Baumwolle anfühlen und genauso wie herkömmliche Regeneratsfasern wie zum Beispiel Modal, Lyocell oder Cupro zu Kleidern verarbeitet werden können.

Texcycle

Texcycle ist eine Zusammenarbeit zwischen Hochschule Luzern, Texaid und Coop. Das Projekt analysiert und optimiert die Prozesse der Altkleideraufbereitung mit dem Ziel, den textilen Kreislauf zu schliessen und den Output aus diesem Prozess zu einem neuen Upcycling-Rohstoff zu entwickeln.

Mehrere Projekte in verschiedenen Ländern arbeiten an solchen Verfahren, am weitesten ist das schwedische Start-up Renewcell. Es hat das Labor bereits verlassen und letztes Jahr eine Demonstrationsfabrik in Betrieb genommen, die jährlich 7000 Tonnen Zellstoff aus alter Baumwolle herstellen kann. Das mag angesichts des weltweiten Bedarfs nach wenig tönen, doch ein Anfang ist gemacht.

Problematische Mischmaterialien

"Die Technologie ist da, nun müssen Investitionen folgen", sagt Françoise Adler von der Hochschule Luzern. Sie leitet das Texcycle-Projekt, das derzeit nach neuen Produkt- und Designansätzen sucht, um die Ressource Altkleider nachhaltiger zu nutzen. Sie sieht die großen Marken in der Pflicht, die neuen Technologien zu fördern und in ihre Produktion zu integrieren. Zudem müssten Kleider in Zukunft mit Blick auf eine einfache Wiederverwertbarkeit gestaltet werden. Dazu gehöre die Abkehr von Mischmaterialien, wie zum Beispiel Fasermischungen aus Baumwolle und Elastan, die im Moment im Recycling große Probleme verursachen, so Adler.

Sie fordert aber auch ein Umdenken bei den Kunden. Diese sollten ihren Konsum drosseln und qualitativ hochwertigere Kleidung kaufen, die länger getragen werden kann. So könne jeder einen Beitrag leisten, um den Berg an Alttextilien zu reduzieren – unabhängig von Fortschritten beim Recycling gebrauchter Kleider.

Das Konzept hinter Renewcell. (Video: Youtube/Renewcell) (jcg)

(Red)

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