In Kenia ist es die schlimmste Heuschreckenplage seit 70 Jahren, in Äthiopien und Somalia die schlimmste seit 25 Jahren. Nun haben die Schwärme, die auch in Eritrea und Djibouti wüten, Uganda und Tansania erreicht. Zuvor hatte bereits Pakistan wegen der Heuschrecken den Notstand ausgerufen. Die rund 2 Gramm schweren Insekten vertilgen jeden Tag Nahrung in der Größenordnung ihres eigenen Gewichts. Ein Schwarm von der Größe eines Quadratkilometers könne so viel vertilgen wie 35.000 Menschen, schreibt die Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen. Bis zu 20 Millionen Menschen seien deshalb von einer Hungersnot bedroht:
Möglich machten die derzeitige Plage schwere Regenfälle, die im Mai und Oktober 2018 im Zuge von zwei tropischen Wirbelstürmen über dem Süden der Arabischen Halbinsel niedergingen. Die Folge waren mehrere Monate, in denen die Vegetation in der Wüste gedeihte und ideale Verhältnisse für die Vermehrung der Heuschrecken herrschten.
Heuschrecken passen sich an
In trockenen Zeiten sind Wüstenheuschrecken eher scheue, einzelgängerische Tiere, die ein unauffälliges Leben führen. Doch wenn sie sich massenhaft vermehren und die Nahrung vor Ort knapp zu werden droht, werden aus den Einzelgängern gesellige Tiere, die Schwärme bilden. Dabei vollziehen die Insekten eine beachtliche Verwandlung. Sie ändern ihre Farbe von Braun zu Gelb-Schwarz und legen deutlich an Muskelmasse zu. Zudem werden sie durch den Verzehr von Pflanzen, die die giftige Substanz Hyoscyamin enthalten, selbst giftig.
Da diese massenhafte Vermehrung und der resultierende Verwandlungsprozess fernab jeglicher Zivilisation in der Wüste von Oman geschah, blieb die sich anbahnende Katastrophe lange unentdeckt. Erst Ende 2018 schlug das Überwachungsnetzwerk der FAO Alarm.
Ausbreitung nach Osten und Westen
Als die Wüste im Oman im Januar 2019 langsam wieder austrocknete, machten sich die inzwischen beachtlichen Schwärme der gelb-schwarzen Insekten auf die Suche nach neuen Futterquellen. Pro Tag können die Schwärme bis zu 150 Kilometer zurücklegen. Ein Teil gelangte in den Iran und nach Saudi-Arabien und Pakistan, ein anderer über den vom Krieg zerrütteten Jemen nach Ostafrika. Auch dort trafen die Insekten auf viel Nahrung und feuchte Böden. Ideale Bedingungen also für die Eiablage und die weitere Vermehrung.
Haben die Schwärme erst einmal eine kritische Größe erreicht – ein Schwarm kann bis zu 10 Milliarden Heuschrecken umfassen – sind sie nur noch mit enormem Aufwand zu bekämpfen. "Eine Heuschreckenplage ist wie ein Buschfeuer. Entdeckt man es, wenn es noch ein kleines Lagerfeuer ist, kann man es ohne Probleme löschen", sagte Arianne Cease von der Global Locust Initiative an der Arizona State University zu Wired.com. Doch wenn man eine Heuschreckenplage nicht früh bekämpfe, so die Forscherin, wachse und wachse sie, bis es schließlich für die Heuschrecken keine Nahrung mehr gebe. Oder massiv Pestizid versprüht werde.
70 Millionen Dollar fehlen
Doch im Jemen gibt es nach Jahren des Bürgerkriegs keine Sprühflugzeuge mehr, das Gleiche gilt für Somalia. In Äthiopien und Kenia sieht die Situation besser aus, wie die BBCberichtet. Die verwendeten Pestizide wirken zwar relativ schnell, sie in abgelegenen Gebieten über die riesigen Flächen, die ein Heuschreckenschwarm einnehmen kann, auszubringen, stellt die Behörden aber vor große Herausforderungen. So wurde in Kenia ein Schwarm von einer Größe von etwa 2.400 Quadratkilometern beobachtet – also fast so groß wie Vorarlberg. Oder für Ostösterreicher: mehr als das Fünffache der gesamten Fläche der Stadt Wien.
Deshalb werden laut FAO in den betroffenen Ländern dringend 76 Millionen Dollar für die Bekämpfung der Insekten benötigt. Sonst drohe noch größeres Ungemach: Ohne griffige Maßnahmen könnte die Zahl der Heuschrecken laut der UNO-Organisation bis Juni auf das 500-fache anwachsen.
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