"Prekäre" Personalsituation

Ärztekammer alarmiert – 35.000 Kinder ohne Schularzt

In Wiens Pflichtschulen fehlen Schulärzte, psychische Probleme nehmen zu. Engpässe gefährden Gesundheitsvorsorge und Prävention.
Wien Heute
24.09.2025, 14:14
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In Wien stehen aktuell nur noch 141 Schulärzte für rund 264.000 Kinder und Jugendliche zur Verfügung. Besonders dramatisch ist die Lage an den Pflichtschulen: 130 Standorte mit mehr als 35.000 Kindern müssen ohne regelmäßig anwesende Schulärzte auskommen.

Die Aufgaben der Schulärzte sind vielfältig. Sie untersuchen die Kinder zumindest einmal pro Jahr, beraten die Schulleitung und das Lehrpersonal in Gesundheitsfragen und schulen die Lehrkräfte in Erster Hilfe sowie im Umgang mit chronisch kranken Kindern. Immer öfter sind sie auch die ersten Ansprechpartner bei gesundheitlichen oder psychischen Problemen.

Anforderungen werden größer

Die meisten Schulärzte sind Frauen und viele arbeiten zusätzlich in einer eigenen Ordination. An den Bundesschulen (AHS, BMHS) ist derzeit eine Schularzt-Wochenstunde pro 60 Schüler vorgesehen. In den Pflichtschulen Wiens wäre es – wenn alle Stellen besetzt wären – eine Stunde pro 100 Kinder.

Die Anforderungen an die Mediziner sind in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen. Das berichtet Margit Saßhofer, die das Schulärzte-Referat in der Wiener Ärztekammer leitet. Das gilt nicht nur für Wien, sondern auch für die anderen Bundesländer.

Neben Themen wie zu viel Medienkonsum, Bewegungsmangel und schlechter Ernährung nehmen psychische Probleme bei Kindern massiv zu. Laut Saßhofer fallen mittlerweile schon immer mehr Schulanfänger durch psychische Auffälligkeiten auf. Auch Unsicherheiten bei der sexuellen Identität kommen heute deutlich häufiger vor als früher.

Situation an Pflichtschulen "prekär"

Ein großes Problem ist auch die Bezahlung. Während an den Bundesschulen in Wien trotz vieler Pensionierungen noch alle Schularztposten besetzt werden können, ist die Personalsituation an den Pflichtschulen laut Saßhofer "prekär". Das Impfen, das eigentlich Aufgabe der Schulärzte wäre, muss heuer deshalb von externen Impfteams übernommen werden.

Ein Hauptgrund für die Engpässe ist die deutlich schlechtere Bezahlung im Pflichtschulbereich. Die Stadt Wien bemüht sich zwar um Lösungen, so der Präsdent der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, doch wie so oft im Gesundheitssystem mache ein "Kompetenz-Wirrwarr" alles noch schwieriger.

School Nurses schließen Lücke nicht

Die School Nurses, die seit diesem Schuljahr an 27 Pflichtschulen arbeiten, können die Lücke laut Saßhofer nicht schließen. Sie fordert stattdessen eine flächendeckende Versorgung mit Schulärzten und deutlich mehr Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter – am besten an jedem Standort mehrmals pro Woche. Der große Mangel an Schulpsychologen erhöht zusätzlich den Druck auf die Schulärzte.

Neben Zeit- und Personalmangel gibt es noch ein weiteres Problem: "Wir arbeiten wie im vorletzten Jahrhundert", sagt Saßhofer. Es gibt immer noch kein digitales Dokumentationsprogramm. Dadurch können Politik und Gesundheitsdienste aus den anonymisierten Daten derzeit keine Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Kinder ziehen. Bildungs- und Gesundheitsministerium haben sich zwar schon auf ein entsprechendes Programm geeinigt, aber der Beschluss im Nationalrat fehlt noch.

Steinhart fordert außerdem, dass die Schüler in Wien leichter zu Impfungen kommen – am besten direkt an ihrer Schule. Die Schulärzte würden auch gerne mehr zur Förderung der Gesundheitskompetenz beitragen, etwa durch regelmäßige Unterrichtseinheiten zu Ernährung, Bewegung oder Suchtprävention. Damit könnte man auch die Gesundheitskompetenz in den Familien stärken, weil die Kinder dieses Wissen mit nach Hause nehmen, so Saßhofer.

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