Depressionen, Burn-out, Resignation – immer mehr Lehrkräfte kämpfen mit psychischen Belastungen. Kein Zufall: Der Druck im Schulalltag wächst stetig, während Unterstützung und Supervision fehlen.
Wie sich das konkret zeigt, weiß Michel Fleck, Direktor des WMS/RG/ORG Antonkriegergasse in Wien-Liesing. "Wir haben Schülerinnen und Schüler mit ADHS oder Autismus, auch Gewaltvorfälle unter Jugendlichen sind keine Seltenheit. Manche Kinder fügen sich selbst Verletzungen zu. All das belastet unsere Pädagogen zunehmend", sagt er.
An der Wiener AHS unterrichten 160 Lehrerinnen und Lehrer 1.100 Schülerinnen und Schüler. Alle zwei bis drei Wochen steht eine Schulpsychologin für fünf Stunden zur Verfügung. "Das ist definitiv zu wenig. Die Schülerinnen und Schüler haben einen enormen Beratungsbedarf. Um die Probleme der Lehrkräfte kann sich die Psychologin dann kaum kümmern", erklärt Michel Fleck.
Im Rahmen der "Mental Health Days" wurden 2.514 Lehrkräfte an 91 Schulen in acht Bundesländern befragt. Die Ergebnisse zeigen: Jeder zweite Pädagoge (51,5 Prozent) hat bereits psychotherapeutische oder psychologische Unterstützung in Anspruch genommen, weitere zehn Prozent denken darüber nach. Auch an der AHS im 23. Bezirk hat rund die Hälfte der Lehrkräfte schon professionelle Hilfe gesucht.
Im direkten Umfeld – bei Kolleginnen, Kollegen und der Schulleitung – fühlen sich die Lehrkräfte überwiegend gut unterstützt: Im Rahmen der Umfrage bewerten 70 Prozent der befragten Lehrer die Hilfe als "gut" oder "ausreichend".
Anders sieht es auf zentraler Ebene aus: Die Unterstützung durch die Bildungsdirektion wird von 67,7 Prozent als "zu wenig" und von 27,3 Prozent als "mäßig" eingestuft. "Die Bildungsdirektion ist für die Lehrer wie ein Amt. Von einem echten Service spürt man kaum etwas", sagt Fleck.
Der Direktor fordert deutlich mehr Schulpsychologen an den Bildungsstandorten sowie "wahre Personalautonomie". Er wünscht sich mehr Freiheiten bei der Einteilung seines Personals. "Ich würde sofort auf einen Lehrer verzichten und stattdessen einen fixen Schulpsychologen einstellen, wenn ich könnte", sagt er.
Doch gibt es überhaupt genügend Fachkräfte, um den großen Bedarf zu decken? "Ja", meint Andrea Birbaumer, Gesundheitspsychologin und Obfrau der Berufsvertretung GkPP (Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen). Man müsse das Feld der Psychologie breiter fassen und auch Bereiche wie Arbeits- oder Sportpsychologie einbeziehen. "Wenn wir diese Personen dazu anregen, in Bereichen zu arbeiten, in denen sie wirklich etwas bewirken können, dann haben wir genug", sagt sie.
"Ein Direktor soll für die Lehrkräfte da sein. Das will ich und versuche ich auch. Aber bei der Menge – ein Direktor steht 160 Lehrern gegenüber – schaffe ich das nicht", sagt Fleck. "Ich muss mich sowohl um die psychische Verfassung der Lehrer kümmern als auch dafür sorgen, dass genug Klopapier in der Schule vorhanden ist. Alles landet bei mir. Das geht sich einfach nicht aus."
Um allen Anliegen gerecht zu werden, plädiert er für ein mittleres Management an den Schulen – eine klare Trennung zwischen schulischer und organisatorischer Leitung.