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Wiener Schimmel-Wohnung macht Mieter krank

Pfusch! Ein Wiener Paar macht in einer Altbauwohnung ein monatelanges Martyrium durch. Jetzt erheben sie schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen.

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Mieter Harald (rechts) und sein Partner Alexander in der&nbsp;<em>"Heute"</em>-Redaktion.
Mieter Harald (rechts) und sein Partner Alexander in der "Heute"-Redaktion.
Alexandra Diry

Als Harald im Frühjahr 2021 den Mietvertrag für die neue Wohnung in der hippen Gegend, direkt beim Wiener Rathaus, unterschrieb, waren er und sein Partner Alexander auf Wolke sieben. Wenige Wochen später flüchteten sie vom Rechtssystem enttäuscht und körperlich angeschlagen aus der Josefstadt zu Alexanders Mutter in den Wienerwald. Im Gespräch mit "Heute" berichtet das Paar von ihrem Schicksal, das ihnen seit Monaten den Schlaf raubt.

Vermieter redete Wasserschaden klein

Die erste Verwirrung gab es bereits bei der Vertragsunterzeichnung: Die Wohnung war als Direktmiete inseriert, tatsächlich aber ein Untermieterverhältnis. Mieter Harald hat ein üble Vermutung: "Mutmaßlich liegt hier ein verdecktes Eigentumsverhältnis vor. Der Vermieter tritt als Eigentümer dieser Wohnung auf, obwohl er selbst nur Mieter ist." Als sie ihr neues Zuhause bezogen, bemerkten sie in Räumen der ganzen Wohnung Wasserflecken.

Auf Nachfrage beim Vermieter, erklärte dieser, dass der Wasserschaden behoben wurde und nur sichtbar wäre, weil das Objekt lange unbewohnt und nicht gestrichen wurde. Da der Vermieter einen Bauingenieurstitel trägt, nahm das Pärchen das vermeintliche Expertenurteil zur Kenntnis. Sicherheitshalber fotografierten sie die verfärbten Stellen, um beweisen zu können, dass das Problem bereits vor dem Einzug existierte.

Schaden verursacht Bänderriss

Nicht nur die eigenartigen Zustände in der Wohnung, sondern auch Haralds schlimmer werdender Husten, erschwerte es den beiden, in den kommenden Monaten ein heimeliges Gefühl zu entwickeln. Aber was sie Anfang Juni entdeckten, überstieg ihre Vorstellungskraft. Als sie registrierten, dass sich der Laminat-Boden "scheinbar von selbst bewegte", schoben die darauf stehenden Möbel weg und fanden einen komplett durchnässten, aufgequollenen Untergrund vor. Beim Betreten rutschte Alexander aus und riss sich ein Band im Knöchel. Nach ärztlicher Diagnose und Erstbehandlung erstattete er Anzeige wegen Körperverletzung.

Mieter hat alle gegen sich

Als sie unmittelbar nach dem Bänderriss den Vermieter telefonisch kontaktierten, seien ihre Bitten um Schadensbehebung weggeschmettert worden. Laut den beiden habe dieser behauptet, dass er nichts unternehmen werde, schon gar nicht am Wochenende. Nach diesem Statement wandten sie sich entrüstet an den Hausverwalter. Zur Besichtigung des Schadens erschien seine Gattin, die Eigentümerin der Immobilie, die angeblich zugab, dass in der Wohnung gepfuscht wurde. Laut Aussagen der Mieter habe sie aber nichts dagegen unternehmen wollen.

Im unteren Video erzählen die Mieter, was sie von Einzug bis Flucht durchmachen mussten

"Heute" konfrontierte Hausverwaltung, Wohnungseigentümerin und Mieter mit den Vorwürfen, aber erhielt keine Stellungnahmen. Das Paar gibt an, dass die Eigentümerin gesagt hätte, die Zuständigkeit für die Schadensbehebung liege beim Vermieter, der gleichzeitig ihr Ex-Mann sei. Später habe sich das Blatt gewendet, wie die Mieter im unteren Video schildern. Alexander fühlt sich wie falschen Film: "Die beiden stehen durch ihre frühere Ehe in einem Naheverhältnis. Beim letzten Besuch hat sie uns zu verstehen gegeben, dass der Vermieter nichts für so ein Pech könne. Viel eher hätten wir die Schuld, in so eine – ihr Wortlaut – Migrantenwohnung zu ziehen." In den folgenden Tagen konnten sie den Vermieter kaum noch erreichen und sie fühlten sich in ihrem Elend vollkommen alleingelassen. Weil Haralds Lungenschmerzen – möglicherweise bedingt durch den Schimmel – immer stärker wurden, packten sie ihre wichtigsten Sachen und zogen zu Alexanders Mutter nach Niederösterreich. Inzwischen ist es bestätigt - der Schimmelpilz konnte als "Cladosporium sphaerospermum" identifiziert werden.

Ist das tatsächlich so vorgesehen, dass ich zusätzlich zur Körperverletzung und der Zerstörung meines gesamten Besitzes, wie Kleidung, Möbel, Bücher, Elektrogeräte, jetzt obdachlos sein soll?"

Vom Rechtsstaat enttäuscht

„Es ist absurd, weshalb man als Mieter hier überhaupt keine Möglichkeiten haben soll. Ich halte das für ein schweres Defizit unseres Sozialsystems. Wir erhalten keine Ersatzwohnung. Ist das tatsächlich so vorgesehen, dass ich zusätzlich zur Körperverletzung und der Zerstörung meines gesamten Besitzes, wie Kleidung, Möbel, Bücher, Elektrogeräte, jetzt obdachlos sein soll?", fragt Alexander desillusioniert beim Interview.

Vermieter, Eigentümerin und die Hausverwaltung argumentieren, die Wohnung sei beim Einzug der Untermieter in Ordnung gewesen. Die Schäden seien laut dem Vermieter durch falsches Lüften der Bewohner entstanden.

Sämtliche Behörden eingeschaltet

Nachdem weder Vermieter, Hauseigentümerin, noch Hausverwalter etwas unternehmen wollte, kontaktierte Harald sämtliche Behörden und Institutionen, die ihm und seinem Lebensgefährten einfielen. Er wandte sich von der Baupolizei, Gruppe Sofortmaßnahmen, Wiener Wohnen bis hin zum Gesundheitsamt, doch Akuthilfe konnte niemand leisten. Ob Mieter oder Untermieter, am privaten Wohnungsmarkt kann man seine Rechte letztlich nur vor (Zivil-)Gerichten durchsetzen. Auch die direkte Interessensvertretung, die Mietervereinigung, kontaktierte er, ohne ein befriedigendes Ergebnis zu erhalten.

Die Geschäftsführerin der Wiener Mietervereinigung, Elke Hanel-Torsch, machte sich selbst einen Eindruck von dem Fall und befand drei Punkte als kritisch: "Die Mietwohnung unterliegt der Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn ein ernster Schaden oder eine Gesundheitsgefährdung, wie ein Wasserrohrbruch oder Schimmelpilz vorliegt. Grundsätzlich besteht ab dem Moment, wo ein Schaden zu einer wesentlichen Gebrauchsbeeinträchtigung führt, das Recht auf Mietzinsminderung, wobei unbedingt ein Rechtsexperte hinzugezogen werden sollte. Drittens ist man als Untermieter rechtlich schlechter gestellt als ein Hauptmieter. Deswegen setzen wir uns für die Verbesserung der Rechte für Untermieter ein!"

"Wenn wir jetzt ausziehen, dann hindert diese Menschen absolut nichts und niemand daran, die Wohnung neu zu vermieten. Das machen sie dann immer und immer wieder."

Jetzt werden sie auch noch rausgeschmissen

Wie "Heute" herausfinden konnte, wurde die Wohnung von der Baupolizei - MA 37 begutachtet und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Jetzt gibt es eine Entscheidung vom Magistrat: Das Badezimmer muss entfernt werden, da es nicht dem konsensgemäßen Zustand entspricht. Ein Sachverständiger der MA 37 stellt klar: "Es liegt keine Bewilligung zur Errichtung des Badezimmers vor, weshalb es entfernt werden muss." Angesprochen auf die Wasserschäden meint er, dass dieser Wohnungsbereich nicht für Wasseranschlüsse vorgesehen ist und unerwünschter Wasseraustritt somit nicht ungewöhnlich sei." Bislang hat die Hausverwaltung diese Arbeiten nicht ausführen lassen. Auch die MA 36 - Feuerpolizei stattete der Wohnung im Juli einen Besuch ab. Auch sie stellte eklatante Mängel fest und erteilte Bauaufträge.

Eine formlose Kündigung des Vermieters – unter dem Vorwand sein Hauptmietvertrag sei gekündigt worden – wurde in eine gerichtliche umgewandelt. Auch die beiden Bewohner haben mittlerweile juristische Schritte eingeleitet, um die Schäden geltend zumachen. Sie haben jeweils ihre Rechtsanwälte eingeschaltet und Anträge bei der Mietschlichtstelle eingereicht. Mieter Harald malt ein Horror-Szenario: "Es gibt in solchen Fällen leider keine einzige Behörde, die in solchen Fällen Akut-Wohnungen zur Verfügung stellt. Wenn wir jetzt ausziehen, dann hindert diese Menschen absolut nichts und niemand daran, die Wohnung neu zu vermieten. Das machen sie dann immer und immer wieder. Ich verstehe nicht, wie das sein kann!"