Politik

Wirbel um Rückzieher beim Behindertengesetz

Seit Jahren kritisiert, sollte nun endlich das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft treten. Doch die Regierung überlegt einen Rückzieher.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Das Gesetz wurde voriges Jahr eigentlich schon von allen Parteien im Parlement beschlossen. Mit 1. Juli 2018 hätte das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft treten und mehr Rechte für besachwaltete Menschen bringen sollen.

Das ist nun aber nicht mehr so sicher. Das Gesetz ist derzeit Gegenstand der "laufenden Budgetverhandlungen", heißt es aus dem Justizministerium.

Zu teuer?

9,5 Millionen Euro würde die Einführung des neuen Gesetzes im heurigen Jahr kosten, aus Geldmangel soll das Inkrafttreten aber offenbar um zwei Jahre verschoben werden.

Neues Erwachsenenschutzgesetz
Das im Vorjahr beschlossene Erwachsenenschutzgesetz soll Schluss machen mit der pauschalten Besachwalterung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Stattdessen sind abgestufte Formen der Vertretung mit mehr Autonomie und Selbstbestimmung vorgesehen.

Die Kosten im ersten Jahr werden auf 9,5 Mio. Euro geschätzt, in den Jahren danach sinken sie kontinuierlich auf 8 Mio., dann 7 Mio. und schließlich nur noch 2 Mio. Euro pro Jahr.

Dabei wäre das Gesetz auch laut Ansicht der Vereinten Nationen dringend notwendig, diese haben die alte Sachwalterregelung schon vor fünf Jahren bemängelt.

Scharfe Kritik

Empörung über diese Sparmaßnahme kommt von allen Seiten. Die Opposition fürchtet einen Rückschritt, Interessensvertreter drücken es noch drastischer aus: "Es wäre ein Skandal, wenn 60.000 Menschen im Regen stehen gelassen würden", sagt Martin Ladstätter vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (Bizeps).

Für Peter Kolba von der "Liste Pilz" ist die geplante Verschiebung nichts weniger als "ein Schlag ins Gesicht all jener Menschen mit Behinderung, die - entgegen aller Hoffnungen - nun weitere Jahre 'besachwaltet' bleiben sollen."

Behindertenanwalt Hansjörg Hofer hofft, dass es sich die Regierung noch anders überlegt: "Es ist erschütternd, welchen Stellenwert die Bundesregierung den Rechten von Menschen mit Behinderung einräumt", sagt er.

"Diese Menschen haben offenbar keinen Stellenwert mehr für diese Bundesregierung", formuliert es die Behinderten-Sprecherin der SPÖ, Ulrike Königsberger-Ludwig.

Volksanwältin Gertrude Brinek will nicht glauben, dass die Regierung tatsächlich eine Verschiebung plant: "Auf eine andere Variante [als die Einführung ab 1. Juli, Anm.] will ich mich gar nicht einlassen. Die Finanzierung wurde vor einem Jahr zugesichert. Ich gehe davon aus, dass das gesetzeskonform umgesetzt wird", mahnt sie. Sie bezeichnet das neue Recht als "das größte gesellschaftspolitische Projekt der vergangenen Legislaturperiode im Justizbereich".

(red)