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Wird Handgepäck bald im Flugzeug eingeschlossen?

Evakuierungen von Flugzeugen dauern immer länger, weil Passagiere ihre Koffer mitnehmen wollen. Die Aviatik-Branche reagiert.

Heute Redaktion
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Die britische Royal Aeronautical Society hat Evakuierungen von Flugzeugen untersucht. Weil Passagiere zu oft versuchen, ihr Handgepäck mitzunehmen, empfiehlt sie eine Zentralverriegelung.
Die britische Royal Aeronautical Society hat Evakuierungen von Flugzeugen untersucht. Weil Passagiere zu oft versuchen, ihr Handgepäck mitzunehmen, empfiehlt sie eine Zentralverriegelung.
Bild: iStock (Symbolbild)

Kinder schreien und Passagiere rufen panisch umher, als eine Boeing 777 der Airline Emirates am 3. August 2016 auf dem Flughafen von Dubai eine Bruchlandung hinlegt. Es kommt zu einer Explosion, das Flugzeug brennt aus.

Trotz der gefährlichen Situation – bei den Löscharbeiten kommt ein Feuerwehrmann ums Leben – suchen etliche Passagiere erst ihr Handgepäck, bevor sie sich zu den Notrutschen begeben. Erst die mehrfache Aufforderung des Personals, "alles zurückzulassen", zeigt Wirkung. Das zeigt ein Video auf Youtube.

Weil sich solche Situationen bei fast jeder Evakuierung eines Flugzeugs abspielen, prüft die Branche nun strengere Regeln. Wie der "Spiegel" berichtet (Bezahlartikel), empfiehlt die britische Royal Aeronautical Society aufgrund eines Berichts zu Evakuierungen, die Gepäckablagefächer mit einer Zentralverriegelung zu sichern. Diese könnte dann nur von der Besatzung geöffnet werden – und Passagiere hätten im Fall einer Evakuierung gar nicht erst die Möglichkeit, ihr Gepäck mitzunehmen.

"Eine natürliche Reaktion"

Laut den Regeln der Internationalen Zivilluftfahrtbehörde muss jedes zugelassene Flugzeug unter erschwerten Bedingungen – das heißt mit Notbeleuchtung und unter Einsatz von nur der Hälfte der Notausgänge – innerhalb von 90 Sekunden evakuiert werden können.

Bei der größten Schweizer Airline Swiss ist das Phänomen des Handgepäckhortens bekannt. Sprecherin Karin Müller sagt, es sei basierend auf Erfahrungen tatsächlich so, dass Gäste bei Zwischenfällen, bei denen man das Flugzeug möglichst schnell verlassen müsse, versuchten, ihr Handgepäck mitzunehmen. "Es ist eine natürliche und verständliche Reaktion, sein Hab und Gut schützen zu wollen. Im Notfall verzögert oder verhindert es aber die Evakuation."

Eine schnelle Evakuation rette Menschenleben, sagt Müller. Ein Koffer könne etwa die Notrutsche beschädigen und sie für nachkommende Passagiere unbenutzbar machen. "Gegenstände oder wichtige Dokumente können ersetzt werden, Menschenleben nicht."

Nur mit Handgepäck in die USA

Bauliche MMaßnahmen wie einer Zentralverriegelung erachte die Swiss aber nicht als praktikabel. Das Kabinenpersonal werde regelmäßig geschult, Evakuationen würden unter verschiedensten Rahmenbedingungen geübt. Dabei belassen will es die Swiss aber nicht: "Der Maître de Cabin weist seit einigen Monaten bei der Bordansage darauf hin, dass im unwahrscheinlichen Fall einer Evakuation das Handgepäck zurückgelassen werden muss", sagt Müller.

Immer mehr Reisende sind nur mit Handgepäck unterwegs. Das liegt auch daran, dass Airlines wie die Swiss günstige Tarife eingeführt haben, die nur Handgepäck erlauben. Seit kurzem ist dieser Tarif bei der Swiss auch für Flüge nach Nordamerika buchbar – zuvor war er auf innereuropäische Strecken beschränkt.

Die Zunahme von Handgepäck sorgt regelmäßig für Ärger. Ryanair, die zweitgrößte Airline Europas, hat deshalb auf Anfang Jahr neue Regeln eingeführt. Die Mitnahme eines zweiten Handgepäckstücks in die Kabine kostet neuerdings. Zuvor gab es regelmäßig zu wenig Platz für das Handgepäck in der Kabine, insbesondere wegen Reisenden mit sperrigen Rollkoffern. Wenn die zulässige Anzahl von Handgepäck erreicht ist, müssen Airlines Passagiere überzeugen, ihre Koffer einzuchecken. Ein Vorgang, der regelmäßig für Verärgerung und im Fall von Ryanair sogar für so häufige Verspätungen sorgte, dass sich die Airline zum Handeln gezwungen sah. (red)