WIFO-Chef Gabriel Felbermayr

"Wohlstand nicht haltbar"! Harte Experten-Ansage im ORF

Die österreichische Wirtschaft schwächelt, die nächste Regierung steht vor einer Herkules-Aufgabe. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sagt, was zu tun ist.

Newsdesk Heute
"Wohlstand nicht haltbar"! Harte Experten-Ansage im ORF
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr zu Gast in der ZIB2 mit Margit Laufer am 8. September 2024.
Screenshot ORF

Die Wirtschaft hinkt lahmen Fußes, vor allem in Industrie und Bau steigen die Arbeitslosenquoten wieder. Die letzten Jahre drücken immer noch massiv auf die heimische Produktivität, es setzt scharfe Kritik an den Regierungsmaßnahmen gegen die davon galoppierende Inflation.

Auch wenn der Gaul zuletzt wieder gezügelt werden konnte, ist die Teuerung mit für 2024 geschätzten 3,6 Prozent in Österreich härter als in vielen anderen EU-Ländern. In Deutschland rechnet man mit 2,4 Prozent Jahresinflation, in der Eurozone sind es 2,7 Prozent.

Seit 2019 hat sich die heimische Kaufkraft um 21,6 Prozent erhöht, liegt aktuell bei 29.266 Euro. In Deutschland war der Anstieg mit 17,1 Prozent etwas geringer. Beide Länder fallen aber hinter dem EU-Schnitt von 34,2 Prozent massiv zurück.

Nicht nur "hausgemachtes Problem"

In Sachen Wirtschaftsleistung ist Österreich sogar Schlusslicht und neben Deutschland eines der wenigen Länder, wo das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den letzten fünf Jahren sogar geschrumpft ist. Gleichzeitig klafft im heimischen Staatshaushalt ein immer größeres Schuldenloch.

Wie soll man damit umgehen? Das erklärte der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts, Gabriel Felbermayr, Sonntagnacht in der ZIB2 mit Margit Laufer.

Die schlechte Wirtschaftsleistung unserer Alpenrepublik sei nicht nur ein "hausgemachtes Problem". Für Österreich gebe es eine ganze Reihe von Themen, die hier hineinspielen.

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr zu Gast in der ZIB2 mit Margit Laufer am 8. September 2024.
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr zu Gast in der ZIB2 mit Margit Laufer am 8. September 2024.
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Wachstum gibt es nicht zum Nulltarif

"Die Coronakrise war für Österreich schlimmer als anderswo, weil wir einen großen Tourismussektor haben", die Lieferketten-Verwerfungen hätten uns als Exportland auch stärker getroffen. Die Abhängigkeit von russischem Gas habe die Teuerungskrise bei uns dann noch einmal verschärft. "Man kann sagen, es sind schon ein paar Dinge zusammengekommen, die uns in Österreich stärker reingedrückt haben in die Rezession und jetzt in die Stagnation als das in anderen Ländern der Fall war."

Das EU-Schlusslicht bei der BIP-Entwicklung hätte womöglich verhindert werden können. Eine andere Politik hätte vielleicht "ein paar Zehntel Prozentpunkte" gewinnen können, "aber immer mit einem Preis". Felbermayr: "Viele der Länder, die jetzt besser ausschauen bei der Pro-Kopf-Leistung haben eine sehr viel höhere Verschuldung. Ja, die haben ein bisschen mehr Wachstum auf Pump erkauft." Wachstum gebe es nicht zum Nulltarif.

Hoffnung auf Erholung

Als kleine Volkswirtschaft werde Österreich von der Großwetterlage auf den Weltmärkten fremdbestimmt. Darunter eben auch Deutschland, unser wichtigsten Handelspartner, der 13 Prozent unserer Güter und Dienstleistungen nachfragt. "Wenn das schrumpft, bedeutet das fast zwangsweise für uns einen Dämpfer."

Zu den Wahlkampf-Forderungen der Parteien bestätigt der WIFO-Boss: Mit mehr Wachstum würden die auf etwa 80 Prozent gestiegenen Schulden leichter zu tragen zu sein. Dieser Schuldenstand sei jetzt aber "nicht ungewöhnlich hoch", zwischen 2010 bis 2017 sei er ähnlich gewesen, so der Experte weiter.

"Viel wichtiger scheint mir, dass mit einem besseren Wachstum viele der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, leichter wären". Als Beispiel nennt er den Umbau der Wirtschaft Richtung Dekarbonisierung und die Überalterung der Bevölkerung. Denn: "Wenn [die Wirtschaft] stagniert, dann werden Verteilungskämpfe immer sehr schwierig und kompliziert. Deswegen würde ein bisschen mehr Wachstum, Richtung 1,5 bis 2 Prozent Wachstum, schon wesentlich helfen."

Wirtschaftstreiber "funktionieren nicht mehr"

Das aber wäre schon viel für eine so reiche Volkswirtschaft wie Österreich, die Langfristprognosen sehen uns etwa bei 1 Prozent. Deutschland wäre wegen seiner Demografie deutlich schlechter bei 0,4 Prozent. Die Wachstumstreiber der letzten Jahre, wie die Globalisierung, "die funktionieren nicht mehr". Im Gegenteil, aktuell würden Exportzahlen sogar schrumpfen.

Österreich müsse sich "dringend" Gedanken machen, wo für die nächsten zehn, 15 Jahre das Wirtschaftswachstum herkommen solle. Felbermayr rechnet mit einem leichten Rückzug von den Weltmärkten und einer stärkeren Fokussierung auf Europa, "da können wir mehr mitgestalten".

"Mir macht schon Sorge, dass..."

Mit Blick auf den Arbeitsmarkt sei er "relativ entspannt", betont der Ökonom. Einige Parameter würden darauf hindeuten, dass es weiter Arbeitskräftemangel geben werde, auch in den gebeutelten Industrie und dem Bauwesen. "Die Zeiten der Massenarbeitslosigkeit sind aufgrund der Demografie wahrscheinlich vorbei".

Wirtschaftlich bleibt er aber angespannt: "Mir macht schon Sorge, dass das Wachstum nicht da ist und, dass das gewöhnte Wohlstandsniveau nicht haltbar ist, wenn wir uns nicht anstrengen".

Aufgaben für neue Regierung

Er hat auch gleich eine Werkzeugkiste parat, wie Österreich aus dieser Krise kommen könnte. Felbermayr zählt auf: Arbeit muss sich mehr lohnen, mehr Vollzeit im Land, Industrie flottmachen, Wettbewerbsfähigkeit steigern und Schulden abbauen. Er ist sich aber bewusst: "Da wird man an Schrauben drehen, die weh tun werden."

Er sieht das in der Verantwortung der nächsten Bundesregierung – egal, wie diese aussehen wird. Jetzt noch in den letzten Wochen vor der Wahl mit überhasteten Maßnahmen gegensteuern zu wollen, hält Felbermayr für keine gute Idee.

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    Auf den Punkt gebracht

    • Die österreichische Wirtschaft kämpft mit steigenden Arbeitslosenquoten in Industrie und Bau sowie einer höheren Inflation im Vergleich zu anderen EU-Ländern
    • Der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts, Gabriel Felbermayr, kritisiert die Regierungsmaßnahmen und betont, dass Österreichs wirtschaftliche Probleme hausgemacht sind, wobei er auf die Coronakrise, Lieferkettenprobleme und die Abhängigkeit von russischem Gas hinweist
    red
    Akt.