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La famiglia ist für Wölfe das wichtigste

Heute Redaktion
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So wie der Mensch früher auch, leben Wölfe in Familienklans. Wie bildet sich ein Rudel? Wer ist der Boss? Gibt es sexuelle Treue? Kurt Kotrschal klärt auf.

(Text von Kurt Kotrschal; Wolfsexperte, Verhaltensforscher und Biologe.)

Teil eins: Wer oder was ist eigentlich ein Wolf?

Was ist ein Rudel?

Neue Rudel entstehen, indem ein- bis dreijährige Weibchen und Männchen aus unterschiedlichen Familien meist weit von zu Hause weglaufen, einander in der Fremde treffen und beschließen sich miteinander fortzupflanzen.

Die Jungwölfe des ersten Wurfes helfen zunächst ihren Eltern, die jüngeren Geschwister aufzuziehen. Man arbeitet harmonisch zusammen, auch der bereits erwachsene Nachwuchs respektiert die Eltern.

Gibt es Spannungen, dann wandert man eben ab. Im Rudel vermehren sich meist nur die Elterntiere. Sie bleiben zusammen, so lange sie leben, also etwa 10 Jahre.

Wölfe sind ihren Partnern auch sexuell treu, sehr im Gegensatz zu den Hunden, die es mit der Treue nicht so genau nehmen.
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Wölfe leben in engen Familienklans

Wie die frühen Menschen auch, leben Wölfe also in Familienklans. Man unterstützt einander bei der Nahrungsbeschaffung, beim Aufziehen des Nachwuchses und auch bei der Verteidigung des Territoriums. So nett Wölfe im Rudel kooperieren, so grausam können sie sich fremden Wölfen gegenüber verhalten.

Tatsächlich verteidigt ein Rudel etwa 200-400 km2, wobei die Größe des Territoriums von der Nahrungsdichte abhängt. Je mehr Wild, desto mehr Rudel. Haben sich aber Rudel gebildet, dann steigt die Dichte der Wölfe nicht weiter an, weil sie ihre Territorien entschlossen gegen ihre Nachbarn und Einwanderer verteidigen.

Wölfe halten zusammen

Seltsam eigentlich, dass Wölfe und Menschen ein derart ähnliches Familienleben zeigen. Denn das Säugetier, aus dem vor etwa 65 Millionen Jahren sowohl Wölfe, als auch die Menschen entstanden, war klein und weder besonders sozial, noch klug. Tatsächlich sind Lebensstil, das große Gehirn und die Intelligenz der beiden Arten parallel entstanden.

Man braucht einander um in einer gefährlichen Welt zu bestehen. Weder einzelne Menschen, noch Wölfe sind im Vergleich mit Bären oder Löwen besonders groß oder kräftig. Aber durch Kooperation und ihren Familienzusammenhalt setzen sie sich durch.

Wer sind die Chefs im Familienklan?

Ähnlich wie in den Menschenfamilien, kann das Zusammenleben im Wolfsrudel kompliziert sein. Die „Chefs", also die Elterntiere, setzen sich nicht einfach durch Gewalt durch, sondern durch Ansehen und Führungsstärke. Und Welpen oder Jungwölfe dürfen ohnehin (fast) alles.

Die Rudelmitglieder wandern, jagen, spielen und man ruht zusammen, oft tagelang, wenn jeder Wolf bis zu 8kg Fleisch einer großen Beute verdauen muss. Man zeigt einander was man zu tun beabsichtigt und man koordiniert sich dabei recht kollegial.

Gelegentlich macht man auch alleine Jagd auf kleine Tiere oder späht vorsichtig das Nachbarrudel aus – oder einen menschlichen Eindringling, der meist gar nicht bemerkt, dass er beobachtet wird. Und wenn man von einem solchen Ausflug zurückkehrt, wird lebhaft begrüßt, und man heult ausführlich zusammen. Große Jagdbeute wird geteilt, manchmal werden sogar verletzte Familienmitglieder versorgt. Es kommt gar nicht so selten vor, dass Wölfe auf der Jagd oder beim Kampf mit den Nachbarn Wunden und Knochenbrüche erleiden, die meist aber wieder rasch heilen.

Streit ja – aber mit anschließender Versöhnung

Wie in Menschenfamilien auch, gibt es manchmal Streit. Etwa darum, wer der bessere Verbündete der Chefs ist, oder wer mit den Welpen spielen darf, selten um Beute. Dann wird lautstark und sehr ausdrucksstark „verhandelt". Es wird geknurrt, die Zähne gefletscht, die Haare gestäubt, oder theatralisch gekreischt. Man versucht schon mal, den Bruder zu dominieren, oder unterwirft sich der Schwester. Oft entspannt sich die Situation bald wieder im gemeinsamen Spiel.

Ernsthaft gekämpft wird so gut wie nie. Nach einem solchen Streit versöhnt man sich wieder, indem man die Mundwinkel und Ohren des Partners leckt, dann ist alles wieder in Ordnung. Das ist höchst wichtig, denn man darf einander im Rudel nicht dauerhaft Böse sein. Schließlich muss man sich ja aufeinander verlassen können, bei der Jagd auf große Tiere oder im Kampf gegen die Nachbarn.

300g leichte Würstchen, mit geschlossenen Ohren und Augen.

Wenn die Welpen zur Welt kommen, sind sie – wie Hundewelpen auch – etwa 300g leichte Würstchen, mit geschlossenen Ohren und Augen. Ihre einzige Expertise besteht dann darin, eine mütterliche Zitze zu finden und kräftig zu saugen.

Damit aus diesem Würstchen ein großer, kluger, starker Wolf wird, braucht es viel Zuwendung durch das Rudel und viel Mut, Vorsicht, Neugierde und Lernbereitschaft auf Seiten des Jungwolfes. Darüber möchte ich nächstes Mal berichten. (mp)