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Wolodymyr Selenski: Vom "Dancing Star" zum Staatshelden

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski gilt für die Russen als Ziel Nummer eins. Für die Ukrainer ist er zum Hoffnungsträger geworden.

Stefanie Riegler
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Anstatt sich selbst in Sicherheit zu bringen, bleibt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski in Kiew.
Anstatt sich selbst in Sicherheit zu bringen, bleibt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski in Kiew.
Sipa Press / Action Press/Sipa / picturedesk.com

Während sein Land von Putin überfallen wird, behält er die Nerven: Wolodymyr Selenski (44, verheiratet, zwei Kinder) wird von vielen als Held gefeiert – aber wer ist dieser Mann mit Nerven aus Stahl?

Selenski ist Sohn jüdischer Wissenschaftler und wurde am 25. Januar 1978 in Kriwoi Rog in der damaligen sowjetischen Ukraine geboren. Er studierte Jus in Kiew, war aber nach seinem Abschluss nie als Jurist tätig.

Comedian und Schauspieler

1997 gründete er die nach seinem Stadtviertel benannte Kabaretttruppe "Kwartal 95" und tourte fünf Jahre lang von Moskau aus durch Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Landesweit bekannt wurde der spätere Ukraine-Präsident im Jahr 2006 als er es in der ukrainischen Version von "Dancing with the Stars" ins Finale schaffte. Unter anderem war er auch als Schauspieler, Drehbuchautor und Fernsehproduzent tätig. So spielte er etwa in der TV-Serie "Diener des Volkes" einen Präsidenten – und trat dann selbst zur Präsidentenwahl an.

Sieg gegen Poroschenko

2018 gab er seine Kandidatur bekannt. Im Mai 2019 wurde er in Kiew in das Amt des Präsidenten eingeführt, nachdem er die Stichwahl mit etwa 73  Prozent der abgegebenen Stimmen klar vor dem amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko gewonnen hatte.

Seit er das Amt übernahm, setzt er sich gegen Korruption ein. Weitere Amtshandlungen von ihm: Er veranlasste, dass auch Präsidenten im Stau stehen müssen und verwandelte die Luxusresidenz in ein Kinderheim.

Tochter ebenfalls im Filmbusiness tätig

Selenski ist seit 2003 mit der Architektin Olena Selenska (geb. Kijaschko) verheiratet. 2004 erblickte Tochter Aleksandra das Licht der Welt, 2013 folgte Sohn Kiril. Aleksandra stand in der Vergangenheit bereits öfter mit ihrem Vater vor der Kamera, so wirkte die Schülerin zum Beispiel im Alter von zehn Jahren im Film "8 New Dates" mit. Zwei Jahre später war sie in der Show "Laugh The Comedian" zu sehen.

Immer wieder tauchen Gerüchte auf, wonach er kapituliert habe oder geflohen sei, doch Selenski will Kiew nicht verlassen. Ein Evakuierungsangebot der USA hat er abgelehnt, berichtete die "Washington Post".

Am Wochenende wandte sich der ukrainische Präsident mit Videos an die Bevölkerung. Er versicherte, dass er in Kiew bleiben und die Unabhängigkeit des Landes verteidigen würde. "Ich bleibe bei euch. Wir werden die Waffen nicht niederlegen, wir werden unseren Staat verteidigen", betonte der 44-Jährige in einer Botschaft.

Vom Komiker zum Krisenmanager

Putin selbst hat wohl nicht damit gerechnet, dass der ukrainische Präsident in dieser Art Widerstand leisten werde. Er gilt als Hauptziel Nummer eins. "Selenski ist für viele ein Held", sagt Ljudmyla Melnyk, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Politik in Berlin, im "Tagesspiegel".

Fast stündlich meldet er sich per Video oder Textnachricht, auf Twitter, Telegram oder Facebook zu Wort. Er möchte die Bevölkerung in der Ukraine informieren, beruhigen, motivieren. Als Redner und Krisenmanager hat Selenski auch bei den Kritikern Respekt gewonnen.

Sein Versprechen beim Amtsantritt vor drei Jahren, den Konflikt in der Ostukraine zu beenden, konnte er nicht einhalten. Die russische Offensive gegen die Ukraine geht weiter. In der Nacht hat es landesweit erneut heftige Kämpfe gegeben. Mehrere Raketen sollen Kiew getroffen haben und auch in Charkiw gab es Explosionen.

Laut einem Bericht der britischen "The Times" sollen mittlerweile rund 400 Söldner in Kiew operieren. Ihr Hauptziel sei die Tötung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski und dessen Verbündeten.

"Lasst es uns versuchen"

Am Montag sollen zudem die Friedensverhandlungen zwischen der russischen und der ukrainischen Delegation in Gomel (Weißrussenland) starten. Dass die nun angekündigten Gespräche zu einem Ergebnis führen, bezweifelt der ukrainische Präsident.

"Ich glaube nicht an ein Ergebnis dieses Treffens, aber lasst es uns versuchen", sagte Selenskyj in einer Stellungnahme. Er versuche, den Krieg zu stoppen, solange es eine minimale Chance gebe. Daran dürfe kein einziger Ukrainer zweifeln. "Wir müssen pragmatisch sein, um unser Ziel zu erreichen. Und unser Ziel ist die territoriale Integrität des Landes."