Terroristen-Braut berichtet

Wutausbrüche, Sklavinnen, Folter – so wütete IS-Chef

Umm Hudaifa, die Witwe von Abu Bakr al-Baghdadi, spricht über ihre Zeit mit dem IS-Anführer und die aktuellen Vorwürfe gegen sie.

20 Minuten
Wutausbrüche, Sklavinnen, Folter – so wütete IS-Chef
Der verstorbene Anführer des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Baghdadi, ist auf einem Bild zu sehen, das vom US-Verteidigungsministerium veröffentlicht wurde. (Archivbild)
via REUTERS

Umm Hudaifa sitzt in einem überfüllten Gefängnis in der irakischen Hauptstadt Bagdad, während die Justiz ihre Rolle bei den Verbrechen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) untersucht. Die 48-Jährige behauptet, sie sei ein Opfer, habe versucht, ihrem Ehemann zu entkommen – Umm Hudaifa ist die erste Frau von Ibrahim Awad al-Badri, auch bekannt als Abu Bakr al-Baghdadi, dem Aushängeschild des IS.

In einem seltenen Interview, das sie der BBC gab, erzählt Hudaifa, wie das Leben für sie mit dem gefürchteten IS-Chef war. Als sich die beiden kennengelernt haben, habe al-Baghdadi sein Studium der Scharia, des islamischen Rechts, an der Universität von Bagdad abgeschlossen. "Er war religiös, aber kein Extremist. Konservativ, aber aufgeschlossen", erzählt seine Witwe.

Die Situation habe sich verändert, als US-Streitkräfte ihn 2004 gefangen nahmen. Im Gefangenenlager Camp Bucca im Süden Iraks sei al-Baghdadi fast ein Jahr lang zusammen mit anderen Männern gesessen – die meisten von ihnen sollten später ranghohe Führer des IS und anderer dschihadistischer Gruppen werden.

Sexuelle Folter im Gefangenencamp?

Nach seiner Freilassung habe sich ihr Mann verändert: "Er wurde reizbar und neigte zu Wutausbrüchen, er litt unter psychologischen Problemen", sagt Hudaifa. Wenn sie mit ihm darüber reden wollte, gab er als Antwort, im Lager sei er "Dingen ausgesetzt gewesen", die sie nicht verstehen könne. Die Witwe vermutet, dass al-Baghdadi während seiner Haft "sexueller Folter ausgesetzt war".

Die Frau sei ratlos gewesen. "Ich habe seine Kleidung durchsucht, wenn er nach Hause kam, wenn er duschte oder wenn er schlafen ging. Ich habe sogar seinen Körper nach Prellungen oder Verletzungen abgesucht", sagt sie. Einmal habe sie zu ihm gesagt: "Du bist vom rechten Weg abgekommen." Genützt habe das nichts: Ihr Mann habe darauf nur mit einem weiteren Wutanfall reagiert.

Einstieg in die Terrorgruppe

Das Paar zog oft um, trug gefälschte Ausweispapiere mit sich. Irgendwann habe sich ihr Mann eine zweite Frau genommen. Hudaifa wollte sich in dem Moment scheiden lassen, aber sie hätte ihre Kinder verloren. Also blieb sie bei ihrem Mann.

Zwischen 2006 und 2008 habe sie keine Zweifel gehabt, dass al-Baghdadi Mitglied einer Dschihadistengruppen war: Er verbot ihr, ein Handy zu benutzen, auch fernsehen durfte sie nicht. 2012 zog die Familie schließlich in die syrische Provinz Idlib. Zu jenem Zeitpunkt trug ihr Mann afghanische Kleidung, ließ sich einen Bart wachsen und hatte stets eine Pistole bei sich. "Dort wurde mir völlig klar, dass er der Emir war", sagt Umm Hudaifa.

Rede al-Baghdadis im TV

Der große Schock kam im Sommer 2014: Ein Wachmann sei ins Haus gekommen, um Haudaifas zwei ihrer jungen Söhne abzuholen. "Er sagte mir, sie würden auf eine Reise gehen, um den Jungen das Schwimmen beizubringen", sagt die Frau. Tage später habe sie im Geheimen den Fernseher eingeschaltet.

Da sah sie plötzlich al-Baghdadi in der Großen Moschee von Al-Nuri in der nordirakischen Stadt Mosul eine Rede halten und sich zum ersten Mal als Oberhaupt des selbsternannten islamischen Kalifats ausgeben. Neben ihn standen ihre beiden Söhne.

Jesidinnen fordern Todesstrafe für Umm Hudaifa

Zu einem gewissen Punkt habe sie fliehen wollen, aber bewaffnete Männer hätten sie angehalten und in ihr Haus zurückgeschickt. Ihrem Mann habe sie mehrmals vorgeworfen, Blut an den Händen zu haben. Bis heute bestreitet Umm Hudaifa, an den brutalen Aktivitäten des IS beteiligt gewesen zu sein.

Doch die Aussagen jesidischer Frauen bei einem Gerichtsverfahren widersprechen Hudaifas Version: Die Klägerinnen werfen ihr Mittäterschaft bei der sexuellen Versklavung der entführten Mädchen und Frauen vor. "Sie war für alles verantwortlich. Sie hat die Auswahl getroffen – eine sollte ihr dienen, eine andere ihrem Mann. Meine Schwester war eines dieser Mädchen", sagt eine Jesidin, die eine Zivilklage gegen Umm Hudaifa eingereicht hat. Die Klägerin fordert die Todesstrafe für al-Baghdadis Witwe.

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    Screenshot ORF

    Auf den Punkt gebracht

    • Umm Hudaifa, erste Frau von IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, sitzt in einem Gefängnis in Bagdad
    • In einem Interview erzählt sie von ihrem Leben mit al-Baghdadi und bestreitet jede Beteiligung an den Verbrechen des IS
    • Jesidische Frauen werfen ihr vor, an ihrer sexuellen Versklavung beteiligt gewesen zu sein und fordern die Todesstrafe für sie
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