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Ist YouTube für Kinder gefährlich?

Spammer tricksen Youtube-Algorithmen aus und laden Kindervideos mit Suizid- und Gewaltszenen ins Netz. Steckt da eine Verschwörung dahinter?

Heute Redaktion
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Viele Eltern setzen ihre Kinder heute nicht mehr vor den Fernseher, wenn sie gerade anderes zu tun haben, sondern drücken ihnen ein Tablet oder das Smartphone in die Hand. Das Resultat: Die Kinder surfen auf YouTube rum, schauen sich Filmchen an und entwickeln sich zu Digital Natives. Und damit die Kleinen keine unpassenden Videos ansehen, gibt es eigentlich Altersbeschränkungen und eine Kinderapp für YouTube.

Vor kurzem stieß der britische Autor und Künstler James Bridle allerdings zufällig auf einige etwas schräge Kindervideos. Und öffnete damit die Büchse der Pandora: Er stolperte über hunderttausende absurde, obszöne, perverse und gewaltverherrlichende Filme für Kinder. Ein paar Beispiele:

- Das Video "Paw Patrol Babies Pretend To Die Suicide By Annabelle Hypnotized!". Darin sieht man, wie sich fröhliche Comicfiguren von einem Hausdach stürzen. Kindertauglich?

- "Spiderman needs to pee on Elsa's Bathtub". Der Titel sagt eigentlich bereits alles. Im angeblich kinderfreundlichen Video mit über 30 Millionen Views sieht man, wie Spiderman die Titelheldin von Frozen mit Urin "nervt".

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- Das Video "Bad Baby with Tantrum and Crying for Lollipops Little Babies Learn Colors Finger Family Sond .." zeigt, wie ein Kind ein anderes mit einem Rasierer schneidet. Mit über 50 Millionen Views.

Man könnte eigentlich davon ausgehen, das seien Ausnahmen. Aber dem ist leider nicht so. Hunderte Channels mit teils Millionen von Views streuen Animationen oder Filme mit echten Schauspielern, in denen Superhelden aus Toiletten trinken, einander anpinkeln oder anderen Fetischkram nachstellen. Und immer zielen die Videos klar auf Kinder.

Videos von Bots produziert?

Was die ganze Sache sogar noch etwas absurder macht: Viele dieser Videos tragen kuriose Titel, die aus einer Stichwort-Schleuder zu stammen scheinen. Das Ziel: Wenn Kinder nach Spiderman oder Kinderreimen suchen, sollen diese Videos auftauchen. Häufig sind auch die Animationen die gleichen, es werden nur einzelne Charaktere oder deren Köpfe ausgetauscht.

Hitler statt Mickey Mouse, Spiderman statt Joker. Ein Beispiel: Das Szenario "Kindheitsheld trinkt aus Toilette" findet sich hunderte Male – auf verschiedensten Channels, mal mit Elsa, mal mit Spiderman, mal besser animiert, mal schlechter animiert. Bridle- und Reddit-User vermuten deshalb: Hier sind Algorithmen am Werk. Das Konzept, dass Computer anhand von Klickzahlen und Zufallsgeneratoren klick- oder kauftauglichen Content erstellen, existiert ja schon länger.

Das führte beispielsweise zu einem Shirt mit dem Aufdruck "Keep Calm and Rape", dass Amazon entfernen musste. Immerhin konnte man da selbst entscheiden, ob man das Shirt will. Wenn schräge Videos dank Autoplay Kindern vorgesetzt werden, ist das eine andere Angelegenheit.

Wer steckt dahinter?

Die ganze Sache wirft viele Fragen auf: Wer steckt dahinter? Wie kann man das stoppen? Google verspricht Besserung, verweist aber gegenüber der "New York Times" darauf, dass es schwierig sei, bei der gigantischen Menge an Content (pro Minute werden 400 Stunden Videomaterial auf YouTube geladen) fehlerlos kindertaugliche Videos aussortieren zu lassen.

Eines der völlig unpassenden Videos.

Eine neue Richtlinie, die "unangebrachte" Handlungen von bekannten Unterhaltungsfiguren verbietet, soll helfen. Momentan sind aber die viele dieser Videos noch online, von gelöschten Videos tauchen rasch neue Kopien auf neuen Channels auf.

Produzenten geben sich bedeckt

Weshalb die Videos produziert werden, liegt wohl auf der Hand: Werbeeinnahmen. Und wenn Videos gar automatisch generiert werden, ist das natürlich eine verdammt gute Geldquelle. Die Frage nach der Herkunft hingegen ist schwieriger zu beantworten. Die meisten Channels verlinken höchstens auf eine Facebook-Seite ohne weitere Infos, die auch nicht auf Medienanfragen reagieren.

Bei einem Channel findet sich ein Link zu einem Spielzeugshop aus Vietnam, aber auch dort gibt laut der "New York Times" niemand Auskunft. Ebenfalls in Vietnam wurde im Jänner ein Mann wegen der Produktion solcher Videos zu einer Strafe verurteilt.

Eine Verschwörung?

Um das Mysterium zu klären, findet sich die Netzgemeinde auf dem passend betitelten Subreddit "Elsagate" zusammen. Während einige schlicht Videos austauschen, um sie zu melden, spinnen andere etwas weitgreifendere Theorien. Ein User berichtet davon, dass sein YouTube-Channel gehackt und später in einen Kinderchannel umgewandelt wurde; andere vermuten gar Menschenhändler und Pädophile hinter den Filmen.

Logisch: Bei den wilden Spekulationen muss man kritisch bleiben. Aber die ganze Sache wirkt unheimlich unheimlich. Wer auch immer dahinter steckt: Solche Videos auf Kids loszulassen, ist nicht in Ordnung. (dan)