Niederösterreich

"Zu radikal" – neuer SP-Chef macht Ansage zur FPÖ

Der neue Rote im ersten "Heute"-Interview: Sven Hergovich spricht über seine Bestellung, AMS-Geld, Bruno Kreisky – und verrät, ob er ein Linker ist.

Sven Hergovich, 34, kam vom AMS zur SPNÖ.
Sven Hergovich, 34, kam vom AMS zur SPNÖ.
Helmut Graf

Montagabend wurde Sven Hergovich zum Chef der SPÖ Niederösterreich designiert. Nicht einmal 24 Stunden später gab der bisherige AMS-Geschäftsführer "Heute" sein erstes großes Interview – von Arbeitslosen über Rot-Blau bis Kreisky. Hergovich ist SP-intern kein Unbekannter, arbeitete für Partei-Ikone Doris Bures und Ex-Minister Alois Stöger. Das große Interview:

"Heute": Können wir am Beginn etwas Grundsätzliches klären: Hergovich oder Hergowitsch?
Sven Hergovich: Meine Eltern, Großeltern und auch ich sagen "Her-go-wich". Aber ich höre auch auf "Her-go-witsch", wenn Ihnen das lieber ist.

Wo wir das geklärt hätten: Wie wird man vom AMS- zum SPÖ-Chef, Herr Hergovich. Läutet da einfach das Telefon und man bekommt den Job angeboten?
Tatsächlich hat mich Franz Schnabl am Montag angerufen.

Wann?
Wenn Sie es genau wissen wollen, kann ich nachschauen.

Bitte.
Um 14.18 Uhr. Es war ein sehr, sehr kurzes Telefonat. Franz hat gesagt, aus seiner Sicht sei es jetzt Zeit. Er hat mich dann gefragt, ob ich ihn noch vor der Präsidiumssitzung treffen kann. Um 15.16 Uhr habe ich ihn dann angerufen, weil ich beim Empfang der Landespartei gestanden bin.

War es nicht viel mehr so, dass Ihre Kür im Hintergrund seit drei Wochen im Geheimen vorbereitet wurde?
Nein, da waren nach meiner Beobachtung alle mit Wahlkampf beschäftigt.

Wirklich alle?
Der Spitzenkandidat natürlich mehr als andere. Und auch wenn ich am Schluss nicht mehr ganz so optimistisch war, gibt man ja nicht drei Wochen vor der Wahl auf. Ich stehe jedenfalls zu meinen Überzeugungen und war daher auch als AMS-Chef bei Wahlkampf-Events, obwohl ich nicht auf einer Liste kandidiert habe.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Franz Schnabl?
Er hat mir vor eineinhalb Jahren gesagt, dass ich aus seiner Sicht ein großes politisches Talent bin. Und natürlich freuen einen solche Worte.

Und zu Johanna Mikl-Leitner?
Sie hat mich am Montagabend angerufen und mir gratuliert.

Stimmt das Gerücht, dass sie einmal gesagt hat: "Wenn du in die Politik gehst, dann geh' nach Wien und bleib' nicht in Niederösterreich" – weil sie fürchtet, dass Sie der ÖVP Wähler abspenstig machen?
Sie sind erstaunlich gut informiert, das stimmt tatsächlich. Das hat sie auf einer Veranstaltung zu mir gesagt.

Sind Sie ein Linker? "In allererster Linie ein überzeugter Sozialdemokrat."
Hergovich im Gespräch mit den <em>"Heute"</em>-Chefredakteuren Nusser (r.) und Oistric
Hergovich im Gespräch mit den "Heute"-Chefredakteuren Nusser (r.) und Oistric
Helmut Graf

Und jetzt streben Sie den Job des Landeshauptfrau-Stellvertreters an?
Nein, der angestrebte Job ist Landesrat. Die Stellvertreter-Posten stehen der stärksten und zweitstärksten Partei zu.

Landesrat für …
Das werden die Verhandlungen zeigen, aber ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass das Thema Arbeit eines ist, wo ich ein bisschen Expertise mitbringe.

Apropos: War am Montag Ihr letzter Tag beim AMS?
Derzeit bin ich auf Urlaub und kläre gerade mit meinen Eigentümern, zu welchem Datum wir das Dienstverhältnis einvernehmlich auflösen.

Sie haben beim AMS 10.400 Euro verdient. Wird es in Zukunft mehr sein?
Ganz ehrlich: Darüber habe ich mich noch nicht im Detail informiert. Dazu war einfach noch keine Zeit.

Sind Sie SPÖ-Mitglied?
Selbstverständlich.

Sind Sie ein Linker?
Ich bin in allererster Linie ein überzeugter Sozialdemokrat.

Was ist für Sie ein Sozialdemokrat?
Jemand, der der Meinung ist, dass jeder Mensch gleich viel wert ist, und dass wir deshalb in der Gesellschaft gerade auf diejenigen, denen es nicht so gut geht, schauen müssen.

"AMS-Geld wie bei Hartz IV? Das lehne ich zutiefst ab. Das war der größte Sündenfall."
Sven Hergovich lebte bisher im 5. Wiener Bezirk, übersiedelt nun nach St. Pölten.
Sven Hergovich lebte bisher im 5. Wiener Bezirk, übersiedelt nun nach St. Pölten.
Helmut Graf

Jetzt flüchten Sie sich aber in Politiker-Sprech…
Einspruch! Das ist wirklich ein ganz entscheidender Punkt, der uns von den anderen Parteien unterscheidet. Die Sozialdemokratie ist die Kraft des Zusammenhalts. Und wann brauche ich diesen ganz besonders dringend? Zum Beispiel wenn ich schon sehr alt, krank, arbeitslos bin oder einfach nicht genug Einkommen für ein sorgenfreies Leben habe. Hier für mehr Zusammenhalt zu sorgen, ist mein Anspruch an mich selbst und an die Politik.

Aber warum gelingt es Ihrer Partei, der SPÖ, nicht mehr, das glaubhaft rüberzubringen?
Ich werde mich ab sofort mit voller Kraft auf die niederösterreichische SPÖ konzentrieren; schauen, was ich selbst tun kann, und nicht anderen sagen, was sie besser machen könnten.

Kreisky, Vranitzky oder Faymann?
Bei dieser Auswahl ist für mich ganz klar: Ich bin ein Kreiskyaner. Ich bin davon überzeugt, dass die Vollbeschäftigungspolitik, die damals gefahren wurde, ein wesentlicher Unterschied zu dem ist, was wir jetzt sehen. Hätten wir die niedrige Arbeitslosigkeit der 70er-Jahre, würden wir die Krisen viel besser bewältigen können.

Kann man 2023 ernsthaft mit den 70er-Jahren vergleichen?
Die Situation ist sogar eine sehr ähnliche – hohe Inflationsraten, die durch einen Schock auf den Energiemärkten ausgelöst wurden. Damals war es Öl, heute ist es Gas. Durch die niedrigere Arbeitslosigkeit war damals der gesellschaftliche Zusammenhalt aber viel größer, dazu haben auch die Sozialpartner massiv beigetragen.

Haben wir die hohe Arbeitslosigkeit nicht auch, weil sich arbeiten gehen für viele nicht mehr auszahlt? Müsste man nicht das AMS-Geld rigoros kürzen?
Wie bei Hartz IV? Das lehne ich zutiefst ab. Das war der größte Sündenfall, den man sich nur vorstellen kann. Aber Sie haben recht: Arbeit muss ordentlich bezahlt werden. Das wäre aus meiner Sicht ein guter Kompromiss zwischen jenen, die sagen, das Arbeitslosengeld muss höher sein, und jenen, die sagen, es braucht mehr Arbeitsanreize.

Wie bringt man Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung?
Ich habe als Leiter des AMS Niederösterreich eine Organisationsreform gemacht. Die hat dafür gesorgt, dass ich viel mehr Beraterinnen und Berater zur Verfügung hatte und viel mehr Termine an Arbeitssuchende vergeben konnte. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist bei uns in der Folge drei Mal stärker als im Rest von Österreich zurückgegangen.

Das alleine hilft?
Natürlich nicht alleine. Ein Ansatz wäre auch eine Jobgarantie. Heißt: Nach einem Jahr erfolgloser Arbeitssuche ein kollektivvertraglich entlohnter Arbeitsplatz. Das ist aber eine bundespolitische Forderung.

Wie viele geschaffene Jobs wären für Sie als – sagen wir Arbeitslandesrat – ein Erfolg?
Ich will das nicht nur an geschaffenen Jobs aufhängen. Ziel muss auch sein, überhaupt mehr Jobs in alle Teile Niederösterreichs zu holen. Wir haben sehr viele Arbeitsplätze in den Ballungszentren – mit jeder Menge negativer Auswirkungen auf Verkehr und Umwelt.

Sympathisieren Sie eigentlich mit den Klimaklebern?
Klimaschutz ist ein extrem wichtiges Thema. Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die auf dieses Thema aufmerksam machen wollen. Aus meiner Sicht gäbe es aber Methoden, die deutlich sinnvoller und mehr im Sinn der Sache wären.

Fahren Sie eigentlich selbst Auto oder mit Chauffeur?
Ich fahre am liebsten selbst. Privat einen roten Peugeot 208. Er ist leider etwas verbeult, weil ich kein besonders guter Autofahrer bin.

Was hören Sie da?
Das werden Sie jetzt nicht glauben, aber ich bin wahrscheinlich der jüngste Hörer von Radio Niederösterreich; weil ich wissen will, was sich im Land tut.

Schlager sagt Ihnen zu?
Mehr der Austropop.

Ambros oder Fendrich?
Würde ich beide nehmen.

Was halten Sie von Udo Landbauer?
Ich werde das Gespräch mit ihm suchen, halte ihn aber als Landeshauptmann für ungeeignet. Weil Menschenrechte niemals zur Diskussion stehen. Wenn wir beginnen zu sagen, es gibt Menschen erster und zweiter Klasse, dann kommen wir zurück zu den dunkelsten Zeiten.

"Meine Freundin hat gesagt, sie freut sich für Niederösterreich. Sie weiß aber noch nicht, ob sie sich auch für mich freuen soll."
Der 34-Jährige kann sich aktuell "schwer vorstellen", dass die Roten mit der Kickl-FP zusammenkommen.
Der 34-Jährige kann sich aktuell "schwer vorstellen", dass die Roten mit der Kickl-FP zusammenkommen.
Helmut Graf

Ist Rot-Blau für Sie auf Bundesebene denkbar?
Man muss mit allen sprechen, wir haben einen Kriterienkatalog, mit dem wir das beurteilen werden. Ich kann mir aber aktuell schwer vorstellen, dass man zusammenkommt.

Warum?
Weil ich glaube, dass die FPÖ, so wie sie jetzt aufgestellt ist, zu radikal ist.

Haben Sie Herrn Babler, der 21.200 Vorzugsstimmen erhalten hat, in den Bundesrat entsandt, um ihn in seinen Flügelschlägen zu limitieren?
Im Gegenteil. Das war der Wunsch von Andi Babler. Nachdem die Bundesregierung dort nun ihre koalitionäre Mehrheit verloren hat, kann der Bundesrat sehr viel bewegen.

Wie hat eigentlich Ihre Freundin auf Ihren neuen Job reagiert?
Ganz offen: Sie hat gesagt, sie freut sich für Niederösterreich. Sie weiß aber noch nicht, ob sie sich auch für mich freuen soll (lacht).

Sie muss Sie tatsächlich sehr lieben, wenn sie jetzt mit Ihnen nach St. Pölten übersiedelt.
(lacht nochmals) Dazu haben wir uns schon vor Längerem entschieden. Wir ziehen schon in 14 Tagen in unsere Wohnung.

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    Er ist die neue rote Hoffnung: Sven Hergovich
    Er ist die neue rote Hoffnung: Sven Hergovich
    fotonovo.at/Daniel Novotny