Politik

Kurz will "Islam europäischer Prägung"

14.09.2021, 14:42
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Am Mittwoch soll das neue Islamgesetz für die rund 600.000 in Österreich lebenden Muslime im Parlament beschlossen werden. Geht es nach ÖVP-Integrationsminister Sebastian Kurz, soll das heimische Gesetz zu einer Art Exportschlager für andere EU-Länder werden. Er strebt einen EU-Islam an und hofft, so auch Integrationsschwierigkeiten besser lösen zu können.

für die rund 600.000 in Österreich lebenden Muslime im Parlament beschlossen werden. Geht es nach ÖVP-Integrationsminister Sebastian Kurz, soll das heimische Gesetz zu einer Art Exportschlager für andere EU-Länder werden. Er strebt einen EU-Islam an und hofft, so auch Integrationsschwierigkeiten besser lösen zu können. Zugelassen wurden bei der Novellierung nur minimale Veränderungen. Das Islamgesetz in Österreich stammt noch aus der Monarchie. In Österreich gebe es einen "Sumpf von Vereinen und Moscheen, die vom Herkunfstland aus – sei es Saudi-Arabien, der Türkei oder aus anderen Ländern betrieben werden", sagte der Grünen-Abgeordnete Efgani Dönmez der . Das sei äußerst problematisch. Das Gesetz legt fest, dass muslimische Vereine und Moscheen nicht weiter aus dem Ausland finanziert werden dürfen.   Das Gesetz soll weiters verhindern, dass Muslime sich radikalisieren und nach Syrien oder in den Irak reisen. Etwa 200 Menschen haben sich nach Angaben des Innenministeriums bisher dem "Islamischen Staat" angeschlossen. Doch das Gesetz werde nicht verhindern, dass sich junge Muslime radikalisieren, kritisiert der Politikwissenschaftler . Die islamische Gemeinschaft in Österreich, die von dem Gesetz betroffen wäre, könnte die dschihadistischen Gruppen nicht beeinflussen. Um Dschihadisten zu deradikalisieren, bräuche es konkrete Programme, sagte Schmidinger. Ende 2014 richtete das Familienministerium eine Extremismus-Beratungsstelle ein. Vorbild für EU-Länder Für Kurz soll das am Mittwoch beschlossene, neu überarbeitete Gesetz Vorbild für andere europäische Länder werden. Deutschland, Frankreich und die Schweiz hätten schon Interesse gezeigt. Kurz wünscht sich einen Islam europäischer Prägung, "ohne Bevormondung durch das Ausland und finanzieller Abhängigikeit durch ausländische Regierungen": Imame sollen in Österreich ausgebildet werden und Deutsch sprechen müssen. Traditionen und Gebräuche, die "nicht im Einklang mit unserem Rechtsssystem sind" hätten in Österreich keinen Platz. eingerichtet werden, an dem sechs Professoren lehren sollen. Der erste von ihnen soll seine Arbeit im kommenden Jahr aufnehmen. Kritik an neuem Gesetz Teile der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) rebellieren nach wie vor dagegen. Vor allem die künftig eingeschränkte Auslandsfinanzierung stößt einigen übel auf. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Fuat Sanaç steht deshalb in Wien massiv unter Druck. Lesen Sie weiter: Das steht im neuen Islamgesetz Das neue Islamgesetz, das am Mittwoch im Nationalrat beschlossen wird, bringt Muslimen in Österreich mehr Rechtssicherheit. Die derzeitige Regelung stammt aus dem Jahr 1912. Das nun völlig neue Gesetz beinhaltet unter anderem ein Verbot der Finanzierung aus dem Ausland, außerdem Speisevorschriften, Feiertage und Friedhöfe. Im Folgenden ein Überblick: RECHTSSTELLUNG Der erste Abschnitt des Islamgesetzes definiert die organisierten Muslime in Österreich als Körperschaft öffentlichen Rechts. Auch geregelt ist, dass sich Muslime der heimischen Gesetzgebung unterzuordnen haben: "Religionsgesellschaften, Kultusgemeinden oder andere Untergliederungen sowie ihre Mitglieder können sich bei der Pflicht zur Einhaltung allgemeiner staatlicher Normen nicht auf innerreligionsgesellschaftliche Regelungen oder die Lehre berufen (...)." Dargestellt werden auch die Voraussetzung für den Erwerb der Rechtsstellung, darunter "eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat". Erworben wird diese auf Antrag durch Verordnung des Bundeskanzlers. Wird eine der Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, bedarf es der Regierung, um diese wieder aufzuheben. VERFASSUNG Im Gesetzesentwurf festgehalten sind weiters die Anforderungen an eine Verfassung der einzelnen Religionsgesellschaften. Dazu gehört auch die "Darstellung der Lehre, einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran), die sich von bestehenden gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, Bekenntnisgemeinschaften oder Religionsgesellschaften unterscheiden müssen". Ebenso in Paragraf 6 steht, die "Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder" habe "im Inland zu erfolgen". Die religiösen Funktionsträger aus dem Ausland, also etwa Imame, dürfen ihre Funktion bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter ausüben. Die Verfassung und die Statuten müssen bis 31.12.2015 in Einklang mit dem neuen Gesetz gebracht werden. RELIGIÖSE BETREUUNG Das Islamgesetz fixiert erstmals das Recht von Muslimen auf religiöse Betreuung - also auf Seelsorger - in Einrichtungen wie dem Bundesheer, in Justizanstalten sowie in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Dafür kommen aber nur Personen infrage, die "aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Lebensmittelpunktes in Österreich fachlich und persönlich dafür geeignet sind". Eine fachliche Eignung liegt nur dann vor, wenn ein Abschluss eines islamisch-theologischen Studiums oder eine gleichwertige Ausbildung vorliegt, weitere Voraussetzung sind Deutschkenntnisse auf Maturaniveau. In einem weiteren Absatz heißt es, ähnlich wie im Israelitengesetz: "Islamische Religionsgesellschaften und ihre Mitglieder sind berechtigt, Kinder und Jugendliche durch alle traditionellen Bräuche zu führen und entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen." In den Erläuterungen wird dazu betont, dass davon "auch die männliche Beschneidung" umfasst ist. "Eine weibliche Genitalverstümmelung, die von einigen fälschlich als Beschneidung bezeichnet wird, steht im Widerspruch zu den Menschenrechten", steht dort ebenfalls. SPEISEVORSCHRIFTEN Dieser Paragraf sorgte für Aufregung bei Gegnern der umstrittenen Schlachtmethode des Schächtens. Muslime haben - ähnlich auch Juden laut Israelitengesetz - demnach das Recht, "in Österreich die Herstellung von Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren". Auch bei der Verpflegung von Muslimen bei Bundesheer, in Haftanstalten, Krankenhäusern und öffentlichen Schulen soll mit dem Islamgesetz sichergestellt werden, dass auf religiöse Speisegebote und -verbote Rücksicht genommen wird. FEIERTAGE "Islamischen Feiertagen wird der Schutz des Staates gewährleistet", heißt es in dieser Passage. Arbeitsrechtlich hat dies zwar noch keine Auswirkungen, dennoch bietet die Aufzählung offizieller Feiertage eine Basis für Verhandlungen zur Verankerung im Feiertagsruhegesetz und den Kollektivverträgen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft führt im Islamgesetz drei solcher Tage an (Ramadanfest, Pilger-Opferfest, Aschura), die Aleviten fünf. ABBERUFUNG VON FUNKTIONSTRÄGERN Die Islamischen Glaubensgemeinden sind laut Entwurf künftig dazu verpflichtet, Funktionsträger wie etwa Imame ihrer Funktion zu entheben, sollten diese von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von ab einem Jahr verurteilt worden sein. Dies gilt auch, sollten diese die "öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden". ISLAMISCH-THEOLOGISCHE STUDIEN Auch der Fahrplan für ein islamisch-theologisches Studium an der Universität Wien ist im Entwurf zum Islamgesetz geregelt: Ab 1. Jänner 2016 hat demnach der Bund bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal zu erhalten. Die Glaubensgemeinschaft hat bei der Besetzung insofern ein Wort mitzureden, als dass ihr die Personen vier Wochen vor Bestellung "zur Kenntnis zu bringen" sind und diese eine Stellungnahme abgeben darf. ISLAMISCHE FRIEDHÖFE Diese sind laut Gesetz "auf Dauer angelegt". Ihre Auflösung und Schließung sind "unzulässig" bzw. bedürfen der Zustimmung der zuständigen Kultusgemeinden. Bestattungen auf islamischen Friedhöfen dürfen ebenfalls nur mit Zustimmung der jeweiligen Kultusgemeinde vorgenommen werden. ANZEIGE- UND MELDEVERPFLICHTUNGEN Sollte gegen einen Funktionsträger der Religionsgesellschaft ein Verfahren eingeleitet oder Haft verhängt werden, muss diese umgehend von der Republik informiert werden. Auch umgekehrt soll diese Verpflichtung bestehen. UNTERSAGUNG VON VERANSTALTUNGEN Behörden können Versammlungen und Veranstaltungen zu Kultuszwecken untersagen, "von denen eine unmittelbare Gefahr für die Interessen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, der nationalen Sicherheit oder die Rechte und Freiheiten anderer, ausgeht". WAHLEN Das neue Islamgesetz regelt erstmals Wahlen etwa in der IGGiÖ. Diese müssen in der jeweiligen Verfassung verankert sein, sodass eine Überprüfung möglich ist. Sollte die Dauer einer Funktionsperiode der gewählten Organe überschritten werden, darf die Behörde eine Frist setzen. Ansonsten muss - notfalls via Gericht - ein Kurator bestellt werden.