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"Saints Row" im Test – Comeback mit Misstönen

Die legendäre "Saints Row"-Reihe ist mit einem Reboot zurück. Der hätte die besten Voraussetzungen für einen Hype, stellt sich aber selbst ein Bein.

Rene Findenig
Sieht toll aus und spielt sich meist auch so, verlässt sich aber auf zu viele Wiederholungen: "Saints Row" im Test.
Sieht toll aus und spielt sich meist auch so, verlässt sich aber auf zu viele Wiederholungen: "Saints Row" im Test.
Deep Silver

In seinen besten Momenten zeigt sich das neue "Saints Row" von Deep Silver als abgedrehter Mix aus "Grand Theft Auto" und "Cyberpunk 2077" – und hätte mit möglicherweise etwas mehr Entwicklungsarbeit auch vollkommen zu einem solchen werden können. So aber blitzt beim Reboot im Verlauf des Games neben toller Grafik und jeder Menge Witz sowie Action auch eines durch: sich wiederholende Aufgaben, die nicht hätten sein müssen und manchmal so wirken, als habe man das Action-Game unnötig in die Länge strecken wollen. Deswegen hinterlässt der Reboot leider einen zwiegespaltenen Eindruck.

Doch der Reihe nach. Mit dem Reboot macht Deep Silver gleich auch vieles neu. So stehen nicht mehr die Third Street Saints im Mittelpunkt, sondern eine neue Gruppe verrückter Protagonisten in der neuen Stadt Santo Ileso im Südwesten Amerikas. Gemeinsam mit seinen Freunden Neenah, Kevin und Eli an seiner oder ihrer Seite darf der Spieler zu Beginn einen "Boss" genannten Charakter erstellen und die "Saints" gründen. Die Anpassungsmöglichkeiten sind dabei bombastisch, bis zu den Haarspitzen darf so gut wie alles an der Spielfigur mit einem Editor nach den eigenen Wünschen verändert werden.

Kleine Schritte zum Schwerkriminellen

Zu Beginn werden wir dann mit der harten Wahrheit unserer kriminellen Zukunftsziele konfrontiert: Das Geld der Freundes-Wohngemeinschaft reicht nicht einmal für die Miete aus, wir müssen schlecht bezahlte Jobs für eine Gang annehmen und ein Auftrag geht auch noch gehörig schief. Die Lösung? Wir gründen einfach unsere eigene Bande und schwingen uns auf, die Stadt künftig kriminell in Besitz zu nehmen. Der Weg dahin ist lange und mit zahlreichen Missionen gepflastert, bei denen wir nach und nach unsere Gang einflussreicher und deren Mitglieder zahlreicher machen sowie andere Gruppen bekämpfen.

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    In seinen besten Momenten zeigt sich das neue "Saints Row" von Deep Silver als abgedrehter Mix aus "Grand Theft Auto" und "Cyberpunk 2077" – und hätte mit...
    In seinen besten Momenten zeigt sich das neue "Saints Row" von Deep Silver als abgedrehter Mix aus "Grand Theft Auto" und "Cyberpunk 2077" – und hätte mit...
    Deep Silver

    Geteilter Meinung dürften die Spieler bei den flippigen Charakteren sein, die einerseits etwas mit zu aufgesetzten Sprüchen im Dauerfeuer nerven, die aber allesamt eine eigene Persönlichkeit bekommen haben, sich ins Gedächtnis einprägen und auch schnell ans Spielerherz wachsen. Allzu viel Tiefgang darf man vor allem von den Dialogen nicht erwarten, dennoch macht die Truppe Spaß und hat auch den einen oder anderen Moment voller Emotionen zu bieten. Auch, weil einige Missionen nicht mit XY-Zielen, sondern mit persönlichen Geschichten zu den verschiedenen Figuren aufwarten können.

    Tolle Technik verschleiert Wiederholungen

    Ein Neon-Future-Look wie "Cyberpunk 2077" und Raubüberfälle wie in "GTA" sorgen am Beginn des Games für Begeisterung. Spielerische Freiheit tut zu Beginn ihr Übriges. Die hält auch einige Stunden an, bevor sich erste Mängel einschleichen. Denn nach und nach zeigt sich, dass man zwar einige verrückte Waffen und Items zur Verfügung gestellt bekommt, die Kämpfe und Missionsziele aber im Prinzip immer gleich ablaufen – von einem Punkt der Karte bewegt man sich zum anderen, ballert dort herum und wiederholt das dann gefühlt Hunderte Male. Dass das nicht früher nervt, liegt vor allem an der tollen Technik.

    Die Musik fetzt gewaltig durch das Game und macht richtig Laune, auch die Grafik sieht super aus und bietet einen interessanten Neonfarben-Stil mit Cyberpunk-Elementen. Kritikpunkte sind da nur kleine zu finden, etwa etwas statisch wirkende Gesichter oder dass einige Areale der Spielwelt recht detailarm ausgefallen sind. Dafür reizt das Game auf Next-Gen-Konsolen die Technik mit Raytracing und VRR aus und bietet verschiedene Grafikmodi bis hin zu 4K. "Saints Row" sieht damit zwar nicht wie das schönste Spiel aller Zeiten aus, bei der Darstellung darf aber ruhig auch einmal geklatscht werden.

    Auf Dauer zu wenig Abwechslung beim Gameplay

    Anders sieht es allerdings beim Gameplay aus, das unter fehlender Abwechslung leidet. Beim Erkunden der (abseits von Missionen) offenen Spielwelt gibt es nicht allzu viel zu entdecken, die vielen Gegner sind bis auf wenige Boss-Ausnahmen kaum eine Herausforderung und beim Vorankommen reicht simples Herumfahren und Drauflosballern aus. Da hilft es wenig, dass es wieder eine riesige Auswahl an Waffen und Finishern zur Gesundheitsregeneration gibt. Weiteres Manko: Beim Zielen wird so stark automatisch nachgeholfen, dass es sich nur noch minimal herausfordernd anfühlt, ein Ziel zu treffen.

    Dabei ist es schade, dass eigentlich so viel Tolles angerichtet wäre, das letztlich aber nicht genutzt wird. So gibt es eine Fähigkeiten-Leiste, die in Kämpfen aufgefüllt wird und freischaltbare Kampf-Skills auslöst. Da aber die meisten Feinde zu leicht besiegt werden können, fehlt es an Reiz, sich immer weiter hochzuleveln. Immerhin lässt sich der Schwierigkeitsgrad auch im laufenden Game anpassen. Oder aber, man holt sich einen Mitspieler und absolviert das Game im Online-Koop, was komplett nach den ersten Missionen möglich ist. Das macht auch das gesamte Game gleich eine Spur interessanter.

    Eher für Neulinge als für Kenner geeignet

    Bei all dem Jammern darf man aber auch nicht vergessen, dass das neue "Saints Row" in gewaltige Fußstapfen treten muss und auch seine guten, sogar großartigen Momente zu bieten hat. So spielen sich die Begegnungen mit den Einsatzkräften hochspannend, die Autorennen sind brutal actionlastig und die Freiheit, den eigenen Charakter nach allen Wünschen selbst zu gestalten, sieht man selten in anderen Games. Irritierend ist allerdings, dass das Spiel extrem strikt und künstlich Missionen aus der Spielwelt abtrennt. Wer eine Mission startet, kann abseits davon in der Spielwelt nicht mehr allzu viel tun.

    Vorbildlich zeigt sich das neue "Saints Row" dagegen bei den Einstellungsmöglichkeiten, von selbst wählbaren Tastenbelegungen bis hin zur freien Wahl des Schwierigkeitsgrads, der Gewaltdarstellung oder der Spielgeschwindigkeit. Und auch mit einer großen Fülle an Nebenmissionen auf, die vom Auto-Tunen bis hin zu Unfall-Betrug reichen und Spaß machen – doch auch sie wiederholen sich irgendwann vermehrt. Wer die bisherigen "Saints Row"-Teile mochte, wird vom repetitiven Gameplay des Reboots möglicherweise enttäuscht sein, Neulinge dagegen haben durchaus Spaß an der chaotischen Action.