Auweh!

Wie viel Schmerzen kann der Mensch ertragen?

Chronische Schmerzpatienten verzweifeln oft an ihrer Situation. Man fragt sich: Wie viel kann der Körper ertragen und können Schmerzen sogar töten?

Heute Life
Wie viel Schmerzen kann der Mensch ertragen?
Der Schmerz entsteht nicht am Organ, sondern im Gehirn. 
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Jeder weiß, wie schmerzhaft es ist, sich den Zeh anzuhauen. Wenn der kleine Zeh gegen die unnachgiebige Ecke des Couchtischs stößt, glaubt man im Moment, dass der Knochen durch die Haut gefahren ist. Und doch ist wenige Minuten später alles wieder in Ordnung (sofern der Zeh nicht gebrochen ist!). Dabei ist die Zehe gegen den Couchtisch ja nur die Spitze des Eisberges, denn es gibt bei Gott schlimmere Schmerzen als das. Obwohl Schmerzempfinden immer subjektiv ist, zählen folgende Schmerzen zu den schlimmsten, die ein Mensch haben kann: Trigeminusneuralgie, Endometriose, Geburtsschmerz, Nieren,- Gallenkolik, Migräne, Gürtelrose, Cluster-Kopfschmerzen und das Komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS). In Anbetracht dessen stellt sich die Frage: Wie viel Schmerz kann der Mensch ertragen? Gibt der Körper irgendwann auf?

Was ist Schmerz?

Der Mensch ist aufgrund eines komplexen Nervennetzes, das unseren gesamten Körper durchzieht, hochsensibel. Vollgepackt mit Schmerzrezeptoren, die bei einer Verletzung erregt werden. Der eigentliche Schmerz jedoch wird nicht von diesen Nerven gefühlt – das passiert im Gehirn. Diese spezialisierten Nervenzellen sind überall verteilt, ihre Signale senden sie über das Rückenmark ins Gehirn. Dort wird die Erregung verarbeitet und als Schmerz gedeutet. Schmerz ist also im Wesentlichen die Interpretation von Informationen durch das Gehirn.

Dass sich das Gehirn aber auch irren kann, zeigt das Beispiel der Phantomschmerzen. Dabei spürt der Betroffene eine Schmerzempfindung in einer amputierten Gliedmaße, obwohl diese nicht mehr vorhanden ist. Aktuell gehen Wissenschaftler davon aus, dass eine Art Umstrukturierung im Gehirn stattfindet. Sinnesreize wie das Berühren eines Fußes werden von unseren Nervenzellen an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. Nach einer Amputation können "fehlgeleitete" Reize vom Gehirn so verstanden werden, als ob sie vom amputierten Glied stammen. Der Behandlungsansatz ist nun, diese veränderte Reizverarbeitung im Gehirn rückgängig zu machen beziehungsweise zu unterdrücken.

Können Schmerzen tödlich sein?

Schmerz an sich kann nicht tödlich sein, aber seine körperlichen Auswirkungen. Deshalb ist unser Schmerzempfinden überlebenswichtig. Er ist das Warnsystem unseres Körpers, das uns schützt, indem er signalisiert, dass etwas nicht stimmt. Er eines der deutlichsten Symptome einer Reihe potenziell tödlicher Krankheiten und Verletzungen.

Ein Beispiel hierfür sind Viren. "Wenn Sie sich einen Virus einfangen, reagiert Ihr Immunsystem, um Ihren Körper zu schützen. Es löst eine Entzündung aus – und Schmerz ist eines der wichtigsten Anzeichen für diese Entzündung", erklärte Dr. Franziska Denk, Dozentin am Kings College London (England). "Schmerzen werden dadurch verursacht, dass die Nerven in Ihrem Körper spüren, dass Ihre Immunzellen aktiv sind und Ihr Körper somit angegriffen wird. Die Nerven reagieren darauf, indem sie Signale an Ihr Gehirn senden, die Sie auffordern, sich auszuruhen bis das Immunsystem seine Arbeit getan hat und die Entzündung abgeklungen ist." Wer keinen Schmerz empfindet, schädigt (unwissentlich) seinen Körper, riskiert Krankheit und Tod. 

Was Schmerz mit dem Körper macht

Abgesehen von den zugrundeliegenden Krankheiten oder Verletzungen, die starke Beschwerden verursachen, können Schmerzen aufgrund des Stresses, den sie auf den Körper ausüben, auch zum Sterberisiko einer Person beitragen. "Starke Schmerzen sind ein furchtbarer Stress", schreibt Forest Tennant in der Zeitschrift "Practice Pain Management". Starke Schmerzen – ob akut oder chronisch – führen dazu, dass der Körper hohe Mengen an Stresshormonen produziert, die sich wiederum auf andere Organe auswirken. So werden starke Schmerzen oft von überhöhter Herzfrequenz und Bluthochdruck begleitet. Das kann soweit gehen, dass es zu Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Tod kommt. 

Errungenschaft der Anästhesie

Also: Auch wenn Schmerzen selbst keine direkte Todesursache sind, können sie doch einen erheblichen Einfluss auf den Ausgang der Behandlung haben, wenn sie nicht richtig behandelt werden. Glücklicherweise können wir dank der Anästhesie selbst extreme Schmerzen blockieren, so dass Chirurgen Menschen aufschneiden können, ohne dass sie etwas spüren.

red
Akt.