Wien

100 Jahre Wiener Landtag im Zeichen des Terrors

Der Wiener Landtag feiert heute den 100. Geburtstag. Doch die Feier im Rathaus wurde von der Coronakrise und dem Terroranschlag überschattet.

Louis Kraft
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    Heute vor genau 100 Jahren fand die erste Wiener Landtagssitzung statt. Der Festakt zum runden Geburtstag wurde durch den Terroranschlag in der Wiener City und die Coronakrise getrübt. Landtagspräsident Ernst Woller (li.), Stadtchef Michael Ludwig (M., beide SPÖ) und Botschafterin a.D. Eva Nowotny, Präsidentin des Universitätsrates der Universität Wien die Gemeinschaft ins Zentrum ihrer Reden.
    Heute vor genau 100 Jahren fand die erste Wiener Landtagssitzung statt. Der Festakt zum runden Geburtstag wurde durch den Terroranschlag in der Wiener City und die Coronakrise getrübt. Landtagspräsident Ernst Woller (li.), Stadtchef Michael Ludwig (M., beide SPÖ) und Botschafterin a.D. Eva Nowotny, Präsidentin des Universitätsrates der Universität Wien die Gemeinschaft ins Zentrum ihrer Reden.
    PID/Christian Jobst

    Heute vor genau hundert Jahren, am 10. November 2020, fand die erste Wiener Landtagssitzung statt. Im Rathaus wurde heute im Rahmen eines kleinen Festakts dieses Jubiläums gedacht. Doch die Feierlaune wurde stark durch die anhaltende Coronakrise und vor allem den Terroranschlag in der Wiener City getrübt. 

    In seiner Festrede betonte der Erste Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) daher besonders die Notwendigkeit der Gemeinschaft: "Wie bedeutend eine starke Demokratie in unserer Gesellschaft ist, ist uns aufgrund der schrecklichen Ereignisse der vergangenen Tage schmerzlich bewusst geworden. Im Kampf gegen Hass und Terror bedarf es einer Gesellschaft, die über alle Partei- und Religionsgrenzen hinweg zusammenhält, und es bedarf eines parlamentarischen Systems, das Sicherheit und Frieden garantiert. Der Wiener Landtag und dessen Abgeordnete leisten dazu seit 100 Jahren einen wichtigen Beitrag", so Woller. 

    "Werden mit Solidarität und Gemeinsinn mit dieser Situation umgehen"

    Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) Wien erinnerte daran, dass Wien "leider immer wieder solche Ereignisse" zu verkraften hatte. Doch schon in der Vergangenheit habe sich die Stadt gegen jede Form von Extremismus und Terrorismus zur Wehr gesetzt, dies sei auch jetzt der Fall. "Wenn das auch eine schwere Wunde in unsere Stadt geschlagen hat, werden wir auch mit dieser Situation mit Solidarität und Gemeinsinn umgehen können", unterstrich Ludwig.

    Die "Emanzipation" Wiens von Niederösterreich vor einhundert Jahren habe den Weg für ein einzigartiges Reformwerk in der Geschichte Wiens geebnet. Politiker wie die Bürgermeister Jakob Reumann und Karl Seitz, die Stadträte Hugo Breitner und Julius Tandler sowie der Schulreformer Otto Glöckel, konnten so ein kommunales Experiment starten, das den sozialen Wohnbau sowie umfangreiche Reformen in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik ermöglichte, so Ludwig. Er wies auch auf die besondere Bedeutung der Wiener Stadtverfassung hin, die es der Opposition schon sehr frühzeitig erlaube, in politische Entscheidungen einbezogen zu werden.

    Wien wird nach langjährigem Wunsch 1920 eigenständiges Bundesland

    Nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie und der Gründung der Ersten Republik am 12. November 1918 wurde Österreich in demokratischer Form neu geordnet. Wien war jahrhundertelang, bis 1920, Teil des Landes Niederösterreich. Das Bundesland Niederösterreich-Wien war ein sehr großer Teil der neuen Republik, in dem mehr als 54% der Bevölkerung Österreichs lebte. So war es insbesondere auch der Wunsch der anderen Bundesländer, dies zu verändern. 1920 kam es daher zur Trennung von Wien und Niederösterreich. Wien wurde ein eigenständiges Bundesland.

    Am 10. November 1920 trat der Wiener Gemeinderat erstmals als Wiener Landtag zusammen und beschloss unter Vorsitz von Robert Danneberg die neue Stadtverfassung, wie sie in den Grundzügen bis heute in Kraft ist. Der Wiener Bürgermeister amtiert nun auch als Wiener Landeshauptmann, die Stadträtinnen und Stadträte bilden die Wiener Landesregierung und der Wiener Gemeinderat agiert als Wiener Landtag. Ein gleichlautender Trennungsbeschluss erfolgte gleichzeitig auch im Landtag von Niederösterreich.

    Damit wurde die politische Basis geschaffen, dass der Wiener Landtag eigenständig Politik machen und eigenständige Gesetze für das Land Wien beschließen konnte. Eines der ersten Gesetze war die von Hugo Breitner initiierte Wohnbausteuer, die das Programm des sozialen Wohnbaus ermöglichte und finanzierte. In der Folge wurden im Wiener Landtag viele gesetzliche Voraussetzungen für die Entwicklung Wiens geschaffen, die in der Ersten Republik als das Erfolgsmodell des Roten Wien in die Geschichte eingegangen ist.

    Landtage mit wichtige Aufgabe für Europäische Union

    Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 hätten die Bundesländer – und damit die Landtage – wichtige Aufgaben übernommen. "Es geht bei einer fortschreitenden Entwicklung der europäischen Integration auch darum, ein Europa der Städte und Regionen zu bewahren und zu leben und damit die Europäische Union näher an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen", erklärte Woller. 

    Die Landtage würden hier im Sinne des Föderalismus und der Subsidiarität eine wichtige Aufgabe im politischen System der Europäischen Union erfüllen. "Insgesamt agiert der Wiener Landtag aber vor allem im Interesse der Wienerinnen und Wiener und schafft mit seinen Gesetzen die Voraussetzungen für die Entwicklung unserer Stadt. Im Wiener Landtag wurde und wird sozusagen Wien gemacht", so der Landtagspräsident.

    Ausstellung "Reise durch die Zeit" im Rathaus

    Die Ausstellung "Reise durch die Zeit" des Wiener Stadt- und Landesarchivs ist ab morgen im Rathaus, Stiege 7, 1. Stock zu sehen. Auch die Wienbibliothek im Rathaus hat eine Ausstellung mit dem Titel "Wien wird Bundesland. 100 Jahre Wiener Stadtverfassung und die Trennung von Niederösterreich" erstellt. Coronabedingt kann die zwar derzeit leider nicht besucht werden, dafür läuft sie aber noch bis 9. April 2021. Nähere Infos dazu findest Du hier.