Gesundheit

Österreich: 300000 Kinder leiden an seltener Erkrankung

Drei von zehn Kindern mit einer seltenen Erkrankung erleben ihren 5. Geburtstag nicht. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist oft entscheidend.

Christine Scharfetter
Die frühzeitige Erkennung kann Spätfolgen minimieren.
Die frühzeitige Erkennung kann Spätfolgen minimieren.
Getty Images/iStockphoto

Am 28. Februar, dem "Tag der seltenen Erkrankungen" ist das Scheinwerferlicht auf diejenigen Menschen gerichtet, die an einer sogenannten seltenen Erkrankung leiden. In Österreich sind das rund eine halbe Million Menschen, unter ihnen: über 300.000 Kinder und Jugendliche.

Hinter dem Sammelbegriff seltene Erkrankungen verbergen sich rund 8.000 unterschiedliche Krankheitsbilder, die häufig schon im Kindesalter zu Symptomen führen. Meist handelt es sich dabei um genetische Erkrankungen mit komplexen und schwer zu deutenden Symptomen, deren Diagnostik und Therapie große Herausforderungen sind. Darunter cystische Fibrose, Epidermolysis bullosa, Angelman Syndrom, primäre Immundefekte und Mukopolysaccharidosen.

Per Definition ist dann von einer seltenen Erkrankung zu sprechen, wenn höchstens eine von 2.000 Personen an der Krankheit leidet.

Diagnosen-Odysee

Im Schnitt vergehen rund fünf Jahre bis Betroffene eine korrekte Diagnose erhalten und davor liegt meistens ein langer Leidensweg. Dabei ist gerade bei seltenen Erkrankungen eine frühzeitige Diagnose und Behandlung oft entscheidend: Etwa 30 Prozent der Betroffenen erleben ihren 5. Geburtstag nicht.

Umso wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit für diese Erkrankungen zu erhöhen und intensiv nach Therapiemöglichkeiten zu forschen. Erfolge konnten hier bereits in den Bereichen der Stoffwechsel- und Muskelerkrankungen erzielt werden.

Mangelnde Aufmerksamkeit führt zur falschen Behandlung

Thomas Stulnig, Stoffwechselexperte und Vorstand der 3. Medizinischen Abteilung mit Stoffwechselkrankheiten und Nephrologie der Klinik Hietzing, behandelt Patientinnen und Patienten mit Morbus Gaucher, einer seltenen Stoffwechselerkrankung, die von einem vererbten Gendefekt ausgelöst wird. Den Betroffenen fehlt ein Enzym zur Fettverarbeitung. Das Fettmolekül lagert sich vor allem in der Leber, Milz und im Knochenmark ab und führt in Folge zu Organvergrößerung und Organschäden.

Mittlerweile stehen wirksame Therapien zur Verfügung, die Patientinnen und Patienten ein weitestgehend normales Leben ermöglichen. Dazu gehört einerseits die Enzym-Ersatz-Therapie, die bereits seit Ende der 90er Jahre zum Einsatz kommt. Dabei wird das fehlende Enzym per Infusion verabreicht. Seit 2015 gibt es nun mit einer wirksamen Substratreduktionstherapie eine weitere Behandlungsmöglichkeit. Diese verringert die Produktion des auslösenden Fettmoleküls. Die körpereigene Enzymproduktion reicht dann aus, um die deutlich niedrigere Menge selbst abzubauen. Vorteil dieser Methode: Der Wirkstoff kann mittels Tabletten eingenommen werden.

"Beide Therapien sind hochwirksam. Das Problem ist, dass schätzungsweise rund drei Viertel der Patienten in Österreich nicht diagnostiziert sind und in Folge gar nicht oder falsch behandelt werden. Die Krankheit geht typischerweise mit einer Milzvergrößerung und Blutbildveränderungen einher. Um sie zu erkennen stehen mittlerweile einfache Trockenbluttests zur Verfügung. Hier muss für mehr Aufmerksamkeit bei Ärzten und Patienten gesorgt werden. In der Klinik Hietzing werden den Patient*innen beide Therapien angeboten", betont Stulnig.

Leben dank Frühdiagnose bei Muskelerkrankungen

Etwa 20.000 der betroffenen Österreicherinnen und Österreicher leben mit einer Muskelerkrankung, mehr als die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Die Diagnose Muskelerkrankung bedeutet häufig den zunehmenden Verlust der Mobilität, auf einen Rollstuhl angewiesen sein und eine eingeschränkte Lebenserwartung.

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    Unter dem TikTok Handle @rollettes_la zeigt das Tanzteam "The Rollettes", dass Bewegung auch im Rollstuhl sehr wohl möglich ist.

    Seit wenigen Jahren stehen die ersten kausalen Therapien für die beiden häufigsten Muskelerkrankungen - Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) und Spinale Muskelatrophie (SMA) – zur Verfügung. Weitere werden in absehbarer Zeit folgen. Für den optimalen Behandlungserfolg ist eine frühzeitige Diagnose bereits im Kindesalter notwendig. Betroffenen stehen dann hochspezialisierte Ambulanzen, wie etwa die Muskelambulanz an der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Klinik Favoriten, zur Verfügung.

    "Je früher Eltern bei Verdacht auf eine Muskelerkrankung mit ihrem Kind eine auf Muskelkrankheiten spezialisierte Spezialambulanz aufsuchen, umso rascher kann mit einer individuellen Therapie und Betreuung begonnen werden. Diese führt im Idealfall zu einer Stabilisierung des Krankheitsverlaufes mit Besserung der Symptome, trägt aber meist dazu bei, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern", so Prim. Univ. Prof. Dr. Günther Bernert, ärztlicher Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde an der Klinik Favoriten.

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