Wien

"Schmutzkübelkampagne" – Streit Stadt gegen Ärztekammer

Die Lage an Wiens Krankenhäusern spitzt sich zu: Der Ärztekammer ruft zu Gefährdungsanzeigen auf, der Gesundheitsverbund übt harsche Kritik.

Yvonne Mresch
Die Ärtekammer rief Betroffene zum Verfassen von Gefährdungsanzeigen auf. Ein "fatales Bild", kritisiert Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes.
Die Ärtekammer rief Betroffene zum Verfassen von Gefährdungsanzeigen auf. Ein "fatales Bild", kritisiert Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes.
Bild: picturedesk.com

Von "untragbaren Zuständen" war im August in einer Gefährdungsanzeige von Mitarbeitern der Klinik Favoriten zu lesen. Versorgungsengpässe hätten sie zu dem Schreiben veranlasst. Wenige Zeit später schlug auch das AKH Alarm: Akutpatienten würden nicht mehr behandelt werden können, bis zu sechs Monate Wartezeit gäbe es für eine Operation. 

"Ärztekammer startet Schmutzkübelkampagne"

Der Leiter der Kinder- und Jugendheilkunde an der Klinik Floridsdorf schmiss aus Protest hin – der Personalmangel und die Belastungen der Pandemie hätten zu dieser Entscheidung geführt. Die Ärtekammer rief schließlich dazu auf, in Notsituationen Gefährdungsanzeigen zu verfassen, dem Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) stößt das sauer auf.

Die Ärztekammer habe mit ihrem Aufruf den Startschuss für eine "Schmutzkübelkampagne" gestartet, heißt es nun in einer Aussendung. Ärzte würden werden in eigens dazu veranstalteten Seminaren nicht nur darüber informiert, wie Gefährdungsanzeigen zu verfassen sind, sondern dazu motiviert, möglichst viele dieser Anzeigen zu verfassen. Zu diesem Zweck sollen die eigentlichen Referatstätigkeiten hintangestellt werden.

"An Lösungen arbeiten, anstatt auf Probleme hinzuweisen"

"Die geplante Kampagne wird für viel Verunsicherung und fragwürdige mediale Berichterstattung sorgen", ist Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Generaldirektorin des Wiener Gesundheitsverbundes überzeugt. "Die Aktionen werden mit Sicherheit nicht dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in unseren Kliniken entscheiden. Das Bild, dass damit erzeugt wird, ist fatal", warnt auch Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes. Die Standesvertretung der Ärzte müsse endlich Teil der Lösung werden, anstatt ausschließlich auf Probleme hinzuweisen, fordert Kölldorfer-Leitgeb.

Gefährdungsanzeigen wären ein wichtiges Instrument des Klinikmanagements, um auf Engpässe in der Organisation hinzuweisen, das jedoch auch einen sorgsamen Umgang erfordert, heißt es weiter. "Wenn es zu Engpässen kommt, welche die Versorgungsqualität beinträchtigen, dann erarbeiten die interdisziplinären Teams in unseren Kliniken gemeinsam Lösungen", stellt Kölldorfer-Leitgeb klar. 

Pflege-Ausbildungsplätze aufgestockt

Man gebe zwar zu, dass es für Gesundheitseinrichtungen immer schwerer werde, Fachkräfte und Ärzte zu rekrutieren – diese Problem hätten alle Kliniken in Europa. Es helfe jedoch nicht, die Verantwortung ausschließlich bei anderen zu suchen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken wurden bislang hunderte zusätzliche Dienstposten geschaffen, betont man. Bis 2024 soll die Anzahl der Ausbildungsplätze im Pflegebereich auf 4.100 aufgestockt werden. Vereinfachungen in der Struktur sollen zudem in den kommenden Jahren Verbesserungen für Mitarbeiter bringen. 

Gesundheitsverbund sieht auch Bund in der Pflicht

Von der Ärztekammer erwartet sich der Gesundheitsverbund ein "rasches Reagieren in Bezug auf die strikten Ausbildungsschlüssel in aktuellen Mangelfächern". "Besonders in medizinischen Mangelfächern wäre eine rasche Erweiterung des Ausbildungsschlüssels und eine Anpassung der Ausbildung vonnöten," fordert Michael Binder, der auch den Bund in der Pflicht sieht: "Wir brauchen einerseits eine verlässliche Prüfung des zukünftigen Bedarfes für die einzelnen klinischen Sonderfächer und ein darauf abgestimmtes Zulassungsverfahren, die nicht ausschließlich auf dem Ergebnis eines Fragebogentests beruhen."

Ärztekammer-Vize: "WIGEV greift eigene Ärzteschaft an!"

Die Ärztekammer weist die Vorwürfe von sich: "Das Vorgehen des WIGEV ist für mich völlig unverständlich und kontraproduktiv. Anstatt dankbar zu sein, dass engagierte Ärztinnen und Ärzte über Missstände berichten, damit diese behoben werden können, greift die WIGEV-Führung die eigene Ärzteschaft an", so Vizepräsident Stefan Ferenci. 

Täglich würden die Ärztekammer Berichte von Kollegen erreichen, dass es zu "nachhaltigen Qualitätsverlusten in der medizinischen Versorgung durch das Missmanagement im WIGEV kommt": "Unser Auftrag ist die bestmögliche medizinische Versorgung der Wiener Bevölkerung, es wäre schön, wenn die WIGEV-Führung ebenso diesem Auftrag nachkäme und zügig an der Behebung der unzähligen Missstände arbeiten würde. Wir stehen mit unserem Know-how jederzeit zur Verfügung", stellt Ferenci klar. 

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