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Alarm um Erholungsgebiet – Lobau geht das Wasser aus

Ökologe Thomas Hein warnt: Die Au verliere seit Jahrzehnten Gewässerflächen, man sähe ihr beim Sterben zu. Lösungen gäbe es, warum passiert nichts?

Sabine Primes
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Laut Bildervergleichen und anderer Untersuchungen ging die Gewässerfläche in der Lobau seit den 1930er-Jahren um rund die Hälfte zurück.
Laut Bildervergleichen und anderer Untersuchungen ging die Gewässerfläche in der Lobau seit den 1930er-Jahren um rund die Hälfte zurück.
Karl Schöndorfer / picturedesk.com

"Der Lobau geht das Wasser aus", warnt der Ökologe Thomas Hein im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA). "Sie verliert seit Jahrzehnten Gewässerflächen, und wir sehen ihrem Trockenfallen und damit dem Sterben als Au zu." Zu retten wäre das Au-Gebiet mit Zufuhr recht geringer Wassermengen etwa aus der Donau. Dieser Schritt wird aber wegen des potenziellen Risikos einer Verunreinigung des Trinkwassers unterlassen. Am Mittwoch und Donnerstag findet in Wien das Symposium "Lobau soll leben" statt.

Veranstaltungshinweis
Symposium "Lobau soll leben – Wasser für die Au – Erkenntnisse und Perspektiven aus der Wissenschaft"
27. und 28. April 2022 im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien
Beginn: 14 Uhr
Mehr Infos auf der Homepage: https://www.nhm-wien.ac.at/veranstaltungsprogramm/lobau_soll_leben_

Seit den 1930er-Jahren 50 Prozent weniger Gewässer

Laut Bildervergleichen und anderer Untersuchungen ging die Gewässerfläche in der Lobau seit den 1930er-Jahren um rund die Hälfte zurück, erklärte Thomas Hein, der am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement (IHG) der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien arbeitet. Vor allem die kleineren, stark strukturierten Seitenarme verlanden und sind als Lebensraum für die Wasserorganismen nicht mehr verfügbar.

"Der Prozess verläuft nicht gleichmäßig, sondern nimmt noch an Geschwindigkeit zu", sagte er: Denn je flacher ein Gewässer wird, umso mehr Vegetation wächst ein und umso rascher lagern sich dort pflanzliche Biomasse und Sedimente ab, die eine Verlandung beschleunigen. Auch der Klimawandel trägt sein Scherflein dazu bei: Längere Trockenphasen in der Vegetationsperiode bescheren der Donau ausgeprägte Niederwasserphasen und in Folge sinkt der Wasserpegel in der Au.

Wasserzufuhr würde helfen

"Der Befund ist also sehr klar: Der Lobau geht das Wasser aus", erklärte Hein. Mit Modellen untersuchten er und sein Team, was eine Wasserzufuhr bringen könnte – mit sehr klaren Ergebnissen: Selbst geringe Mengen würden helfen, und umso mehr Wasser die Au bekommt, umso deutlicher würde sich ihr Gesundheitszustand bessern.

Es könnte etwa mittels "Wasserspenden" aus der Neuen Donau eingeflößt werden. "Weil dieses Wasser sehr wenig Trübe und Partikelfracht aufweist, wäre mit geringen Mengen viel erreichbar", so der Forscher: "Man könnte so zum Beispiel Gewässer verbinden und kleine Au-Tümpel, die zum Beispiel für Amphibien sehr wichtig sind, würden sich bilden". Zumindest der Status quo bliebe so erhalten und lokale Verbesserungen wären möglich.

Auch Wasser direkt aus dem Donaustrom in die Lobau fließen zu lassen, wäre eine Option. Dann sollten es aber größere Mengen sein, die auch wieder ausfließen können, denn es bringt sonst zu viele Partikel und Nährstoffe in die Au. So wie bei anderen Gewässersystemen entlang der Donau stromabwärts von Wien, wie dem Spittelauer Arm, dem Alt-Armsystem Haslau-Regelsbrunn und bei Orth könnte man auf diese Art sogar ein intaktes Gewässersystem in der Lobau herstellen, meint Hein. Die Au wäre dann wiederbelebt.

Der Schifffahrt würde das Wasser nicht fehlen. "So wie bei anderen Gewässerrestaurierungen würde man etwa bei Niedrigwasser – wenn die Donau etwa 900 Kubikmeter pro Sekunde führt – nicht mehr als fünf Kubikmeter pro Sekunde abzweigen müssen", erklärte Hein: "Das ist für die Schifffahrt verkraftbar". Unterhalb der Lobau würde es außerdem wieder in die Donau gelangen.

Lösungen auf dem Tisch – warum passiert nichts?

Die Forschungsprojekte sind mittlerweile schon seit ein paar Jahren abgeschlossen und wurden in Kooperation mit der Gemeinde Wien durchgeführt, berichtet Hein. Gehandelt wurde aber nicht. "Das ist frustrierend", sagte er. Warum nichts passiert ist, obwohl diverse Lösungsvarianten auf dem Tisch liegen, erklärt er sich damit, dass "es in anderen Sektoren noch Problemstellungen gibt, die noch nicht ganz gelöst sind".

Es wurde nicht eindeutig geklärt, ob die Wasserspenden in die Au tatsächlich Auswirkungen auf das als Trinkwasser verwendete Grundwasser hätte. "Das könnte man aber im Versuch herausfinden, indem man gezielt und mit begleitenden Sicherungsmaßnahmen Wasser in die Au führt und schaut, ob dieses befürchtete Risiko gegenüber dem Grundwasser beobachtbar wird". In diesem Falle könnte man sichernde Maßnahmen setzen.

Hohe Investitionen für Lobautunnel, aber nicht für die Au

"Das andere Risiko, nämlich das Trockenfallen und damit Sterben des Auen-Aspektes dieses Gebietes ist hingegen Realität, und wir schauen tatenlos zu", so der Gewässerökologe. Beim umstrittenen Lobautunnel wird vonseiten der Gemeinde Wien neben dem Schutz der Bevölkerung vor Verkehr auch der Schutz der Au als Vorteil genannt. "Wenn man die Lobau mit solchen sehr hohen Investitionen schützen will, ist es für mich widersinnig, wenn man sie als Au-Gebiet gleichzeitig massiv vernachlässigt und vertrocknen lässt", erklärte Hein.

Die Besuchernutzung sei für die Lobau gewässerökologisch kein großes Problem. "Ich sehe die Erholungsfunktion sehr positiv", sagte er: "Mehr als eine Million Menschen besuchen im Jahr die Lobau und es ist wichtig, dass das einstig kaiserliche Jagdgebiet für die Bevölkerung zur Naherholung nutzbar gehalten wird".