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Sonnensturm bringt Nachthimmel über Europa zum Leuchten

Gleich zwei Sonnenstürme haben ein ganz besonderes Spektakel auf den Himmel über Mitteleuropa gezaubert. Noch bis Berlin waren Nordlichter zu sehen.

Roman Palman
Zahlreiche Schaulustige hatten sich am Strand des dänischen Badeortes Hornbæk versammelt, um das ungewöhnliche Nordlicht-Gewitter zu bestaunen.
Zahlreiche Schaulustige hatten sich am Strand des dänischen Badeortes Hornbæk versammelt, um das ungewöhnliche Nordlicht-Gewitter zu bestaunen.
MADS CLAUS RASMUSSEN / AFP / picturedesk.com

Ein schaurig schönes Himmelsspektakel erleuchtete die Nacht in Nordamerika, Europa und Asien. Intensive Polarlichter, die es sonst nur im hohen Norden zu bewundern gilt, tanzten plötzlich auch über Mitteleuropa. Sogar in Berliner Breiten waren sie noch mit freiem Auge zu sehen.

"Was für eine Nacht, intensiv rote Polarlichter waren heute mit bloßem Auge in Rostock sichtbar", freute sich ein passionierter Sternengucker aus Mecklenburg-Vorpommern bereits am Montag.

Die Zugabe am Dienstag wurde dank zahlreicher Vorwarnungen von sehr viel mehr Menschen verfolgt. So wurden auch Fluggäste des britischen Billigfliegers Easyjet auf ihrer Reise nach Manchester davon völlig überrascht. Begeistert drehte der Pilot sogar eine Extrarunde.

Die Bilder des kosmischen Ereignisses sind wahrlich spektakulär:

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    Gleich zwei Sonnenstürme haben ein ganz besonderes Spektakel auf den Himmel über Mitteleuropa gezaubert: Polarlichter, die selbst in Berliner Breiten noch zu sehen waren.
    Gleich zwei Sonnenstürme haben ein ganz besonderes Spektakel auf den Himmel über Mitteleuropa gezaubert: Polarlichter, die selbst in Berliner Breiten noch zu sehen waren.
    Thomas Schulz / dpa / picturedesk.com

    Doch nicht nur in Europa, auch in den USA, Asien und sogar Neuseeland erreichte das Nord- bzw. Südlicht – Aurora borealis auf der Nordhalbkugel, Aurora australis auf der Südhalbkugel – ungewöhnliche Ausmaße.

    Die Wikinger maßen den tanzenden Lichtern eine mystische Bedeutung zu, hielten sie für den bunten Schimmer der Walküren-Rüstungen, die gefallene Helden nach einer Schlacht an Odins Tafel geleiteten. Heute wissen wir, dass der aktuelle Krieg in Europa nichts damit zu tun hat. 

    Doppelter Sonnensturm

    Auslöser waren gleich zwei heftige Sonnenstürme, die nacheinander in den Nächten auf Montag und Dienstag die Erde mit aufgeladenen Plasmateilchen regelrecht bombardiert haben. Sie entstanden durch eine explosive Reihe von Ereignissen auf der Sonnenoberfläche.

    "Ein magnetisches Filament mit Verbindung zu Sonnenfleck AR3229 ist am 24. Februar ausgebrochen und hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die einen geomagnetischen Sturm auf der Erde auslösen kann", meldete der Astronom Tony Philipps im Vorfeld auf "Spaceweather.com".

    Dieser gewaltige Auswurf habe den Sonnenfleck destabilisiert und eine Sonneneruption der Klasse M verursacht. Schon bei einem kurzen Ausbruch kann Auftreffen des ionisierten Materials auf der Erdatmosphäre zu Ausfällen in der Radiokommunikation führen. Ein solcher Funk-Blackout wurde bereits eine Stunde später im Kurzwellenbereich über dem Pazifik registriert, wie die folgende Karte der US-(Weltraum)-Wetterbehörde NOAA zeigt:

    Störungen im Kurzwellen-Funkbereich über dem Pazifik durch die Sonneneruption am 24. Februar 2023.
    Störungen im Kurzwellen-Funkbereich über dem Pazifik durch die Sonneneruption am 24. Februar 2023.
    NOAA

    Was dann folgte, ist für die nun für uns Europäer so weit südlich aufgetauchten Polarlichter verantwortlich: ein koronaler Masseauswurf. Das ausgestoßene Plasma raste laut NOAA-Schätzung mit atemberaubender Geschwindigkeit ins Weltall – auch Richtung Erde.

    Ein koronaler Massenauswurf auf der Sonne am 31. August 2012, Archivbild.
    Ein koronaler Massenauswurf auf der Sonne am 31. August 2012, Archivbild.
    NASA/Goddard Space Flight Center

    "Der Sonnenwind um die Erde bläst aktuell mit mehr als 800 Kilometern pro Sekunde. Das ist der höchste Wert seit Jahren und Polarlichter wurden südlich bis Colorado [inmitten der USA] gesichtet", warnte "Spaceweather.com" nach dem ersten starken geomagnetischen Sturm am Montag. 

    Die zweite heranrasende Plasmawolke wurde als noch heftiger eingeschätzt. Die Weltraumwetter-Experten erwarteten einen Sonnensturm der Stärke G3, der den bereits tobenden geomagnetischen Sturm noch stärker aufladen würde.

    Glücklicherweise kam es nicht zu einem der horrenden Krisenszenarien, die starke Sonnenstürme auslösen können. Funk-Ausfälle wären dabei erst der Anfang, bei einem Volltreffer drohen massive Blackouts und Schlimmeres.

    Sonnensturm kann Erde lahmlegen

    Normalerweise schützt uns das Magnetfeld der Erde zwischen den Polen vor diesem kosmischen Bombardement. Doch in extremen Fällen kann es durch den Beschuss geladener Teilchen derart deformiert werden, dass diese auch den Erdboden erreichen. Diese könnten unsere elektrische Infrastruktur komplett lahmlegen, so die Befürchtung von Experten.

    Weitreichende Blackouts, Kommunikationsausfälle und der Ausfall zahlreicher akkubetriebener Geräte wären die Folge eines solchen Extremfalls. Die Menschheit würde quasi in die Steinzeit zurückgeworfen, wie der "Spiegel" anmerkt. "Ein Sonnensturm kann uns in die technologische Steinzeit zurückwerfen", heißt es da.

    "Wenn wir extreme Ausbrüche rechtzeitig erkennen, bleiben uns acht Stunden bis zwei Tage, bis die Teilchen auf die Erde treffen. Bis dahin kann etwa die Stromversorgung auf das Nötigste zurückgefahren werden, um Schäden an laufenden Anlagen zu verhindern", erklärte ESA-Wissenschaftsdirektor Günther Hasinger bereits in der Vergangenheit.

    Vor zehn Jahren entging die Erde nur knapp einem solchen Katastrophenszenario. Im Juli 2012 hatte die Sonne Billionen Tonnen magnetisiertes Plasma in unsere Richtung geschleudert, kurz nachdem unser Planet die Schussbahn verlassen hatte. Laut NASA hätte dieser Sonnensturm alles elektrisch Betriebene außer Gefecht gesetzt.

    Solares Maximum wird 2025 erreicht

    Noch drei Jahre lang dürften die Flecken und somit auch Massenauswürfe auf der Sonne zunehmen. Das Maximum des aktuell 25. Zyklus wird im Sommer 2025 erwartet. Dann rechnen NASA und die US-Wetterbehörde NOAA dem "Spiegel"-Bericht zufolge mit 115 Sonnenflecken pro Monat. Forscher des Nationalen Zentrums für Atmosphärische Forschung (NCAR) glauben an eine mindestens doppelt so hohe Zahl.