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Doppelter Sonnensturm trifft Erde – Experten warnen

Ein Himmelsspektakel über Mitteleuropa wird zum Vorboten. Ein heftiger Sonnensturm trifft am Montag auf die Erde – mögliche Folgen sind katastrophal.

Roman Palman
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    Plasma eines Koronalen Massenauswurf der Sonne hat in der Nacht auf 27. Februar 2023 die Erde getroffen und in Mitteleuropa für ein Naturspektakel gesorgt.
    Plasma eines Koronalen Massenauswurf der Sonne hat in der Nacht auf 27. Februar 2023 die Erde getroffen und in Mitteleuropa für ein Naturspektakel gesorgt.
    Cevin Dettlaff / dpa / picturedesk.com

    Normalerweise sind Polarlichter in Europa während der dunklen Wintermonate nur im hohen Norden der skandinavischen Länder zu sehen. In der Nacht auf Montag war allerdings alles anders. "Was für eine Nacht, intensiv rote Polarlichter waren heute mit bloßem Auge in Rostock sichtbar", meldet ein passionierter Sternengucker aus Mecklenburg-Vorpommern.

    Er ist nicht der einzige, der Zeuge des Naturspektakels wurde. Es war über weite Teile Norddeutschlands und sogar auf Höhe Berlin noch deutlich zu sehen, wie die Fotos in der Bildstrecke oben beweisen. Doch nicht nur in Europa, auch in den USA erreichte die Aurora borealis, so der Fachterminus für ein Polarlicht auf der Nordhalbkugel, ungewöhnliche Ausmaße.

    Die Wikinger maßen den tanzenden Lichtern eine mystische Bedeutung zu, hielten sie für den bunten Schimmer der Walküren-Rüstungen, die gefallene Helden nach einer Schlacht an Odins Tafel geleiteten. Heute wissen wir, dass der aktuelle Krieg in Europa nichts damit zu tun hat. 

    Bereits Ausfälle beim Funk

    Stattdessen ist eine explosive Reihe von Ereignissen auf der Sonnenoberfläche dafür verantwortlich: "Ein magnetisches Filament mit Verbindung zu Sonnenfleck AR3229 ist am 24. Februar ausgebrochen und hat eine Kettenreaktion ausgelöst, die einen geomagnetischen Sturm auf der Erde auslösen kann", berichtet der Astronom Tony Philipps am Sonntag auf "Spaceweather.com".

    Dieser gewaltige Auswurf habe den Sonnenfleck destabilisiert und eine Sonneneruption der Klasse M verursacht. Schon bei einem kurzen Ausbruch kann Auftreffen des ionisierten Materials auf der Erdatmosphäre zu Ausfällen in der Radiokommunikation führen. Ein solcher Funk-Blackout wurde bereits eine Stunde später im Kurzwellenbereich über dem Pazifik registriert, wie die folgende Karte der US-(Weltraum)-Wetterbehörde NOAA zeigt:

    Störungen im Kurzwellen-Funkbereich über dem Pazifik durch die Sonneneruption am 24. Februar 2023.
    Störungen im Kurzwellen-Funkbereich über dem Pazifik durch die Sonneneruption am 24. Februar 2023.
    NOAA

    Was dann folgte, ist für die nun so weit südlich aufgetauchten Polarlichter verantwortlich: ein koronaler Masseauswurf. Das ausgestoßene Plasma raste laut NOAA-Schätzung mit einer Geschwindigkeit von 1.200 Kilometern pro Sekunde (!) ins Weltall – auch Richtung Erde.

    Ein koronaler Massenauswurf auf der Sonne am 31. August 2012, Archivbild.
    Ein koronaler Massenauswurf auf der Sonne am 31. August 2012, Archivbild.
    NASA/Goddard Space Flight Center

    Unser Planet wird dabei von einem mittelstarken Sonnensturm der Stärke G2 auf der fünfstufigen Skala mit geladenen Teilchen bombardiert. "Der Sonnenwind um die Erde bläst aktuell mit mehr als 800 Kilometern pro Sekunde. Das ist der höchste Wert seit Jahren und Polarlichter wurden südlich bis Colorado [inmitten der USA] gesichtet", warnt "Spaceweather.com" vor dem starken geomagnetischen Sturm.

    Und: noch ein zweiter, noch heftigerer Masseauswurf soll im Laufe des Montags und auch am Dienstag (27. und 28. Februar) auf die Erde treffen. Die Weltraumwetter-Experten erwarten einen Sonnensturm der Stärke G3, der den bereits tobenden Sturm noch stärker aufladen könnte.

    Die gute Nachricht daran ist, dass wohl neuerlich Polarlichter in sehr südlichen Gefilden über den Himmel tanken werden. Die schlechte hat es aber in sich. Bei einem Volltreffer drohen massive Blackouts und Schlimmeres.

    Sonnensturm kann Erde lahmlegen

    Normalerweise schützt uns das Magnetfeld der Erde zwischen den Polen vor diesem kosmischen Bombardement. Doch in extremen Fällen kann es durch den Beschuss geladener Teilchen derart deformiert werden, dass diese auch den Erdboden erreichen. Diese könnten unsere elektrische Infrastruktur komplett lahmlegen, so die Befürchtung von Experten.

    Weitreichende Blackouts, Kommunikationsausfälle und der Ausfall zahlreicher akkubetriebener Geräte wären die Folge eines solchen Extremfalls. Die Menschheit würde quasi in die Steinzeit zurückgeworfen, wie der "Spiegel" anmerkt. "Ein Sonnensturm kann uns in die technologische Steinzeit zurückwerfen", heißt es da.

    "Wenn wir extreme Ausbrüche rechtzeitig erkennen, bleiben uns acht Stunden bis zwei Tage, bis die Teilchen auf die Erde treffen. Bis dahin kann etwa die Stromversorgung auf das Nötigste zurückgefahren werden, um Schäden an laufenden Anlagen zu verhindern", erklärte ESA-Wissenschaftsdirektor Günther Hasinger bereits in der Vergangenheit.

    Vor zehn Jahren entging die Erde nur knapp einem solchen Katastrophenszenario. Im Juli 2012 hatte die Sonne Billionen Tonnen magnetisiertes Plasma in unsere Richtung geschleudert, kurz nachdem unser Planet die Schussbahn verlassen hatte. Laut NASA hätte dieser Sonnensturm alles elektrisch Betriebene außer Gefecht gesetzt.

    Solares Maximum wird 2025 erreicht

    Noch drei Jahre lang dürften die Flecken und somit auch Massenauswürfe auf der Sonne zunehmen. Das Maximum des aktuell 25. Zyklus wird im Sommer 2025 erwartet. Dann rechnen NASA und die US-Wetterbehörde NOAA dem "Spiegel"-Bericht zufolge mit 115 Sonnenflecken pro Monat. Forscher des Nationalen Zentrums für Atmosphärische Forschung (NCAR) glauben an eine mindestens doppelt so hohe Zahl.