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"Warum tu' ich mir das jeden dritten Tag an?"

Ein Halbmarathon besteht im Durchschnitt aus rund 20.000 Schritten. Der absolut wichtigste dabei ist der allererste.

Heute Redaktion
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Ang'rennt - mit dieser Redewendung bezeichnet man in Österreich gerne etwas geringschätzig Leute, deren Taten und Handlungen aber auch Meinungen man nicht ganz nachvollziehen kann.

Als ich mich vor rund sechs Jahren dazu entschlossen hab, mit dem Laufen zu beginnen, wurde mir das auch vorgeworfen. "Bist wo ang'rennt, warum tu' ich mir das jeden dritten Tag an?", fragte ich mich die ersten paar Wochen bei jedem Lauf selber. In den 33 Jahren davor hat mich körperliche Ertüchtigung so gut wie nicht interessiert.

Mentale Gegenwehr

Doch trotz der massiven mentalen Gegenwehr, die das größte Hindernis darstellte, hab ich mich zwei Mal die Woche in mein Laufgewand geworfen, bin mit der U6 bis Spittelau gefahren und hab mich von dort die drei Kilometer lange Strecke entlang des Donaukanals bis zur Urania gequält. Und das war mit 105 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,82 Metern tatsächlich eine Qual.

Direkt von zu Hause aus wollte ich die ersten Laufversuche damals nicht wagen. Zu groß war das Schamgefühl, mich schwitzend und mit hochrotem Kopf den Blicken von Fußgängern auszusetzen. Rückblickend eigentlich ein totaler Blödsinn und irrational, weil man den Leuten auf den Straßen Wiens meistens eh egal ist. Damals allerdings immens wichtig, um überhaupt Laufen zu gehen.

Kilos begannen zu purzeln

Nach ein paar Wochen der Überwindung stellten sich die ersten merkbaren Erfolge ein. Die Verschnaufpausen während des Laufens wurden weniger, dadurch verbesserte sich auch die Zeit um einiges. Die drei Kilometer lange Strecke wurden ebenfalls rasch zur langweiligen Routine. Auch die Digitalanzeige meiner Waage brauchte plötzlich nur mehr zwei statt drei Ziffern, um mir mein Gewicht anzuzeigen. "Darum tu' ich mir das jede dritten Tag an", war dann auch die Antwort auf die Frage, die kurze Zeit vorher noch täglich an mir nagte.

Mit jedem Kilo, das ich auf der Strecke zurücklassen konnte, steigerte sich zum Einen meine Leistung und zum Anderen, was viel wichtiger war, mein Selbstwertgefühl. Warum soll ich mit der U6 so weit fahren, um dann zu laufen, wenn ich eigentlich auch direkt von mir Zuhause starten kann? Also tat ich genau das. Mit den Locationwechsel stieg dann auch die Motivation, mich an etwas längeren Strecken zu versuchen.

Erfolg stellt sich rasch ein

Nach einer kurzen, verletzungsbedingten Pause, die sich mit einem Schuhwechsel (lasst euch Anfänger bei einer Laufanalyse unbedingt die richtigen Schuhe verpassen, wichtige Lektion) zum Glück gleich wieder erledigt hat, wollte ich es nun wissen.

Was zwei Monate vorher noch komplett surreal und absolut unmöglich erschien, war plötzlich Realität. Fünf Kilometer, sieben Kilometer und dann auf einmal zehn Kilometer. Kein Problem mehr. Weder konditionell, noch gelenkstechnisch noch mental waren mir auf diesen Strecken irgendwelche Grenzen gesetzt. Die Zeit (den 10er lief ich in einer gemütliche Stunde) war mir damals genauso wie heute ziemlich egal.

Als ich mich dann für meinen ersten Halbmarathon in Wien anmeldete, tauchte wieder die Frage im Hinterkopf auf - "Bist wo ang'rennt?". "Ja, g'scheid". Und das war wahrscheinlich eines der besten Dinge, die mir in meinem Leben passiert sind.

Wie die Vorbereitung auf den ersten Halbmarathon meines Lebens abgelaufen ist, lest ihr im nächsten "Ang'rennt - Der Lauf-Blog".

Alle Infos zum Vienna City Marathon 2019 sowie der Winterlauf-Serie findet man auf der offiziellen Homepage der Veranstaltung.

Die schrägsten Marathon-Outfits von Wien