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Steckt in jedem Läufer ein Social-Media-Narzisst?

Geh' ich nur für mich selber laufen? Oder mach' ich es auch, um der Welt etwas zu beweisen. Ein Psychogramm.

Heute Redaktion
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Das Laufen erfreut sich in den letzten Jahren quer durch alle Gesellschaftsschichten einer immer größeren Beliebtheit. Sobald es die Frühlingstemperaturen zulassen (im Winter zeigt sich, wer nicht nur ein Schönwetter-Jogger ist), schießen die Hobbysportler in ihren natürlichen Habitaten wie dem Prater oder entlang des Donaukanals wie die Schwammerl aus dem Boden.

Dank moderner Technologien wie GPS-Uhren und diversen Tracking-Apps wird dabei jeder Schritt bis ins kleinste Detail aufgezeichnet. Bewegungszeit, Dauer, Herzfrequenz, Schrittlänge, Ruhepausen,... der Lauf wird in die kleinstmöglichen Einzelteile demontiert, um ihn danach analysieren und mit Gott und der Welt in den einschlägigen Netzwerken von Strava, Garmin, Runtastic,... mit Gleichgesinnten teilen zu können.

„...indem man dessen sportlichen Erfolg ebenfalls mit einem Klick auf den OkiDoki-Daumen appreciated"

Mit einem "Like" erhält man dann für die erbrachte Leistung die verdiente Anerkennung - und kann sich beim Gegenüber dafür revanchieren, indem man dessen sportlichen Erfolg ebenfalls mit einem Klick auf den OkiDoki-Daumen appreciated.

Doch schon längst findet die Huldigung und das Zelebrieren nicht mehr nur in der vermeintlich kleinen Sparten-Blase statt. Die öffentliche Zurschaustellung der Populärathletik ist im Mainstream angekommen. Tagtäglich werden Facebook und Instagram mit gefühlten Millionen von Bildern überflutet, die Menschen oder Teile von Menschen in allen möglichen und unmöglichen Lagen beim Sporteln zeigen.

„Beim Laufen hab' ich mein Handy immer dabei."

Und - Asche über mein Haupt - ich trage aktiv zu diesem Sweat-Content bei. Beim Laufen hab' ich mein Handy immer dabei. In erster Linie, weil Runtastic darauf installiert ist. Gleichzeitig tracke ich mich aber mit meiner Garmin am Handgelenk. Anfangs, um irgendwie den Vergleich zu haben. Mittlerweile aus reiner Gewohnheit.

Das Smartphone kommt aber auch bei jedem Run in seiner Funktion als Fotoapparat zum Einsatz. Wie man in der Bilderstrecke oben sehen kann, hab' ich mich da auf das Abbilden meiner Füße spezialisiert. An einem für mich passenden Platzerl (oftmals mit einem Graffiti oder ähnlichem optischen Aufputz im Hintergrund) stoppe ich kurz und drücke ab. Ein, zwei Schuhfotos, ein Selfie, ein Panoramabild - und weiter geht der Lauf.

„Die Frage des Warums stellt sich dabei schon lange nicht mehr."

Danach gibt's einen kurzen Filter-Check und schon erfreue ich meine Freunde im Netz mit einem Foto. Die Frage des Warums stellt sich dabei schon lange nicht mehr. Am Anfang meiner Laufkarriere war mir die Bestätigung wichtig und hat mir auch dabei geholfen, mich ständig weiterzumotivieren.

Doch jetzt, nachdem mich der Suchtteufel längst in seinen Fängen hat, poste ich die Bilder eigentlich nur mehr aus reiner Gewohnheit. Und weil sie mir rein subjektiv von der Ästhetik gefallen. Sowas will ich meinen Schwestern und Brüdern in der heilen Welt der Social Medias nicht vorenthalten. Wem's gefällt, der drückt ein Like, alle anderen können mich gernhaben.