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Anschlag auf Pipeline Nord Stream – was wusste die CIA?

Die mutmaßlichen Angriffe auf die Nord-Stream-Pipelines sorgen für Verunsicherung und Spekulationen. Das sagt Österreichs Außenministerium.

US-Präsident <strong>Joe Biden</strong>, bereits am 7. Februar 2022 nahm er zu Nord Stream und einem möglichen Ende Stellung. Jetzt gehen die Wogen hoch.
US-Präsident Joe Biden, bereits am 7. Februar 2022 nahm er zu Nord Stream und einem möglichen Ende Stellung. Jetzt gehen die Wogen hoch.
apa/picturedesk ("Heute"-Montage)

Die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 weisen seit Dienstag vier Lecks auf. Die EU spricht von "einer vorsätzlichen Handlung" und droht Konsequenzen an. Unklar ist bisher, wer die mutmaßlichen Sabotageakte verübt haben könnte. In den sozialen Medien kursieren zwei Hauptverdächtige: Russland – und die USA.

Die Europäische Union ist zutiefst besorgt über die Schäden an den Pipelines Nord Stream 1 und 2, die zu Lecks in den internationalen Gewässern der Ostsee geführt haben.

Marc Finaud, Rüstungsexperte und Associate Fellow am Center for Security Policies (GCSP), und sein Kollege Jean-Marc Rickli, Leiter des Bereichs Globale und aufkommende Risiken, schätzen ein. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann nichts ausgeschlossen werden. Was wir aber sagen können: Für eine solche Operation werden Mittel benötigt, über die nur Staaten verfügen", sagen die Experten.

Vereinzelt gibt es auch Theorien darüber, dass die Ukraine einen Sabotageakt verübt haben könnte oder dass China der Verursacher ist.

Alle Fotos: Die Mega-Lecks in der Pipeline

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    Ein halbes Jahr nach den Explosionen haben dänische Behörden ein unbekanntes Objekt an der Nord-Stream-Pipeline entdeckt.
    Ein halbes Jahr nach den Explosionen haben dänische Behörden ein unbekanntes Objekt an der Nord-Stream-Pipeline entdeckt.
    HANDOUT, DANISH MINISTRY OF DEFENCE / AFP / picturedesk.com

    Die Ostsee gehört laut der Nachrichtenagentur dpa zu den am besten überwachten Seegebieten überhaupt. Finaud sagt, die Überwachung der Energieversorungsleitungen sei Teil der Aufgaben der Nato-U-Boote. Auch russische U-Boote kreuzten aber seit Jahrzehnten in diesem Gebiet.

    These 1: Russland hat den Angriff ausgeführt

    "Die meisten Analysten zeigen mit dem Finger auf Russland, das bereits einmal die Energieversorgung als Waffe eingesetzt hat", sagt Finaud. Für diese These spricht laut dem Experten, dass Russland ein starkes Motiv habe. Laut "Spiegel" hätte der US-Geheimdienst CIA schon vor Wochen vor möglichen Anschlägen auf Erdgaspipelines in der Ostsee gewarnt: "Mit dem Angriff auf Nord Stream will Russland die Verwundbarkeit der europäischen Energieinfrastruktur aufzeigen. Der Angriff könnte eine Art Warnung oder ein Erpressungsversuch gewesen sein, um Europa davon abzuhalten, die Ukraine weiter zu unterstützen und zu zeigen, dass die Sanktionen nach hinten losgehen."

    Auch Jean-Marc Rickli sagt: "Die Explosionen dienten dazu, ein Signal auszusenden: 'Wir sind in der Lage, eure Energieversorgungsinfrastruktur zu kappen.' Das bedeutet, dass mehr Ressourcen für den Schutz und die Überwachung dieser Infrastruktur bereitgestellt werden müssen. Das erfordert militärische Kräfte, die nicht anderweitig eingesetzt werden können."

    Was noch dafür spricht: Laut CNN sollen europäische Offizielle am Montag und Dienstag Schiffe der russischen Marine in unmittelbarer Nähe zu den Lecks gesehen. Es sei derzeit unklar, ob die Schiffe mit den Lecks, die nach ersten Erkenntnissen durch Explosionen unter Wasser entstanden sind, zu tun haben.

    Der Kreml teilte seinerseits am Donnerstag mit, dass man die "Beteiligung eines ausländischen Staates" vermute.

    These 2: Die USA haben den Angriff durchgeführt

    Auch die USA werden verdächtigt. So twitterte beispielsweise der frühere polnische Verteidigungsminister Radek Sikorski umgehend nach Bekanntwerden des Lecks: "Danke, USA." Die einzige Logik von Nord Stream bestehe darin, dass Putin Osteuropa ungestraft erpressen oder bekriegen könne. Andere verurteilen die USA für diesen "terroristischen Angriff auf zivile Infrastruktur".

    Laut anderen Kommentatoren spricht für die USA, dass sie seit Jahren "eine Abhängigkeit Deutschlands von Russland verhindern wollten". Der Krieg diene nun als Vorwand, um das Ziel durchzusetzen, dass Nord Stream 2 nie in Betrieb geht. Tatsächlich hatten die USA unter Trump Sanktionen gegen Nord Stream durchgesetzt und keinen Hehl aus ihrer Kritik an der Pipeline gemacht.

    "Liegt nicht im Interesse der USA"

    Diese These wird laut den Kommentierenden gestützt von einem Video, das sich in den sozialen Medien nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Angriffs rasant verbreitete. Es zeigt einen Auftritt des US-Präsidenten Joe Biden vom Februar dieses Jahres: "Ich verspreche Ihnen: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 zwei mehr geben", sagt Biden - hier das VIDEO:

    Ein weiteres Indiz für die Schuld Amerikas laut vielen Kommentaren: Die USA habe großes Interesse am Verkauf ihres Flüssiggases zu möglichst hohen Preisen.

    Finaud und Rickli sagen dazu: "Bidens Aussage deutet unserer Meinung nach nicht auf einen Sabotageakt hin. Sie war Teil der Rhetorik, um Russland abschrecken und den Druck der Sanktionen zu erhöhen." Laut Finaud kann es nicht im Interesse der USA liegen, Europa anstelle von Russland unter Druck zu bringen. "Und es liegt auch nicht in ihrem Interesse, die Gaspreise wegen der Auswirkungen auf ihre eigene Wirtschaft stark anzuheben."

    Außenministerium: "Ursachen für Schäden muss aufgeklärt werden"

    Fazit: Noch kann niemand mit Sicherheit sagen, wer hinter dem mutmaßlichen Sabotageakt steckt. Gemäß Experten deuten die Indizien aber eher nach Moskau. Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes August Hanning gibt sich gegenüber der "Bild" überzeugt, dass die Wahrheit noch ans Licht kommen wird: "Früher oder später wird bekannt, wer dahintersteckt. Es wird Aufnahmen von Überwachungen geben, das lässt sich langfristig kaum verheimlichen."

    In Österreich gibt man sich derweilen gewohnt neutral. Auf "Heute"-Nachfrage lässt das Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten mitteilen, man beteilige sich nicht an Spekulationen: "Wir nehmen zur Kenntnis, dass die betroffenen Staaten von Sabotage sprechen, die Ursache für die Schäden muss jetzt aufgeklärt werden."

    Verlauf der Nord Stream Pipelines.
    Verlauf der Nord Stream Pipelines.
    APA-Grafik / picturedesk.com