Hasswelle

726 Vorfälle in 6 Monaten – "antisemitischer Tsunami"

Von Jänner bis Juni gab es 726 antisemitische Vorfälle in Österreich: Besonders häufig ist laut Antisemitismus-Meldestelle israelbezogener Hass.
Newsdesk Heute
05.11.2025, 15:14
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Von 1. Jänner bis 30. Juni 2025 registrierte die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) insgesamt 726 antisemitische Vorfälle in Österreich. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 808 Vorfälle, im ersten Halbjahr 2023 – vor dem Terroranschlag der Hamas in Israel – lag die Zahl bei 311.

"Der antisemitische Tsunami wurde zu einer andauernden Überflutung", sagt IKG-Präsident Oskar Deutsch zur am Mittwoch präsentierten Statistik. Für Jüdinnen und Juden sei die Lage bedrohlich, aber man halte weiterhin am jüdischen Leben als selbstverständlicher Bestandteil Österreichs und als beste Antwort auf Antisemitismus fest. Dies sei nur dank umfassender Sicherheitsvorkehrungen möglich.

Anstieg der Vorfälle im Sommer

Insgesamt wurden in diesem Zeitraum fünf körperliche Angriffe, acht Drohungen, 78 Fälle von Sachbeschädigung, 203 Massenzuschriften und 432 Situationen mit verletzendem Verhalten gemeldet. Besonders häufig trat dabei israelbezogener Antisemitismus auf. Dahinter folgen antisemitisches Othering (gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Anm.) und die Verharmlosung der Schoa. Eine zusätzliche Auswertung zeigt, dass in 77 Fällen entweder zu Terror gegen Juden aufgerufen oder solcher verherrlicht wurde.

Wie es in dem Halbjahresbericht heißt, war die Zahl der fünf gemeldeten körperlichen Angriffe weitaus niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (16). Dieser Trend setzte sich allerdings nicht fort: "Bereits in den ersten Wochen nach Ende des Berichtszeitraums überstieg die Zahl der dokumentierten physischen Angriffe und Bedrohungen die Gesamtzahl der gemeldeten Vorfälle des ersten Halbjahres 2025", erklärt der Leiter der Meldestelle, Johannan Edelman.

Betroffene ziehen sich immer mehr zurück

202 der gemeldeten antisemitischen Vorfälle konnten Personen oder Gruppen mit politisch linker Motivation zugeordnet werden. 195 Fälle hatten einen muslimischen Hintergrund, 147 einen politisch rechten. In 182 Fällen war der weltanschauliche Hintergrund nicht eindeutig zuzuordnen.

"Im Bericht werden nur jene Meldungen berücksichtigt, die als eindeutig antisemitisch verifiziert wurden", erklärt der Leiter der Meldestelle, Johannan Edelman. "Zugleich dürfte die Meldebereitschaft rückläufig sein, weil sich von Antisemitismus Betroffene zunehmend zurückziehen." Immer wieder komme es vor, dass nach Hinweisen von Zeugen direkt Betroffene keine Betreuung oder statistische Erfassung wünschen. Insgesamt sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Übergriffe werden zur Dauerbelastung

"Wir stellen fest, dass antisemitische Übergriffe zur Dauerbelastung wurden. Der Alltag vieler Gemeindemitglieder ist von einem latenten Unsicherheitsgefühl begleitet", erklärt IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele. Verantwortung, gegen jede Form von Antisemitismus aufzustehen, sieht Nägele nicht nur bei der Politik, sondern auch bei der Justiz und vor allem bei allen in der Gesellschaft.

Reaktionen zum Bericht kamen auch aus der Politik: "Auch wenn die Zahl antisemitischer Vorfälle im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken ist, bleibt das Ausmaß erschreckend hoch. 726 gemeldete und verifizierte Fälle sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Antisemitismus in Österreich nach wie vor ein massives Problem darstellt. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen, der Kampf gegen Antisemitismus ist unser gemeinsamer Auftrag!", meint etwa die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz.

Überschreiten der roten Linie

Lukas Hammer, Sprecher der Grünen für Gedenkpolitik, hält fest: "Berechtigte Kritik an der in Teilen rechtsextremen Regierung Israels ist nicht antisemitisch und muss auch weiterhin klar artikuliert werden können. Wenn aber Jüdinnen und Juden in Österreich für deren Handeln zur Verantwortung gezogen, pauschal beschuldigt oder sogar attackiert werden, dann überschreitet das eine rote Linie, bei der wir klar Stellung beziehen müssen."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 05.11.2025, 15:40, 05.11.2025, 15:14
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