Wer ohne Ticket in Wiens Öffis unterwegs ist, riskiert ein Bußgeld von 105 Euro. Doch was bisher kaum jemand genau wusste: Auch die Kontrolleure verdienen an jedem Aufgriff mit. Lange wurde darüber spekuliert, wie hoch die Prämien sind. Jetzt bringt eine Recherche der Plattform "campus a" Licht ins Dunkel – und sorgt für Gesprächsstoff.
Denn im Kollektivvertrag der Wiener Stadtwerke, zu denen die Wiener Linien gehören, ist die Prämienregelung klar festgeschrieben. Und diese zeigt: Kontrolleure erhalten 7,30 Euro pro Schwarzfahrer. Wer besonders viele Aufgriffe verzeichnet, steigert die Prämie auf 14,60 Euro ab dem 317. Fall und sogar 18,25 Euro ab dem 417. Fall. Das bedeutet: Wer viel kontrolliert, kann ordentlich dazuverdienen – alles im Rahmen eines öffentlich zugänglichen Vertrages.
Das Grundgehalt liegt laut Vertrag aktuell bei 2.579,25 Euro brutto pro Monat, während der Ausbildungszeit bei 2.318,66 Euro. Wer die Staffelungen erreicht, kann rein rechnerisch bis zu 15.512,50 Euro brutto zusätzlich pro Jahr kassieren. Doch dieser Höchstwert ist von vielen Faktoren abhängig – nicht nur von der Zahl der Aufgriffe, sondern auch davon, ob die verhängten Strafen tatsächlich bezahlt werden. Wird nicht gezahlt, entfällt die Prämie.
Dass eine Prämie davon abhängt, ob jemand anderes zahlt, mag ungewöhnlich wirken. Doch Arbeitsrechtlerin Brigitte Sammer erklärt: "Das mag auf den ersten Blick hart klingen, ist aber im Rahmen von Erfolgsprämien rechtlich zulässig."
Das Vergütungsmodell ist damit transparent und rechtlich abgesichert, wird aber nicht von allen Seiten kritiklos gesehen. Kontrolleure übernehmen nämlich auch viele andere Aufgaben, die nicht prämienwirksam sind: Sie helfen bei Störungen, informieren Fahrgäste bei Notfällen oder Sperren und sind oft Ansprechpartner, wenn etwas schiefgeht. Das alles kostet Zeit – wird aber nicht in der Prämienberechnung berücksichtigt.
Überstunden sollen bei den Kontrolleuren auch an die Leistung gekoppelt sein. Wer besonders viele Aufgriffe hat, kann offenbar leichter Zusatzdienste übernehmen. Ein Gewerkschafter schätzte damals, dass rund 150 bezahlte Aufgriffe pro Quartal nötig sind, um für Überstunden berücksichtigt zu werden.
Die Wiener Linien erklärten dazu, dass Überstunden grundsätzlich nur bei "wirtschaftlicher Notwendigkeit" vergeben würden, und dass mehrere Faktoren bei der Entscheidung eine Rolle spielen. Eine fixe Quote gebe es nicht. Ob und wie diese Praxis heute gehandhabt wird, könnte die angekündigte Stellungnahme klären.
Kontrolleure sind im Alltag viel mehr als "Fahrscheinkontrolleure". Sie sind erste Ansprechpartner, wenn es zu Zwischenfällen kommt, deeskalieren Konflikte und tragen Mitverantwortung für die Sicherheit in Wiens Öffis. Dass dieser Job nicht immer einfach ist, steht außer Frage.
Die Wiener Linien reagierten auf "Heute"-Anfrage mit einer ausführlichen Stellungnahme zur laufenden Berichterstattung über das Prämienmodell bei Fahrscheinkontrollen.
"Bis zu 100 Kontrollorinnen sind täglich im gesamten Netz der Wiener Linien unterwegs. Ein dickes Fell, Fingerspitzengefühl und Menschenkenntnisse sind dabei Teil der Grundausrüstung für den Job", erklärt eine Sprecherin. "Vergangenes Jahr haben die Kolleginnen, die meist in Zivil in Zweier- oder Dreierteams unterwegs sind, rund 3,5 Millionen Fahrgäste nach ihrem Ticket gefragt. Die größte Fahrgemeinschaft Wiens ist nach wie vor sehr ehrlich: Rund 96,6 Prozent der kontrollierten Fahrgäste konnten ein gültiges Ticket vorweisen, 3,4 Prozent hatten entweder kein oder ein falsches Ticket dabei.
Auch zu den Prämien äußerte sich das Unternehmen klar: "Die von campus a genannten Zahlen sind korrekt. Die Wiener Linien machen daraus jedoch kein Geheimnis, da alle Details zur Prämienregelung öffentlich und transparent im Kollektivvertrag einsehbar sind."
Zudem wird betont: "Überstunden sollen im Arbeitsalltag nicht die Regel sein. Die Kontrollor*innen können einmelden, dass sie bereit sind, Überstunden zu leisten. Dies wird bei der Vergabe der Dienste mit weiteren Faktoren wie Wirtschaftlichkeit/Notwendigkeit zur Planung herangezogen. Es gibt keine Quote, ab der Überstunden geleistet werden dürfen."