Wenn die meisten Wiener noch schlafen, arbeitet Andreas Kaschik bereits an neuen Rezepten: Als Produktentwickler in einer Bäckerei beginnt sein Arbeitstag in der Nacht. Tagsüber aber gehört seine Zeit ganz seiner Leidenschaft – dem Wandern. Dann zieht es den 47-Jährigen hinaus ins Wiener Umland, bis nach Niederösterreich.
In Wien selbst hat Kaschik längst alle 14 Stadtwanderwege erobert. Doch seine Entdeckungstouren durch die Stadt sind damit noch lange nicht vorbei. "Straßenbahnen haben mich schon immer fasziniert", erzählt er. Vor drei Jahren kam ihm deshalb eine besondere Idee: die Strecken der Bim zu Fuß abzugehen, von der Endstation bis zum anderen Ende der Linie. Schritt für Schritt entlang der Gleise, wo sonst die Straßenbahn ihre Runden dreht.
Seinen Anfang nahm das ungewöhnliche Projekt auf der Linie 60. Vom Westbahnhof bis nach Rodaun folgte Kaschik den Gleisen der Bim – seine bislang längste Tour. Rund 13 Kilometer legte er dabei in drei Stunden zurück. Weitere Linien folgten: Entlang des 41ers wanderte er vom Schottentor bis nach Pötzleinsdorf, eine Strecke von etwa fünf Kilometern. Danach nahm er sich die 6er-Linie vor und spazierte von der Burggasse bis zur Geiereckstraße – sieben Kilometer. Auch den 71er hat Kaschik bereits zu Fuß erkundet: von Kaiserebersdorf bis zum Schottenring.
Ganz ohne Vorbereitung geht Kaschik nicht auf Tour. "Ich plane jede Strecke genau, schaue mir an, wo die Linie verläuft, welche Sehenswürdigkeiten am Weg liegen, wie viele Stationen es gibt und durch welche Bezirke die Bim fährt", erzählt er. Denn so simpel, wie es klingt, ist das Wandern entlang der Straßenbahngleise nicht. "Die Schienen biegen oft ab oder kreuzen sich mit anderen Linien. Wenn man nicht aufpasst, läuft man plötzlich der falschen Route hinterher", spricht der Wiener aus Erfahrung.
Ein besonderer Höhepunkt seines Projekts war die Wanderung entlang der 10er-Linie. Am Faschingsdienstag marschierte Kaschik von Dornbach bis Unter St. Veit – verkleidet im Einhornkostüm. "Grundsätzlich gefallen mir vor allem jene Strecken, die länger sind und ins Grüne führen, etwa nach Pötzleinsdorf oder Grinzing", sagt er.
Seine Erlebnisse hält der passionierte Wanderer in Videos fest, die er auf Youtube und Facebook teilt. Dort sollen sie Menschen dazu inspirieren, Wien einmal aus einer anderen Perspektive zu entdecken. Als Nächstes stehen die Linien 1 und 2 auf seinem Plan. Doch das große Ziel bleibt: alle derzeit 28 Wiener Straßenbahnlinien zu Fuß zu erkunden. Zehn fehlen ihm noch.
Und selbst wenn dieses Vorhaben abgeschlossen ist, wird es für Kaschik wohl nicht langweilig. Denn das Wiener Öffi-Netz wächst weiter: Derzeit entstehen etwa die neue Linie 12 in der Leopoldstadt und die Linie 27 (Floridsdorf-Donaustadt). "Die werden dann natürlich auch noch ins Repertoire aufgenommen", sagt er schmunzelnd.