Politik

Austro-Türken: Groteske um Doppel-Staatsbürger

Nach dem Referendum fordern Politiker in Österreich: Weg mit Doppel-Staatsbürgerschaften von Austro-Türken. Aber: Das geht gar nicht.

Heute Redaktion
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Nach Belgien ist Österreich zweitstärkste Hochburg in Europa für den "Sultan vom Bosporus". 73,2 Prozent der Austro-Türken stimmten am vergangenen Sonntag beim Referendum für "Ja". In Wien war die Zahl der Unterstützer für Recep Tayyip Erdoan noch größer: Hier sagten 74,6 Prozent "evet".

Die Vermutung: Viele Türken in Österreich besitzen sowohl die österreichische, als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Sie können also doppelt wählen und abstimmen, für Österreich – und für ihre Heimat Türkei, wie eben beim Referendum.

Warum keine Kontrolle vor Konsulat?

Nun fordern Politiker nach dem Ergebnis der Abstimmung: Weg mit zwei Pässen für Austro-Türken. "Ich bin entsetzt, dass die Regierung die Möglichkeit nicht genutzt hat, diese Doppelstaatsbürger zu identifizieren", sagte FP-Chef Heinz-Christian Strache im Interview mit "Heute". "Natürlich ist diesen die österreichische zu entziehen".

Was Strache meint: Man hätte Austro-Türken etwa bei den Konsulaten (hier konnten sie ihre Stimme abgeben) kontrollieren und so feststellen können, ob sie zwei Pässe besitzen.

Ein genauer Blick bietet aber ein groteskes Bild: Es gibt derzeit praktisch keine Möglichkeit zu kontrollieren, ob jemand Doppelstaatsbürger ist.

Die Fakten

- Zahl unklar: Zunächst einmal weiß nicht einmal das Innenministerium, von wie vielen Menschen wir reden. Wie viele Austro-Türken es gibt, wie viele stimmberechtigt sind, kann das Ministerium nicht einmal schätzen. Alle Angaben (etwa beim Referendum 108.561 Wahlberechtigte) kommen von türkischer Stelle.

- Doppelstaatsbürgerschaft legal Wer etwa schon vor den entsprechenden Gesetzesänderungen (die meisten vor 5 bis 6 Jahren) schon zwei Pässe besaß, kann das bis in alle Ewigkeiten tun. Es ist nicht illegal.

- Lügen hilft Wer in Österreich die Staatsbürgerschaft beantragt, muss eidesstaatlich erklären, dass er keine andere Staatsbürgerschaft besitzt. Aber: Überprüft wird das nicht, man muss es glauben. Legt eine Bewerber Dokumente vor, lässt sich in der Regel nicht checken, ob sie echt sind.

- Überprüfung illegal In Österreich herrscht keine Ausweispflicht. Ein Polizist etwa benötigt einen "begründeten Verdacht" (auffälliges Verhalten, auffällige Kleidung), um von einer Person den Ausweis verlangen zu dürfen. Zurück zum Konsulat: Die Polizei konnte also nicht Türken, die ihre Stimme abgeben wollten, willkürlich anhalten und überprüfen.

- Verfahren als Sackgasse Liegt ein "begründeter Verdacht" auf Doppelstaatsbürgerschaft vor (etwa bei der Heeres-Musterung), kann ein "Feststellungsverfahren" eingeleitet werden. Der Betreffende wird gefragt: "Besitzen sie eine weitere Staatsbürgerschaft?" Sagt er (auch wahrheitswidrig) "Nein", ist das im Falle der Türkei kaum zu überprüfen. Man muss es einfach glauben. Türkische Behörden geben Österreich einfach keine Auskunft darüber.

Jetzt will Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegensteuern. Er droht Doppelstaatsbürgern mit Strafen bis zu 5.000 Euro, will aber potentiell Betroffenen vorab einen Brief schreiben. Hier lesen Sie das Interview dazu.

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