Coronavirus

Bananenprotein könnte gegen alle Coronaviren helfen

Laut einem Linzer Forscherteam soll ein aus Bananen stammender Stoff gegen alle Coronaviren helfen. Selbst Mutationen scheinen ihm nichts auszumachen.

Ein Stoff, der ursprünglich in Bananen vorkommt, weckt Hoffnungen auf einen Universalwirkstoff gegen Coronaviren.
Ein Stoff, der ursprünglich in Bananen vorkommt, weckt Hoffnungen auf einen Universalwirkstoff gegen Coronaviren.
Michael Mata / PA / picturedesk.com

Im Kampf gegen Sars-CoV-2 bringt ein internationales Forschungsteam einen neuen Wirkstoffkandidaten ins Spiel: H84T-BanLec. Dabei handelt es sich um eine Verbindung, die ursprünglich aus Bananen stammt und für den Einsatz gegen Coronaviren verändert wurde. Wie das Team im Fachjournal "Cell Reports Medicine" schreibt, soll H84T-BanLec nicht nur gegen Sars-CoV-2, sondern auch gegen einige andere Coronaviren wirken.

An der Studie waren Wissenschaftler der Universität Hongkong, der University of Michigan, der Johannes Kepler Universität Linz und anderer Institutionen beteiligt. Das gibt es über die von ihnen gewonnenen Erkenntnisse zu wissen:

Was ist H84T-BanLec für ein Stoff?

H84T-BanLec ist ein Protein aus der Gruppe der Lektine, das seinen Ursprung in Bananen hat. Daher auch der Namensteil "BanLec". Lektine haben die Fähigkeit, sich an spezielle Kohlenhydratstrukturen (Glykane) zu binden. Dadurch sind sie in der Lage, sich spezifisch an Zellen zu binden und von dort aus biochemische Reaktionen auszulösen.

Was kann H84T-BanLec gegen Sars-CoV-2 ausrichten?

Coronaviren tragen auf ihrer Oberfläche solch spezielle Kohlenhydratverbindungen, die die Lektine anziehen. So ist auch das Spike-Protein von Sars-CoV-2 von Glykanen überzogen. Die Forschenden haben das H84T-BanLec so verändert, dass es sich vornehmlich an genau diesen Kohlenhydratverbindungen auf der Virusoberfläche anlagert. Weil sie dieses damit quasi verkleben, wird verhindert, dass zum Beispiel Sars-CoV-2 mit seinem Spike-Protein an den menschlichen Zellen andockt und in der Folge in sie eindringt.

Warum musste H84T-BanLec erst verändert werden?

Weil es unverändert das Immunsystem des Körpers auf ungünstige Weise stimulieren kann, indem es die T-Zellen (siehe Box) in eine ungerichtete Alarmbereitschaft versetzt. Passiert das, kann es "eine überschießende Antwort des Abwehrsystems und damit unerwünschte Entzündungen hervorrufen", zitiert die APA die Forschenden. Das schlossen die Forschenden durch punktgenaues molekulares Anpassen der Verbindung aus.

Die Bausteine des Immunsystems
Das menschliche Immunsystem kann auf zwei Arten auf Erreger reagieren: mit Antikörpern und sogenannten Gedächtniszellen.
Bei Antikörpern handelt es sich um Proteine (Eiweisse) aus der Klasse der Globuline, die in Wirbeltieren von den Plasmazellen als Reaktion auf bestimmte Stoffe (Antigene) gebildet werden.
Gedächtniszellen sind spezialisierte Lymphozyten, die nach einem Kontakt mit einem Antigen über lange Zeit (Monate bis Jahre) ruhen können. Sie werden nur reaktiviert, wenn sie wieder auf die entsprechenden Antigene treffen. Hierbei unterscheidet man zwischen T-Gedächtniszellen, die andere infizierte Zellen abtöten, und B-Gedächtniszellen, die je nach Bedarf mehr Antikörper bilden. Beide stellen das sogenannte immunologische Gedächtnis dar.

Gelingt das auch?

Ja, zumindest in Labor- und Tierstudien. Die Forschenden konnten mithilfe hochauflösender Rasterkraftmikroskope verfolgen, was H84T-BanLec in den verwendeten Proben bewirkte. So konnten sie die Stellen auf dem Spike-Protein identifizieren, wo H84T-BanLec andockt und beobachten, dass es "alle getesteten Coronaviren wirksam hemmt" und so "den Eintritt des Virus in die Wirtszellen verhindert".

Die Verbindungen zwischen Virus und H84T-BanLec seien sehr stark und vielfältig, zitiert die APA aus der Studie. Das mache es Sars-CoV-2 entsprechend schwierig, sich etwa durch Mutationen vor dem Anlagern der Lektine zu schützen. Es würde dementsprechend zahlreiche Veränderungen des Spike-Proteins brauchen, damit H84T-BanLec seine Funktion nicht mehr erfüllt. Das sei aber "unwahrscheinlich", so das Linzer Team. Selbst Versuche, gezielt resistente Viren zu erzeugen, hätten zu keiner Variante geführt, gegen die H84T-BanLec wirkungslos sei.

Die Forschenden konnten zudem zeigen, dass H84T-BanLec auch gegen weitere saisonale und epidemische Coronaviren wie Sars-1 oder Mers sowie gegen Influenzaviren eingesetzt werden kann, die ebenfalls die speziellen Kohlenhydratstrukturen aufweisen.

Wie wichtig ist H84T-BanLec?

Die Forschenden haben zumindest große Hoffnungen. Fachleute gehen davon aus, dass in Zukunft weitere Sars-CoV-2-Varianten und auch andere Coronaviren auftreten werden. Die Befürchtung: Einige dieser noch unbekannten Erreger könnten Resistenzen gegen bestehende antivirale Mittel aufweisen. Daher werden dringend sogenannte "Pan-Coronavirus"-Antiviren benötigt, um auf diese neuen Bedrohungen vorbereitet zu sein.

Wirkt H84T-BanLec nur gegen Coronaviren?

Nein. Ebenfalls modifiziert kann es auch gegen Hepatitis-C-, HIV- und Herpesviren eingesetzt werden, wie ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam im Jahr 2015 berichtete. Auch ein Einsatz im Kampf gegen Ebola ist laut mehreren Studien möglich.

Wann wird H84T-BanLec zum Einsatz kommen?

Das ist noch unklar. Zunächst ist geplant, H84T-BanLec in klinischer Qualität herzustellen, um es am Menschen testen zu können. Die klinischen Studien sollen über Nasensprays oder Tropfen erfolgen. In deren Rahmen soll auch ein Einsatz gegen Krebs untersucht werden, dessen Zellen ebenfalls Glykane auf ihrer Oberfläche tragen.

Nichtsdestotrotz haben die Forschenden bereits konkrete Vorstellungen, was die Anwendung angeht: "Da H84T-BanLec bekanntermassen auch gegen andere Viren wie Grippeviren wirksam ist, könnte die intranasale Verabreichung von H84T-BanLec eine besonders nützliche Gegenmassnahme bei saisonalen Ausbrüchen von Atemwegsviren werden", heißt es in einer Mitteilung.

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