Politik

Das steht wirklich in der Kurz-Biografie

Im Vorfeld gab es vor allem Spott und Häme für die autorisierte Biografie von Sebastian Kurz. "Heute.at" hat sie gelesen.

Heute Redaktion
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Ob sich Judith Grohmann mit dem Prolog zu ihrer autorisierten Biografie über Sebastian Kurz einen Gefallen getan hat, kommt wohl auf die Betrachtungsweise an. Einerseits erfuhr ihr Werk über den ÖVP-Chef und jüngsten Altkanzler der Welt viel Aufmerksamkeit, andererseits schwappten fast ausschließlich Hohn und Spott durch die Medien.

"Diese dunkelbraunen Haare, die streng nach hinten gekämmt waren, und die kleine, spitze Nase, die aus seinem Gesicht hervorlachte. Der Mann, der hier lässig an der Türe lehnte, war fast einen Meter neunzig groß." So beschreibt Grohmann Sebastian Kurz im ersten Kapitel des Buches. Es sind Sätze wie dieser, die ihr regelrecht um die Ohren gehauen wurden. Das sei auf dem Niveau eines Schulaufsatzes, hieß es an mancher Stelle.

Wer aber 250 Seiten "50 Shades of Kurz" erwartet hat, liegt daneben.

Wohlwollend

Nach dem Prolog, in dem Grohmanns erste Begegnung mit Kurz viel zu lang und viel zu pathetisch ausgewalzt wird, folgt eine relativ geradlinige Zusammenfassung seines Werdegangs. Kritische Distanz kann man der Autorin trotzdem nicht unterstellen. Sie beschreibt den ÖVP-Chef als "beinharten Macher einer neuen, modernen, sensiblen Politik". Er überzeuge "auch nach den härtesten Prüfungen, die ihn seine Regierungspartner sowie die Oppositionsparteien durchlaufen lassen".

Sebastian Kurz
Die offizielle Biografie
von Judith Grohmann
Hardcover, 250 Seiten
FBV Verlag
11. September 2019, 24,99 Euro

Der Weg von der Jugendorganisation der ÖVP über die Posten des Staatssekretärs und Außenministers bis hin zum ÖVP-Obmann, Bundeskanzler und Altkanzler wird von ÖVP-Weggefährten wohlwollend kommentiert, darunter Michael Spindelegger, Josef Pröll, Manfred Juraczka, Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie der Volkspartei, und Sebastian Kurz' Eltern.

Besonders wenn es um die Kindheit des späteren Kanzlers geht, lässt sich Grohmann aber zu übertrieben wirkenden Passagen hinreißen. So sei Kurz ein Baby gewesen, "das auf der Überholspur fuhr" und "in seiner Entwicklung anderen Kindern um Längen voraus" war.

"Während die meisten Babys mit zwölf bis 18 Monaten das Laufen erlernen, konnte Sebastian Kurz bereits mit zehn Monaten gehen und ab dann auch ständig in der Wohnung herumlaufen", lässt sie wissen. Die ersten kompletten Sätze habe der kleine Sebastian bereits mit einem Jahr gesprochen. Tiere liebte er sowieso.

ÖVP-Spin

Sobald es politisch wird, rattert die Autorin im Wesentlichen die ÖVP-Version der Ereignisse herunter, gestützt von vielen Zitaten aus Zeitungen. Sie bedient sich unter anderem bei der "Zeit", der "Presse", dem "Standard" und dem "Profil". Auf diese Weise kommen Kommentatoren wie der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier ausführlich zu Wort. Kritik am "Macher" Kurz kommt zwar vor, wird aber entweder nur alibihalber erwähnt oder sogleich mit positiven Stimmen beiseite gewischt.

Das geht anhand eines konkreten Beispiels etwa so: Die Ablehnung des Migrationspaktes der türkis-blauen Koalition sei international auf viel Kritik gestoßen. Grohmann urteilt aber: "Es ging der österreichischen Regierung jedoch darum, die Entstehung von Gewohnheitsrecht zu verhindern, und darum, dass europäische Gerichte dieses Gewohnheitsrecht als geltendes Recht in ihren Urteilen auslegen könnten."

Sogar die berühmt-berüchtigte "Message Control" wird erwähnt. Statt aber detailliert auf die türkis-blaue Kommunikationsstrategie mit ihren inszenierten Meldungen einzugehen, darf Sebastian Kurz selbst in einem von vielen direkten Zitaten gegenüber der Autorin erklären: "Was wir getan haben als Regierung, würde ich immer wieder so machen. Denn ich glaube, dass das auch gut für ein Land ist: nämlich alles zu versuchen und dass die Regierung mit einer Stimme spricht."

Die Kurz-Version

Und Kurz' Wort – so hat es den Anschein – ist in diesem Buch das letztgültige. Als der Misstrauensantrag gegen die Übergangsregierung unter dem ÖVP-Chef zur Sprache kommt, bleibt nicht unerwähnt, dass "er selbst über die Medien hatte verlautbaren lassen, dass er der Opposition Zugeständnisse machen würde: 'Meine Hand ist ausgestreckt. Ich habe alle Punkte, die beim Bundespräsidenten deponiert wurden, bereits aufgegriffen. Ich habe versucht, hier klarzustellen, wie ich die Aufgabe einer Übergangsregierung sehe. Ich bin auf alle zugegangen.'" Die Kritikpunkte seitens der Opposition an den Vorschlägen werden mit keiner Silbe erwähnt.

Im letzten Kapitel lässt Grohmann den bisherigen Nationalratswahlkampf Revue passieren – und damit auch die ÖVP-Erzählung, Kurz werde von allen Seiten "angepatzt". Die "Schredder-Affäre" und die von der Volkspartei selbst ins Scheinwerferlicht bugsierten Verschwörungstheorien eines rechtsextremen Blogs ("Kurz als Kinderporno-Darsteller") sind zwei Beispiele.

Keine Heiligensage

Was bleibt also? Sehr, sehr wenig "50 Shades of Kurz", dafür eine sehr, sehr wohlwollende Nacherzählung der bisherigen Karriere von Sebastian Kurz, in der er von Weggefährten gelobt wird und die Ereignisse selbst kommentieren darf. Einseitig und wenig gehaltvoll, aber keine "Vita des heiligen Sebastian", wie das Buch von einer Zeitung genannt wurde.

Die Schulaufsatz-Sprache vom Anfang bricht aber doch manchmal durch. Der vorletzte Satz des letzten Kapitels gibt etwa Rätsel auf: "Dass insbesondere die Oppositionsparteien sich dagegen wehren würden, wenn er bei den Wahlen im Herbst erneut gewinnen würde, war ebenfalls logisch." Einmal von der unglücklichen Satzstellung abgesehen: Wie sollten sich die anderen Parteien gegen einen demokratisch gewählten Wahlsieger wehren? Egal, der Abschluss fällt kämpferisch aus: "Doch für Sebastian Kurz war klar, dass er sich all dem stellen würde."