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"Booster können Fallzahlen nicht ausreichend bremsen"
Die Schweiz macht Druck mit der Drittimpfung. Die neue Welle könne man damit aber nicht brechen, sagt der Basler Kantonsarzt.
Laut Modellen der wissenschaftlichen Corona-Taskforce der Schweiz könnten in den nächsten Wochen die Spitäler an ihre Grenzen stoßen. "Der Winter wird auf jeden Fall schwierig", sagte Taskforce-Chefin Tanja Stadler der "SonntagsZeitung".
Aufgrund der wieder rasch ansteigenden Fallzahlen reagieren jetzt die Verantwortlichen – zumindest bei den Drittimpfungen. Beim sogenannten "Booster" soll es jetzt schnell gehen.
Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Impfkommission, sagt, der Zugang zur Drittimpfung werde der breiten Bevölkerung noch in diesem Jahr möglich sein – sobald alle über 65-Jährigen, die dies wollen, den Booster abgeholt haben. Laut "SonntagsBlick" fällt ein Entscheid bereits am Mittwoch.
Drittimpfung wirkt
Der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen, der im Vorstand der Vereinigung der Kantonsärzte sitzt, begrüßt die Ausweitung der Drittimpfungen. "Das hilft zweifellos mit, die Krankheitslast und damit auch die Belastung der Spitäler zu reduzieren", sagt er zu "20 Minuten".
Steffen zitiert eine israelische Studie, wonach von rund 700.000 doppelt geimpften Personen 231 Menschen wegen einer Corona-Erkrankung innerhalb von zwei Monaten hospitalisiert werden mussten. "Bei gleich vielen dreifach Geimpften waren es hingegen nur 29 Menschen."
Steffen warnt aber vor überzogenen Erwartungen. "Der Einsatz des Boosters kann – und dies muss klar gesagt werden – den jetzigen raschen Anstieg der Fallzahlen nicht ausreichend bremsen." Drei Faktoren seien entscheidend: mehr Erstimpfungen, eine Anpassung der Schutzmaßnahmen und die Booster-Impfungen. "Man wird, wenn möglich, alle drei Bereiche zügig zur Anwendung bringen müssen, um einen ausreichenden Effekt zu erzielen." Das heißt: "Es wird wieder Anpassungen bei den Maßnahmen brauchen", so Steffen.
"Situation droht zu entgleiten"
Dass die Auffrisch-Impfungen nicht reichen werden, befürchtet auch GLP-Nationalrat Martin Bäumle. In seinem Modell warnt er: "Die Situation droht immer mehr zu entgleiten – ohne Gegensteuer wird es innerhalb zwei bis drei Wochen kritisch." Neben einer Impfquote von 80 Prozent, Boostern, Luftqualitäts-Messungen und Kinder-Impfung ist für Bäumle eine Ausweitung der Zertifikatspflicht eine Option: In Innenräumen mit ungenügender Luftqualität käme demnach nur rein, wer ein 3G-Zertifikat besitzt. Also auch ins schlecht belüftete Büro.
Trotz allem ist Bäumle optimistisch: Mit Boostern und Aerosol-Kontrolle sei ein Ende der Pandemie im Frühjahr 2022 absehbar.
Da in der Schweiz die 2G-Regel "kurzfristig nicht sehr wahrscheinlich" sei, sind für Kantonsarzt Thomas Steffen "die Maskenpflicht am Arbeitsplatz oder an den Schulen sowie eventuell Personenbegrenzungen bei Veranstaltungen" ein denkbarer Weg. Sein Kollege, der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri, bringt zusätzlich noch Homeoffice ins Spiel. "Sinnvoll wäre, wenn wir baldmöglichst mit dem gezielten Nachjustieren beginnen", so Steffen.
Die Frage nach einer Verschärfung der Maßnahmen dürfte im Bundesrat kontrovers diskutiert werden. Umso mehr, da neue Maßnahmen den Gegnern des Covid-Gesetzes, das am 28. November an die Urne kommt, Auftrieb geben könnten.
FDPler warnt vor Alarmismus
FDP-Nationalrat Marcel Dobler geht deshalb davon aus, dass der Bundesrat vor der Abstimmung keine Verschärfungen mehr beschließen wird. Ohnehin seien diese nicht angebracht, sagt Dobler auf Anfrage. Noch sei der Anteil der Covid-Fälle auf den Intensivstationen mit 14 Prozent tief. Zudem sei die kritische Grenze von 80 Hospitalisationen pro Tag noch weit weg. Im 7-Tage-Schnitt verzeichnete das BAG Anfang November 31 Hospitalisationen pro Tag. Dobler ist überzeugt, dass die Booster-Impfung gerade bei den besonders Gefährdeten den Schutz weiter gewährleisten werde.