Äußerst simpel, aber genial: Der Shooter "Superhot" begeisterte 2016 mit dem Konzept der Zeitmanipulation. So schritt die Zeit im Spiel nur fort, wenn sich die Spielfigur fortbewegte oder auf Feinde schoss, stand jedoch still, wenn man die Spielfigur nicht steuerte. Statt wildem Geballer war im Shooter dadurch taktisches Vorgehen angesagt. Nun, neun Jahre später, dreht "Cold VR" dieses Konzept um und zeigt sich als intensiver VR-Shooter mit Zeitlupen-Twist. Zu haben ist das Werk eines einzelnen Entwicklers unter dem Titel Allware für PC-VR und Meta Quest – auf der Plattform Steam hat der Entwickler eine Demo zum Testen bereitgestellt.
Das Besondere an "Cold VR" ist die Zeitlupenfunktion, anders als in "Superhot" bleibt die Zeit in "Cold VR" aber niemals vollkommen stehen. Aber: Die Zeit vergeht langsam, wenn du dich bewegst, und beschleunigt sich, wenn du stillstehst. Das bedeutet, dass du ständig in Bewegung bleiben musst, um den Kugeln der Gegner auszuweichen und selbst anzugreifen. Diese Mechanik sorgt für ein intensives und dynamisches Spielerlebnis, das dich ständig in Atem hält. Die Optik und das Rundherum unterscheiden sich zwar immens von einem "Doom", in Sachen Gameplay sind die rasanten Shooter aber durchaus miteinander zu vergleichen.
Dass "Superhot" das große Vorbild ist, kann "Cold VR" auch optisch nicht bestreiten. Auch der VR-Titel setzt aus ein Low-Poly-Design mit starkem Fokus auf einige, wenige Farben – und immer mal wieder werden zwischen Levels horrorlastige Live-Action-Elemente eingebaut. In diesen "Hinterzimmer"-Passagen wechselt die Optik gerne ins Dunkle, stellt die Farben Rot und Schwarz in den Vordergrund und lässt uns zwischendurch auch Kreaturen erleben, die fast von einem Kind hingekritzelt als im Low-Poly-Design erscheinen. Das Setting lässt lange Zeit rätseln, das Missionsziel in "Cold VR" ist dagegen von Anfang an klar: Alle Gegner besiegen.
Zu vernachlässigen ist die Handlung. Zum Spielstart steigt man erzählerisch in das Allware OS System ein, das Künstliche Intelligenz mit immersiven Simulationen verbinden will. Ein Video-Hilferuf fordert uns daraufhin auf, eine Simulation namens "Cold VR" zu starten, denn wir seien der oder die Einzige, die "einzige Hoffnung", um noch zu helfen. "Cold VR" stellt sich im Spiel allerdings als Simulation heraus, in der Fehler zu irreversiblen Hirnschäden führen könnten. Unsere Spielfigur hält das natürlich keine Sekunde auf und schon sind wir in einer Simulation namens "Cold VR" innerhalb des Spiels "Cold VR". Verwirrt? Keine Sorge, es wird noch mehr.
In der Ingame-Simulation nimmt ein Allware-Mitarbeiter (ja, der heißt ebenfalls so wie der echte Entwickler) mit uns Kontakt auf und berichtet, die Künstliche Intelligenz All.OS geschaffen zu haben, die außer Kontrolle sei und eine Simulation erstelle, die so realistisch sei, dass sie nicht mehr von der Realität unterschieden werden könne. Und da hinein solle nun die Menschheit gesteckt werden – "Matrix" lässt grüßen, dessen Spannung wird aber nie erreicht. Um ehrlich zu sein: Nachdem uns der Bittsteller per Diskette in ein Training geschickt hatte, konzentrierten wir uns ausschließlich auf das Gameplay und folgten den Geschehnissen nur noch am Rande.
Positiv dafür: Die Levels sind abwechslungsreich gestaltet und bieten unterschiedliche Herausforderungen. Du musst dich durch verschiedene Umgebungen kämpfen, Gegnerwellen besiegen und spezielle Aufgaben erfüllen. Dabei stehen dir verschiedene Waffen zur Verfügung, die du im Laufe des Spiels freischalten kannst, vom Jedi-Laserschwert über Pistolen bis hin zu Sturmgewehren. Mit diesen darf man die Gegner im Low-Polygon-Look attackieren, die dann in viele kleine Kristalle zerspringen. Dazu kommen Geschicklichkeits-Passagen, bei denen sich bewegende Treppen, Laser-Fallen oder Jump-Pads mit gutem Timing überwunden werden.
Checkpoints in den Levels gibt es keine, wer stirbt, wird komplett an den Anfang der Passage zurückversetzt. In vielen Fällen ist das kein Problem, umso ärgerlich aber bei jenen Missionen, die zehn oder mehr Minuten in Anspruch nehmen. Auch das teilt sich "Cold VR" mit "Superhot", ebenso wie den Spieltod nach nur einem gegnerischen Treffer. Spannend: Dass Schwerter, Pistolen und Gewehre in beiden virtuellen Händen getragen werden können, ermöglicht es Profis, sich ballernd und schnetzelnd durch die Feindesmassen zu kämpfen. Einzig: Stehen bleiben darf man wirklich so gut wie nie, denn dann prasseln Kugeln auf die Spielfigur ein.
Probleme hat "Cold VR" noch, wenn es um die Präzision und das flüssige Gameplay geht. Sich eine neue Waffe aufgrund von Munitionsknappheit zu greifen oder Millimeter genau zu zielen, kann manchmal fummelig, dann wieder ruckelig ausfallen. Schade ist auch, dass man sich nicht die Waffen besiegter Gegner packen kann, sondern immer auf Waffen-Lager in den Levels angewiesen ist. Das unterbricht mehr als nur einmal den Spielfluss und statt uns weiter ins Gefecht zu stürzen, rennen wir um unser Leben, um Nachschub zu besorgen. Abseits dieser Kritikpunkte sind die Umgebungen detailliert gestaltet, der Sound ist ebenfalls gelungen.
Die bereits erwähnten "Hinterzimmer"-Missionen sind wiederum optional, stehen aber im krassen Gegensatz zu den normalen Levels. In ihnen muss man großteils in Dunkelheit gehüllt ein schauriges Labyrinth durchschreiten, in dem man von Kreaturen mit Stacheln gejagt wird. Das spielt sich anfangs interessant, wird aber bald zur Nervenprobe, denn wie in "Silent Hill: The Short Message" gruseln zwar die ersten Durchgänge, scheitert man jedoch mehrmals, will man es einfach hinter sich gebracht wissen. Gut gemacht sind dagegen die Live-Action-Passagen, in denen sich unser Bittsteller auf Monitore in den Levels einblenden lässt und uns Updates gibt.
"Cold VR" ist ein herausforderndes Spiel, das zu Beginn etwas Eingewöhnung erfordert. Die Zeitlupenmechanik braucht einiges an Übung, um sie richtig zu beherrschen. Hat man den Dreh aber raus, begeistern die Gefechte, in denen man Fern- und Nahkampfangriffe verketten kann und schließlich per Jump-Pads über Kugeln und Gegner hinwegfliegt oder sich hinter die nächste Wand hechtet, um Schutz zu suchen. "Cold VR" ist trotz einiger technischer Probleme ein innovativer und spannender VR-Shooter, seiner einzigartigen Zeitlupenmechanik für ein unvergessliches Spielerlebnis sorgt – und der mit Updates noch ganz groß rauskommen kann.