Wien

Czernohorszky für Plastik-Pfand und Klima-Unterricht

Im "Heute"-Interview erzählt Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) wie er Wien grüner machen will und warum Klimaschutz Demokratie-Sache ist.

Louis Kraft
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Klima-Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) im Interview mit "Heute".
Klima-Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) im Interview mit "Heute".
Helmut Graf

Seit 24. November ist Jürgen Czernohorszky (SPÖ) Wiens neuer  Klima- und Umweltstadtrat. Mit der Angelobung der SPÖ-Neos-Regierung übergab er seine bisherigen Agenden Bildung und Integration an Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). Sein Herzensthema, die Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen in die (politische) Zukunft der Stadt hat er aber zum Teil in sein neues Ressort mitgenommen. Im Interview mit "Heute" spricht Czernohorszky über "die größte politische Aufgabe", die man haben kann und wie er Wien bis 2040 klimaneutral machen will.

Heute: Herr Stadtrat, wie geht es Ihnen mit dem Wechsel in ein neues Ressort?

Czernohorszky: "Mir geht es sehr gut. Als ich gefragt wurde, ob ich Umwelt und Klima übernehmen will, habe ich sofort ja gesagt. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Herausforderung die Klimakrise zu schaffen und die gute Lebensqualität auch für unsere Kinder und Kindeskinder zu sichern, die wichtigste unserer Zeit ist. Es gibt keine lohnendere Herausforderung für einen Politiker, als dieses zentrale Zukunftsthema anzugehen."

"Aber sicher: Wenn man etwas abgeben muss, was man gerne gemacht hat, geht das nicht ohne Wehmut. Aber das weinende, rückblickende Auge ist getrocknet. Wir haben uns mit den Neos hohe Ziele gesteckt und das ist ein echtes Ziehen am gemeinsamen Strang. Insofern habe ich jetzt zwei lachende Augen".

"Die letzten zwei Wochen fühlen sich wie zwei Monate an, weil ich die Gelegenheit hatte, unglaublich intensiv mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam zu planen, wie wir diese Riesenziele, die wir uns gesetzt haben, auch auf den Boden bringen. Es geht mir aber auch deswegen gut, weil ich sagen kann, dass ich die Kinder- und Jugendthemen nicht aufgegeben habe, sondern im Gegenteil  gerade jetzt einen Riesenauftrag der Kinder und Jugendlichen auf meinem Schreibtisch liegen habe".

"Heute": Was ist dieser Auftrag?

Czernohorszky: "Wir haben im letzten Jahr nach der 'Werkstadt Junges Wien' im Gemeinderat eine Kinder- und Jugendstrategie beschlossen. Die 'Werkstadt' war das größte Beteiligungsprojekt, das es bisher gegeben hat, 22.500 Kinder und Jugendliche haben mitgemacht. Und ein Großteil der Vorschläge, aber auch der Kritikpunkte fallen in den Bereich der Umwelt- und der Klimapolitik. Das ist für mich ein schönes, aber auch herausforderndes Arbeitspackerl gleich am Beginn".

"Was den Kindern und Jugendlichen besonders wichtig ist, ist deren unmittelbare Lebenssituation, die Stadt als ihr 'Wohnzimmer'. Da gibt es von den Kindern den klaren Auftrag noch mehr beim Thema Grünraum zu tun. Da geht es darum, –dass egal  wo ein Kind aufwächst – es innerhalb von 15 Minuten Gehzeit von der Wohnung einen Park, eine G'stättn oder einen Wald hat. Wir planen hier richtig große Schritte, etwa 400.000 Quadratmeter neue Parks. Mir ist dabei besonders wichtig, dass all diese Maßnahmen gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen geplant werden. Das heißt, sie sind als Experten in eigener Sache bei jeder Umgestaltung von Parks und Spielplätzen dabei. Wir nehmen aus der Strategie aber auch die massive Ausweitung von Wasserspielmöglichkeiten mit. Diese werden wir in den nächsten Jahren verdoppeln. Dazu soll es die Möglichkeit geben, im Park gesund naschen zu können, etwa von Beeren oder Obstbäumen, die wir neu anpflanzen."

"Es gibt keine wichtigere Kompetenz als Klimakompetenz".

"Darüber hinaus ist mir wichtig, dass überall dort, wo Kinder und Jugendliche unterwegs sind,  sie auch beim Thema Klimapolitik mitarbeiten können . Denn es gibt kein wichtigeres Wissen für die Zukunft und keine wichtigere Kompetenz als Klimakompetenz. Daher werden wir die Umweltbildung weiter ausbauen, von der Waldschule bis zu Escape Rooms mit Umweltthemen von der 48er."

"Heute". Sollte Klimaschutz ein Unterrichtsfach in der Schule werden?

Czernohorszky: "Ja, Klimawissen, Klimaschutz und Klimakompetenz müssen zentrale Wissensinhalte in der Schule sein. Wie auch immer das dann gesetzlich umgesetzt wird. Ich bin überzeugt, dass es wichtig, Kindern und Jugendlichen  bewusst zu machen, gemeinsam an Änderungen zu arbeiten. Die Stadt Wien wird hier einen großen Beitrag leisten."

"Heute": Ihre Vorgängerin Ulli Sima (SPÖ) (nur zuständig für Innovation, Stadtplanung und Mobilität, Anm.) hängt weiterhin als Umweltstadträtin auf unzähligen Plakaten und Schildern in der ganzen Stadt. Werden die jetzt ausgetauscht oder sind schon "Czerno-Pickerl" im Druck, die da drüber geklebt werden?

Czernohorszky (lacht): "Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist mein G'sicht sicher mein letztes Anliegen".

"Heute": Sie sind auch Zukunftsstadtrat, wenn Sie in die Zukunft schauen: Wie steht Wien heute in einem Jahr da? 

"Bis 2040 soll Wien klimaneutral werden. Das ist die größte politische Aufgabe unserer Zeit".

Czernohorszky: "Heute in einem Jahr sind wir einen wesentlichen Schritt weiter: Bis dahin haben wir weitere wichtige Werkzeuge in der Hand, um Wien bis 2040 klimaneutral zu machen. Unser Ziel ist, dass es dann nicht mehr CO2-Ausstoß gibt als unsere Pflanzen binden können. Das ist die größte politische Aufgabe unserer Zeit. Damit das aber auch erreicht wird, braucht es konkrete Maßnahmen - Jahr für Jahr, Projekt für Projekt und in jedem Politikbereich. Die großen Drehschrauben dazu sind ein eigenes Klimabudget, ein Klimagesetz und ein eigenes Treibhausgasbudget. Darin ist festgelegt, wie viel Treibhausgase wir als Stadt ausstoßen können, damit wir unsere Ziele erreichen. Und wenn das nicht klappt, dann müssen wir manche Projekte neu denken."

"Ein Klimapolitiker braucht Kritik, braucht den Stachel im Fleisch".

"Mit unserem Klimagesetz sind wir in Österreich absoluter Vorreiter. In den kommenden Wochen geht es nun darum, in enger Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten den Prozess zu definieren. Dabei werden nicht nur die Inhalte und Ziele festgelegt, sondern natürlich auch die Folgen. Denn das Ganze  macht nur Sinn, wenn das Nicht-Erfüllen der Ziele auch klare Sanktionen zur Folge hat. Aber alles was wir angehen, will ich mit den Wienerinnen und Wienern angehen. Daher war mein erstes Treffen ein Gespräch mit Vertretern von 'Fridays for future'. Dabei haben wir über bestmögliche Partizipation gesprochen., Ich nehme Kritik sehr ernst und glaube sogar, gerade ein Klimapolitiker braucht den Stachel im Fleisch."

"Ein weiteres Mittel zur Erreichung der Ziele ist auch der Klimacheck, der verpflichtend für jedes neue klimarelevante Vorhaben kommt. Das gilt für einen Brückenbau genauso wie für Schulen oder neue Gemeindebauten. In rund einem Jahr wollen wir erstmals an diesen großen Schrauben drehen. Parallel dazu können wir dann auf das zurückschauen, was wir schon in den nächsten Monaten umsetzen werden.. Etwa den massiven Ausbau an Parks oder die Neupflanzung von 4.500 Bäumen pro Jahr".

"Wenn es darum geht, die Welt zu verändern , darf man auf keinen Fall in Pessimismus verfallen. Menschen können gemeinsam unglaublich viel bewegen. Wirklich stark sind wir, wenn wir uns nicht alleine Sorgen machen, sondern wenn wir gemeinsam für Lösungen kämpfen. Deswegen ist es so wichtig, dass in meinem Ressort das Thema Klima mit dem Thema Demokratie zusammengeht. Ich will dafür sorgen, dass wir gemeinsam den Schritt machen von der Wegwerfgesellschaft hin zur Kreislaufwirtschaft. Das heißt weniger Verpackungsmüll und dass alles, was in Wien gekauft oder weggeworfen wird, recycled wird."

"Die wirklichen Klimasünder sind aber die großen Konzerne, die auf Teufel komm' raus Verpackungsmüll produzieren und die Folgen haben die Wienerinnen und Wiener zu tragen. Hier braucht es gesetzliche Regelungen, etwa ein Pfand."

"Pfand auf Plastikflaschen und Aludosen? Da bin ich absolut dafür!"
Czernohorszky ist für Pfand auf Plastikflaschen und Getränkedosen.
Czernohorszky ist für Pfand auf Plastikflaschen und Getränkedosen.

"Heute". Das heißt, es soll ein Pfand auf Plastikflaschen und Aludosen geben?

Czernohorszky: "Da bin ich absolut dafür. Hand aufs Herz: Niemand kauft gerne Verpackungsmüll. Wir müssen in Österreich dafür sorgen, dass von Anfang an weniger Verpackungsmüll in den Umlauf kommt. Ich will ein starker Partner sein für die regionale Landwirtschaft, für den Greißler oder die Buchhändlerin ums Eck. Auch das ist ein Klimathema und erhöht gleichzeitig die Lebensqualität."   

"Pfand auf Plastik und Alu gibt es schon in sehr vielen Ländern der EU und auch auf Bundesebene gibt es dafür Mitstreiter. Ich sehe das nicht als parteipolitische Frage, der Bund sollte es jetzt auch umsetzen - aber bitte schnell".

"Heute". Würden Sie sagen, es ist besser eine Bio-Paprika aus Spanien zu kaufen oder eine "normale" Paprika aus dem Burgenland? Beides ist nicht super-sauber.

Czernohorszky: "Super-sauber wäre es regional und saisonal einzukaufen. Da sind wir gerade in Wien in einer ausgezeichneten Position: Denn - und das wissen die Wenigsten - Als einzige Millionenstadt weltweit können wir uns während der Saison mit Gemüse selbst versorgen. Bei manchen Produkten, etwa bei Gurken, exportieren wir deutlich mehr, als wir in Wien essen können. Jedes Produkt hat einen ökologischen Fußabdruck und der Konsument muss hier selbst abwägen. Ich setze hier auf Information und habe erst letzte Woche gemeinsam mit der Wiener Tierschutzombudsstelle und Greenpeace einen Guide herausgebracht, über die Qualität von Schweinefleisch und welche Marken die Tierschutzkriterien einhalten. Der traurige Teil: Sehr viele gängige Marken halten die Kriterien nicht ein. Das ist ein Bespiel dafür, dass man zeigen kann, was gut und was nicht gut ist, aber ohne den erhobenen Zeigefinger für die Konsumenten".

"Natürlich kann hier auch die Stadt als Großeinkäufer viel beitragen. Wir haben schon jetzt im Schulessen 50% Bio-Anteil, bei Eiern sind es 100%, das Fleisch stammt ausschließlich aus heimischer Produktion. Auch in den anderen Großküchen der Stadt, etwa den städtischen Spitälern wird der Bio-Anteil weiter ausgebaut. Wir arbeiten aber auch daran, den Lebensmittelabfall gegen Null zu reduzieren".

"Heute". Wie stehen Sie Popup-Lösungen gegenüber? Wären diese nicht auch ein Mittel, um in der Bevölkerung Bewusstsein für Klima und Umwelt zu schaffen?

"Aktionismus kann Augen öffnen, aber für Show bin ich nicht zu haben".

Czernohorszky: "Grundsätzlich gesagt: Wenn man große Ziele erreichen will, ist  es kurzsichtig, dass man bestimmte Mittel  ausschließt. Ich bin aber für nachhaltige Lösungen und nicht für Aktionismus. Aber ich weiß auch, dass Aktionismus die Augen öffnen und auf Dinge hinweisen kann. Ich bin jedenfalls für Pragmatismus im besten Sinne: Die Auswahl der Mittel sollte so sein, dass man die Ziele erreicht. Ich bin für alles, was langfristige Wirkungen zeigt, für Show bin ich nicht zu haben".