Ob sich die Beziehungen der USA und der Ukraine nach dem Streit zwischen Donald Trump, Vizepräsident JD Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in nützlicher Frist wieder erholen, ist völlig unklar: Die beiden Staatschefs lieferten sich am Freitagabend vor laufender Kamera ein Wortgefecht im Oval Office.
Trump drohte nach dem vorzeitig abgebrochenen Gespräch damit, dass die USA jegliche Unterstützung für die Ukraine einstellen werde. Dies könnte das Ende der Ukraine in ihrer jetzigen Form bedeuten – fast alles hängt davon ab, wie die europäischen Länder vorgehen. Das sind die drei wichtigsten Punkte:
Ende Februar gab die EU-Kommission anlässlich des dritten Jahrestages der russischen Invasion eine Erklärung ab, in der man die "unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine" bekräftigt. Donald Trump hatte in der Vergangenheit behauptet, dass die Vereinigten Staaten total 200 Milliarden Dollar mehr an die Ukraine gegeben hatte als alle EU-Staaten zusammen.
Laut Berechnungen des Kiel Institute belaufen sich alle Hilfsgüter, Munitionslieferungen und weitere Unterstützung Kiews aus der EU aber auf 135 Milliarden Euro, während die USA Waffen und Hilfsgüter im Wert von etwa 120 Milliarden bereitstellten.
Damit könnte man meinen, dass der Hilfe-Stopp der USA zwar ein großer, aber verkraftbarer Schlag für die Ukraine wäre. Jedoch kommt ein Großteil der Waffensysteme, mit denen die ukrainische Armee seit nunmehr drei Jahren die russischen Invasoren zurückhält, von den Staaten und ihrer riesigen Armee.
Europa müsste also gemäß Analysten vor allem ihre militärische Unterstützung für Kiew massiv intensivieren, wenn Donald Trump seine Drohung in die Tat umsetzen würde – um das zu ermöglichen, sehen die Experten mehrere Möglichkeiten.
Die EU-Länder könnten etwa die eingefrorenen Vermögenswerte reicher Russen anzapfen, um mit dem Geld Waffensysteme zu kaufen oder zu ersetzen. Laut Jacob Funk Kirkegaard, einem Forscher der Denkfabrik Bruegel in Brüssel, wäre es für die EU sogar "ein Leichtes", die finanzielle Unterstützung der USA auszugleichen. Nebst den 250 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Vermögen verweist er auf die Möglichkeit, gemeinsam neue Schulden zu machen oder auf bilaterale Spenden zu setzen.
Doch Europa muss in die Gänge kommen – vor allem, da viele EU-Länder ihre eigenen Armeen ausbauen und neu ausrüsten wollen. Daneben noch die ukrainische Armee mit Waffen und Munition zu unterstützen, wie das die USA über lange Zeit getan haben, würde deutlich größere Bestände und eine unbürokratische Abwicklung der Prozesse erfordern.
Immer wieder wird auch die Idee einer europäischen Armee diskutiert – derzeit hat das Konzept so gute Chancen wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. "Es ist jedoch an der Zeit, diese Idee ernsthaft zu überdenken. Die Vereinigten Staaten sind leider nicht daran interessiert, als Garant für die europäische Sicherheit zu fungieren", schreibt Max Bergmann, der Direktor der Denkfabrik CSIS.