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Das geht in den Köpfen der Corona-Spione vor
Hunderte von besorgten Bürgern haben über die Ostertage bei der Polizei angerufen, um Verstöße gegen die Abstandsregeln zu melden. Psychologe Jürg Rüedi ordnet ein.
Herr Rüedi, die Polizei erhält viele Meldungen, dass sich Leute in Gruppen versammeln und nicht an die Abstandsregeln halten sollen. Warum?
Eine Rolle spielt sicherlich, dass man sich sagt: 'Wenn ich mir die Regeln auferlege, dann sollen das die anderen auch tun'. Von einem Verpfeifen kann man im Grunde nicht sprechen: Wir sind in einer Ausnahmesituation, in der wir alle wissen, wie wir uns verhalten müssen, damit wir uns nicht anstecken und in den Krankenhäusern einen Engpass vermeiden.
Verhalten wir uns also nur in Krisenzeiten so, dass wir andere denunzieren?
Es ist kein normales zwischenmenschliches Verhalten, aber wir sind auch nicht in einer gewöhnlichen gesellschaftlichen Situation: Niemand weiß, wie es ausgeht. Niemand weiß genau, wie man sich ansteckt. Reichen die zwei Meter Abstand sicher? Oder sitzt das Virus auf der Türklinke? Diese offenen Fragen erzeugen Stress, Angst und Unsicherheit. Darum melden die Leute Verstöße schneller.
Wieso beschweren sich die Leute nicht häufiger direkt bei der Gruppe, sondern rufen die Polizei an?
Die getadelte Person kann sich ungerecht behandelt fühlen. Spricht man sie direkt an, ist die Konfrontation größer. Man muss den Mut zusammennehmen und die Direktheit haben. Umgekehrt ist die Polizei auch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig. Es ist ihr Auftrag. Es ist auch wichtig, dass man nicht anfängt, Polizei zu spielen, wenn man nicht dafür ausgebildet ist.