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Der Handel blutet, Zahl der Insolvenzen explodiert

Im Halbjahresvergleich hieß es für doppelt so viele Unternehmen "rien ne va plus". Die Teuerung verschärft die Lage weiter.

Clemens Pilz
Unternehmer stehen derzeit stark unter Druck!
Unternehmer stehen derzeit stark unter Druck!
Getty Images

Um jeden Preis wollte die Regierung die Wirtschaft durch die Corona-Krise bringen – großzügige Hilfen, Kurzarbeit und günstige Kredite waren die Folge. Für viele Unternehmen waren die Maßnahmen ein Rettungsanker, die Zahl der Insolvenzen ging stark zurück. Laut Statistik Austria und dem KSV1870 ist die Schonzeit für finanziell schwächer aufgestellte Firmen nun aber eindeutig vorbei. Im Vergleich zu 2021 mussten heuer im ersten Halbjahr nämlich mehr als doppelt so viele Unternehmer W.O. geben!

Laut KSV-Hochrechnung gingen im ersten Halbjahr 2022 in Österreich 2.308 Unternehmen pleite. Das sind rund 118 Prozent mehr, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – allerdings noch immer rund 250 Insolvenzfälle weniger als im Jahr 2019 vor dem Ausbruch der Corona-Krise. Am stärksten war demzufolge der Handel betroffen, vor der Baubranche und der Gastronomie.

Wirtschaft derzeit stark belastet

Durch Teuerung, Inflation, Lieferengpässe, Fachkräftemangel und den Krieg in der Ukraine werde die österreichische Wirtschaft aktuell stark belastet. Der gravierende Anstieg bei den Firmenpleiten sei dennoch vor allem auf die Beendigung der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zurückzuführen, erklärte Karl-Heinz Götze vom KSV1870. Aus Sicht des Kreditschutzverbandes sei diese Situation allerdings sogar zu begrüßen, denn ein Hilfsprogramm nach dem Gießkannenprinzip fördere auch Unternehmen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Gesamtsituation keinen Anspruch darauf hätten.

Massive Teuerung stellt Wirtschaft vor Probleme

Parallel dazu müssten sich die Betriebe im Moment verstärkt mit steigenden Kosten auseinandersetzen: Wie sehr sich die massiven Teuerungen etwa am Rohstoffsektor oder die Inflation auf das Insolvenzwesen auswirken werden, könne erst zu einem späteren Zeitpunkt faktenbasiert eingeschätzt werden – dass es zu Auswirkungen kommen wird, sei jedoch höchstwahrscheinlich. Das Ausmaß hänge auch ein Stück weit von der heimischen Wirtschaftsleistung ab, die im 2. Quartal 2022 immerhin besser als erwartet ausfallen dürfte.

Die meisten Firmenpleiten gab es im ersten Halbjahr 2022 in Wien (798 Fälle), das stärkste Plus gegenüber wurde im Vorjahresvergleich in Vorarlberg (47 Insolvenzen, +193,8 Prozent) verzeichnet. Die höchsten Passiva betreffen die Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH (66,3 Mio.) und die Fertighaus-Firma Scala (24 Mio.).

Das Ranking der Großinsolvenzen 2022 im ersten Halbjahr
Das Ranking der Großinsolvenzen 2022 im ersten Halbjahr
KSV1870

Gewerkschaft schlägt bei EPUs Alarm

Der ÖGB warnt angesichts der Teuerungen bereits vor einer neuen Insolvenzwelle. Vor allem Einpersonenunternehmen (EPUs) seien von der Teuerung stark betroffen. "Es ist anzunehmen, dass in den nächsten Monaten viele EPUs aufgrund der steigenden Preise in die Insolvenz schlittern. Und was tut die Bundesregierung? Sie geht in die Sommerpause und überlässt die Unternehmerinnen und Unternehmer ihrem Schicksal. Stattdessen braucht es dringend auch Entlastungspakete für die vielen tausend Unternehmer im Land", forderte Sumit Kumar, Neo-Generalsekretär von vidaflex, der gewerkschaftlichen Initiative für Neue Selbstständige und EPUs.

Neben direkter finanzieller Entlastung brauche es für die Unternehmerinnen und Unternehmer größeren Spielraum bei der Geltendmachung im Rahmen der Steuererklärung. "Die Kolleginnen und Kollegen brauchen mehr Abschreibungsposten vor allem im Energie- und Mobilitätbereich. Die Kosten dafür gehen durch die Decke", so Kumar. Er fordere neben Sofort-Maßnahmen die Einrichtung einer Taskforce "Insolvenzstopp", die sich der Probleme der Kleinstunternehmer annimmt.