Wien

Wirt rechnet ab: "Gastro beutete Leute über Jahre aus"

Zum Re-Opening des Café Kraus tischt Johannes Schartner burgenländische Taube auf und will beweisen, dass Fine Dining regional und sozial sein kann. 

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Chefkoch Johannes Schartner (30) setzt beim Re-Opening des Wiener Café Kraus auf Regionalität und bietet Mitarbeitern eine Vier-Tage-Woche.
Chefkoch Johannes Schartner (30) setzt beim Re-Opening des Wiener Café Kraus auf Regionalität und bietet Mitarbeitern eine Vier-Tage-Woche.
Helmut Graf

Wenn das Gemüse von "Grünzeug vom Feld" in der Großen Pfarrgasse 7 (Leopoldstadt) ankommt, hat es 47 Kilometer hinter sich. Jeden der regionalen Betriebe auf dem Menü mit exakter Kilometerzahl aufzulisten, ist Teil des neuen Konzepts im Café Kraus. Die Lebensmittel verwandelt Chef Johannes Schartner (30) in einem Fermentationslabor des Lokals in ein sechsgängiges Menü (89 €). Damit will er den Beweis antreten, dass Fine Dining auch ohne weitgereiste Zutaten funktioniert.

Ein Vogel, wie aus Frankreich

Nach einem kurzen Soft Opening ist ab 1. Juli Mittwoch bis Samstag von 18 bis 24 Uhr geöffnet. Fermentiert wird, was gerade Saison hat. Ein Beispiel ist das Rübensteak: Überzieht man das Gemüse mit dem japanischen Schimmelpilz "Koji", entsteht ein intensiver, fleischähnlicher Geschmack. In den nächsten Wochen stehen Tomaten, Süßkartoffeln und Kohlrabi am Speiseplan.

Zu gut, um sie wegzuwerfen, sind die Gemüsereste, die in zwei kleine Sidedishes verarbeitet werden. Fleischspeisen machen nur ein bis zwei Gerichte im Menü aus, wie Zuchttaube aus dem Burgenland. Das französische Original will Schartner nicht importieren lassen. Wozu auch: "Die burgenländische Taube kann mit der französischen definitiv mithalten." Die Innereien des Vogels serviert man den Gästen in einem Taco.  

"Für solche Bedingungen kommt keiner mehr hackeln"

Der massive Personalmangel in der Gastronomie ist auch für Schartner ein großes Thema. Der Chef klagt aber nicht über das Fehlen arbeitswilliger Bewerber, sondern prangert offen Missstände an: "Teildienste und Geschrei wird es bei mir nicht geben. Für solche Bedingungen kommt auch keiner mehr hackeln. Die Branche braucht einen Umschwung", sagt Schartner, der das geforderte Umdenken auch selbst umsetzt.

Seinen Mitarbeitern bietet er eine Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt – und das liegt über dem Kollektivvertrag. "Die Gastro hat die Leute über Jahre ausgebeutet, da will ich nicht mitmachen. Das Personal soll nicht nach einer Saison in Therapie müssen", kritisiert Schartner. Er selbst würde auch nicht täglich 12 Stunden an sechs Tagen die Woche im Lokal stehen wollen. Ob er Probleme bei der Personalsuche hatte? Schartners Antwort ist eindeutig: heftiges Kopfschütteln.