Politik

Doskozil vs. Rendi: warum er jetzt wirklich hinschmeißt

Hans Peter Doskozil macht den "Prinz-Harry-Move" in der SPÖ. Was davor hinter den Kulissen wirklich ablief – ein Backstage-Report von Clemens Oistric.

Clemens Oistric
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"In Freundschaft, Hans Peter" – so beendete Hans Peter Doskozil seinen dreieinhalbseitigen Brief an Pamela Rendi-Wagner samt Ausstieg aus der Bundes-SPÖ. Freundschaft? War es schon lange nicht mehr. Beim Wahlsieg samt absoluter Mehrheit im Jänner 2020 fiel ihm seine Vorsitzende zwar demonstrativ um den Hals, doch mutmaßlich war das eher der Freude über eine persönliche Verschnaufpause der damals angeschlagenen SP-Chefin geschuldet.

Ziemlich beste Freunde: Umarmung nach der Absoluten Mehrheit am 26.1.2020
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Denise Auer

Selbstvertrauen in der Pandemie

Seither ist viel passiert. Rendi-Wagner ging in der Partei aufs Ganze und gewann mit einer gewonnenen Vertrauensabstimmung Luft – und vor allem Zeit. Die Corona-Pandemie spielte der Ärztin und Virologin schließlich in die Karten. Lange passiv, wurde ihre Meinung in den letzten Monaten bei Freund (Michael Ludwig schwenkte auf die Lockdown-Politik ein) und Feind (die Regierung griff Vorschläge wie Wohnzimmertests auf) gehört.

"Dann scheitert immer die Idee"

Vernommen hat man all das auch am Neusiedler See. Doch Doskozil, ein ehemaliger Polizist, hat sein Ohr als Landeshauptmann nah an den Menschen. Populistische Ansagen kämen dabei heraus, unken weniger Wohlmeinende. Wie auch immer, Fakt ist: Immer öfter scherte "Dosko" aus der Corona-Linie seiner Virologinnen-Chefin aus. Forderte in seinem "Plan B" ein Umdenken und griff Rendi-Wagner immer offener an, auch in "Heute". Uns diktierte er: "Der Platz der Sozialdemokratie muss an der Seite derer sein, die unter den Verhältnissen leiden. Und nicht an der Seite derer, die sie aufgrund ihrer privilegierten Situation besonders gut aushalten."

Zero Covid hielt er wortwörtlich für einen "Irrweg", Nachsatz: "Auch einige in meiner Partei liebäugeln damit. Doch wenn man krampfhaft versucht, die Wirklichkeit an die eigenen Ideen anzupassen, scheitert immer die Idee."

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    Der Brief von Hans Peter Doskozil an Pamela Rendi-Wagner im Wortlaut
    Der Brief von Hans Peter Doskozil an Pamela Rendi-Wagner im Wortlaut
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    Der endgültige Bruch

    Seine nächste Idee war dann, den harten Lockdown – gegen die ausdrückliche Empfehlung Rendi-Wagners – im Burgenland abzusagen. Das missfiel auch dem Wiener Bürgermeister, der bei Doskozil zwar Solidarität erkannte, allerdings mit Sebastian Kurz. Hintergrund: Doskozil hatte sich mit dem Kanzler abgesprochen. Eine Kriegserklärung in der SPÖ.

    Ungewohnt harsch dann die öffentliche Reaktion Rendis. "Das ist so", antwortete sie Lou Lorenz-Dittlbacher in der ZiB 2 auf die Frage, ob ihr Landeshauptmann mit den Öffnungen ein zu großes Risiko nehme. Der endgültige Bruch.

    Bei "Heute": Der Bruch auf Video

    Doch einer, der sich abgezeichnet hat: Vor wenigen Wochen habe ich – nach seiner vierten Operation – mit Hans Peter Doskozil ausführlich gesprochen. Auch über Pamela Rendi-Wagner. Dass das Verhältnis zerrüttet ist, versuchte der Landeschef nicht einmal mehr bei laufender Kamera in Abrede zu stellen. Auf die Frage, ob man nicht einmal mehr telefoniere, sagte Doskozil (siehe Videoclip) nach kurzem Zögern offen wie nie: "Es gibt derzeit – aber das ist vielleicht krisenbedingt so – eher wenig Kommunikation." 

    "Es ist die Bevölkerung, die uns den Auftrag erteilt, politisch zu gestalten oder eben nicht."

    Am Montag rief er sie dann doch noch einmal an. Um ihr mitzuteilen, dass er ihr einen Brief geschrieben habe. Sie habe seine Entscheidung, nicht mehr als ihr Stellvertreter kandidieren zu wollen, "zur Kenntnis genommen", heißt es enttäuschend kühl. Fürs Erste mag sich die mit neuem Selbstvertrauen ausgestattete "liebe Pamela" eines Klotzes am Bein entledigt haben. Doch on the long run hat Doskozil – wie auch immer man inhaltlich zu den einzelnen Themenfeldern stehen mag – mit seiner Kritik recht. Die SPÖ sucht ihre Linie – in der Migrationsfrage und in jener, wie man wieder zur Volkspartei werden könne, mit der die Menschen "ein Stück des Weges gemeinsam" gehen möchten.

    "Die Verantwortung für den Kurs der Bundespartei trägst vor allem du, liebe Pamela", gab ihr Dosko mit. Und noch einen letzten Seitenhieb: "Es ist die Bevölkerung, die uns den Auftrag erteilt, politisch zu gestalten oder eben nicht." Doskozil hat im Burgenland bewiesen, dass er Wahlen gewinnen kann. Pamela Rendi-Wagner wird sich daran messen lassen müssen.

    Doskozil als Prinz Harry der Roten

    Was haben die beiden aber jetzt, auf den letzten Metern einer Jahrhundert-Pandemie, von dem eskalierten Scharmützel? Sie müssen sich nicht mehr wechselseitig die abweichende Meinung vorhalten lassen und die unterschiedlichen Zugänge in langen Schachtelsätzen schönreden. Bei Hans Peter Doskozil spricht jetzt – trotz vitalen Interesses einiger ÖVP-Hinterbänkler im Burgenland – vorerst niemand mehr von der Commerzialbank-Pleite und wer wann mit wem telefoniert hat.

    Gewinnen kann die Sozialdemokratie so aber nichts. Nicht Pamela Rendi-Wagner, der eines der letzten roten Zugpferde davongaloppiert ist. Und nicht Hans Peter Doskozil, der nun auf Prinz Harry der Roten macht. "Dosko" wird in der SPÖ künftig ein Stück des Weges einsam gehen (müssen). Wobei das mit einer absoluten Mehrheit regierend relativ ist ...