Paukenschlag beim Treffen der US-amerikanischen und ukrainischen Verhandler in Saudi-Arabien: Kyjiw hat einen 30-tägigen Waffenstillstand akzeptiert, Washington gibt das Go! für weitere Waffenlieferung und Geheimdienstinfos. Nun liegt der Ball bei Kriegstreiber Wladimir Putin, diesem ersten möglichen Schritt zu einem Frieden zuzustimmen.
Doch was bedeutet das nun konkret? Osteuropa-Experte Alexander Dubowy ordnet ein.
Das Resultat der Gespräche ist vor allem ein Erfolg der ukrainischen Diplomatie und von Andrij Jermak, Chef des Präsidentenbüros. Der ukrainischen Delegation gelang es, nicht nur die Beziehungen zu den USA zu stabilisieren, sondern auch die sofortige Wiederaufnahme von Militärlieferungen zu erwirken. Zudem hat die Ukraine den von Donald Trump ausdrücklich verlangten "guten Willen" signalisiert. Ausdruck der klugen Diplomatie war auch Jermaks Outfit.
Ähnlich wie Wolodymyr Selenskyj trug Andrij Jermak seit Beginn von Russlands Invasion 2022 immer Kleidung im Militär-Stil, so zum Beispiel erst kürzlich beim Treffen mit dem britischen Nationalen Sicherheitsberater. In Saudi-Arabien trug Jermak hingegen einen Anzug (siehe Bildstrecke unten). Das darf nach dem Eklat im Weißen Haus, bei dem auch Selenskyjs Kleidung zum Thema wurde, als ein symbolisches Entgegenkommen Washington gegenüber gewertet werden. Und auch beim exzentrischen US-Präsidenten gut ankommen.
Das bestimmt. Doch: Trump hat noch gar nicht viel zu vermelden. Denn: Ich frage mich, ob die Rechnung hier ohne den Wirt gemacht wurde.
Russland hat bisher mehrfach verlauten lassen, dass man an einem Waffenstillstand nicht interessiert wäre. Aktuell deutet nichts auf eine grundlegende Änderung der russischen Position hin. Jetzt sind zwei Parteien – die USA und Russland – unter enormem Zugzwang. Die USA müssen liefern, sonst ist es eine Blamage für Trump – und Putin muss auf den US-Druck reagieren.
Offiziell heißt es, dass Mike Waltz bereits in den kommenden Tagen mit Moskau sprechen wird. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine ist, dass die Trump-Administration bereits vor dem heutigen Treffen mit Putin eine Einigung gefunden hat. Und somit die verkündeten Gespräche quasi pro forma sind. Die andere und die für mich wahrscheinlichere ist, dass man jetzt erst mit den Verhandlungen beginnt. Und dann sehe ich die Wahrscheinlichkeit als sehr gering an, dass Moskau einem Waffenstillstand zustimmen könnte.
Russland ist in der Region Kursk auf dem Vormarsch, die Ukraine in Bedrängnis. Moskau will dort klare Verhältnisse schaffen, das dürfte aber noch einige Wochen dauern. Sollte es Moskau gelingen, die Versorgungsroute in Richtung Kursk zu kontrollieren und die Region zu erobern, wäre das wohl der größte Erfolg seit 2022. Wieso sollte Russland zu einem solchen Zeitpunkt 30 Tage ruhen? Zudem können die USA Russland kaum etwas anbieten, das sie zu einem Waffenstillstand bewegen könnte.
Wenn man die letzten Wochen betrachtet, scheint es so, als würde die Trump-Administration in vielen außenpolitischen Belangen improvisieren. Klar kann man – angesichts der russisch-amerikanischen Gespräche in Dschidda und den Geheimverhandlungen in der Schweiz – nicht ausschließen, dass hier ein ganz genauer Plan vorliegt. Doch der Umgang mit Europa, dem Nahostkonflikt, mit China, Kanada, Grönland, aber auch mit dem Ukraine-Krieg lässt eher vermuten, dass in Washington Chaos vorherrscht und viele Entscheidungen spontan getroffen werden.
Alexander Dubowy ist Experte für internationale Politik- und Sicherheitsfragen mit Schwerpunkt auf Osteuropa, Russland und den GUS-Raum. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in Forschung, Beratung und Policy-Analyse. Geboren in Semipalatinsk (heute Semei, Kasachstan), wuchs er in Estland und Österreich auf. Der promovierte Jurist studierte in Wien und Moskau und war an renommierten Universitäten und Institutionen wie der Universität Wien, MGIMO und der Landesverteidigungsakademie Wien tätig.