Jahrhundertelang war Wien von gefährlichen Eisstößen und Hochwassern geprägt. Erst durch die große Donau-Regulierung gelang es, das Eis zu bändigen. Beim großen Eisstoß von 1929 wurde Wien erneut zur Polarlandschaft - ein Spektakel, das Tausende zum "Eisstoßschauen" verleitete, wie der ORF berichtete.
Minus 25,8 Grad Celsius zeigte das Thermometer am 11. Februar 1929 in Wien. Der Winter 1928/1929 war ein "Jahrhundertwinter" - und der kälteste der vergangenen 200 Jahre. Die Donau fror auf einer Länge von dutzenden Kilometern von der Wachau bis nach Ungarn zu, und in Wien kam es zu einem Eisstoß.
Der Eisstoß vom 11. Februar lockte hunderte Wiener an die Donau. "Massenwanderung zum Eisstoß", titelte die Arbeiterzeitung. Es wurden sogar eigene "Eisstoß-Maroni" verkauft, erzählt Stadtforscher Peter Payer. "Es war ein bizarrer, seltener Anblick, der viele tausende Schaulustige angezogen hat."
Eisstöße sind heute ein Relikt der Vergangenheit. Über Jahrhunderte hinweg prägten sie aber das winterliche Wien. War es längere Zeit kalt, bildete sich am seichten Ufer der Donau Randeis, ebenso kam es zu Grundeis an der Sohle des Flusses.
Versetzt mit Steinen und Sedimenten bekam das Grundeis Auftrieb und wurde von der Strömung und vom Wind, gemeinsam mit dem restlichen Eis, flussabwärts getrieben.
An Flussbiegungen oder an anderen "Hindernissen" stauten sich die Eisschollen auf - oft meterhoch. "Ein Eisstoß konnte sich fünf, sechs Meter auftürmen", so der Gewässer-Experte Severin Hohensinner von der Universität für Bodenkultur Wien.
Es war ein faszinierendes Naturschauspiel, das aber auch Gefahren barg. Die Eisschollen konnten Brücken beschädigen und mitreißen. Und wenn es wärmer wurde, das Eis brach und die Schollen abgingen, konnte ein Eisstoß große Zerstörungskraft entwickeln.
"Das ist wie eine Staumauer, die auf einmal zusammenbricht", sagt Hohensinner. Nicht nur ging ein Eisstoß mit Hochwassern einher, die Eisblöcke konnten mit hohen Geschwindigkeiten flussabwärts schießen, Gebäude zerquetschen und Auwälder kappen.
Um die Gefahren durch Eisstöße einzudämmen, wendeten die Wiener verschiedene Strategien an. Man versuchte den Eisstoß vom Ufer aus mit langen Stangen, die am Kopfende mit Haken versehen waren, aufzulösen.
"Ein mitunter tödliches Unterfangen", erzählt der Boku-Wissenschaftler. 1784 habe man zwei Kanonenkugeln mit Ketten verbunden und auf den Eisstoß gefeuert, um ihn aufzubrechen, und 1814 mit Granaten auf das Eis gefeuert. Die Wirkung all dieser Maßnahmen war gering.
Vor der Donauregulierung war der Eisstoß 1830 mit 74 Toten und knapp 700 zerstörten und schwer beschädigten Häusern einer mit besonders großer Zerstörungskraft. Die abgehenden Eisschollen zerstörten die Taborbrücke, vom folgenden Hochwasser waren vor allem Floridsdorf und die Vorstädte Leopoldau, Leopoldstadt, Roßau und Stadlau stark betroffen.
"Der Eisstoß 1830 war eine Zäsur in der Stadtgeschichte", sagt Payer. Ein Ereignis, das nicht nur in zeitgenössischen Medien und in Bildern aufgegriffen wurde, sondern auch die Donauregulierung immer dringlicher machte.